Seit voriger Woche bringt SALTO die Erläuterungen zur Verfassungsreform von Senator Palermo. Aus seinen Ausführungen kann man immer viel lernen und ich wäre der Letzte, der seine Kompetenz in Zweifel zieht. Doch Francesco Palermo ist seit März 2013 in erster Linie Politiker und gerade in dieser Frage „di parte“. Er hat x-mal im Senat für diese unglückliche Reform die Hand aufgehoben, nur wird das bei Palermo nicht so deutlich. Palermo stimmt vormittags im Senat ab, gibt nachmittags auf SALTO „Erläuterungen“ und tritt abends auf einer Podiumsdiskussion für das SI beim Referendum auf. Er schlüpft von der Rolle des Politikers in jene des Verfassungsrechtlers und zurück, ganz nach Gelegenheit. Das Spiel des Experten-Politikers spielt Palermo mit Bravour, ohne dass es dadurch fairer würde. Ist er ein unabhängiger Experte? Braucht es vor einer Volksabstimmung ein freies Pro und Contra oder Belehrungen eines gar nicht so unabhängigen Politikers im Trikot des Experten?
Um diese subtile Verletzung echter par condicio durch Experteninszenierungen klar zu machen bringe ich ein Bild. Referendum über Kernkraftwerke in Italien. SALTO schaltet sich ein und bringt wochenlang Gespräche mit einem Atomphysiker, der - zum Senator gewählt - vorher immer für neue AKWs gestimmt hat. Er klärt das unwissende Volk über den Segen der Atomkraft auf, warum sie immer noch die sicherste Form der Energiegewinnung sei, welche Risiken man beachten müsse und dass man keine Gespenster sehen dürfe (vgl. FF vom 22.9.2016). Als „Experte“ müsse er das wohl wissen. Kein skeptischer Physiker, kein anderer "committed scientist" kommt zu Wort.
Bei Palermo ist das nicht viel anders: man liest nie eine klare Kritik an dieser Verfassungsreform, er spielt den Beschwichtiger. Über diesen Kunstgriff des Expertentums wird die par condicio elegant durchbrochen. Denn das Wort des vermeintlichen Experten wird automatisch höher eingestuft. In derart hochpolitischen Fragen in einem Abstimmungskampf ist das weder fair noch legitim. Denn hier steht Argument gegen Argument. Palermo hat seine begründete Position, andere Experten kommen zum gegenteiligen Schluss.
Dennoch bringt SALTO bringt den Politiker als „Verfassungsrechtler“, als Experten supra partes sozusagen. „Ich kann Sie beruhigen“, begründet Franceschini diese Entscheidung von SALTO am 23.9.2016 auf SALTO zum Start dieser Reihe, „ SALTO und F. Palermo werden weder für ein NEIN noch für ein JA die Werbetrommel rühren. Er wird diese Reform erklären, ihre Auswirkungen und Folgen, und er wird Informationen, die für eine bewusste Stimmabgabe hilfreich sind.“ Wie wählt er seine Informationen aus? Welche Fragen kommen dran? Was heißt hier „bewusste“ Stimmabgabe? Warum werden keine anderen Verfassungsexperten befragt?
Dabei gibt es auch in Südtirol Unidozenten wie Peterlini, Professoren wie Toniatti und Baroncelli, Juristen wie Brugger und Gianni Lanzinger, die diese Materie genauso kennen. In Italien lehnen Dutzende namhafter Verfassungsrechtler wie Zagrebelsky und Settis diese Reform komplett ab, darunter 10 ehemalige Präsidenten und 10 ehemalige Vizepräsidenten des Verfassungsgerichts. Ich plädiere dafür, dass SALTO, obwohl nicht rechtlich dazu verpflichtet, sich an die freiwillige par condicio hält und nicht unter dem Mantel des Expertentums eine Seite bevorteilt.
Kommentar schreiben
Zum Kommentieren bitte einloggen!Kommentare