Ein solches Video zeigt einen Kämpfer der Rebellen, der einem getöteten angeblichen Assad-Getreuen das Herz aus der Brust schneidet und hineinbeißt. Drohkannibalismus, gewissermaßen, und der Kämpfer kündigt an: „Wir werden euer Herz und eure Leber essen, ihr Soldaten von Assad, dem Hund!“ Es geht um Einschüchterung, um eine Drohgebärde, es ist eine Erweiterung der Kriegshandlungen um Gräueltaten und Leichenschändung. Ich frage mich, wie kommt der Kämpfer dazu, die Androhung von Kannibalismus als Propagandatechnik zu wählen? Tatsächlich isst er das Herz des gegnerischen Soldaten ja nicht, er tut nur so, er droht damit, um Angst und Schrecken zu erzeugen.
Vielleicht markiert das Video, obwohl sich andere Aufständische sofort davon distanzierten, eine Art Wendepunkt: Mehr als zwei Jahre nach Beginn der syrischen Revolution als Volksaufstand mit bloßen Händen, als friedlicher Protest von Frauen, Männern, Alten und Jugendlichen, hat sich der Konflikt so militarisiert, so brutalisiert, dass Leichenschändung als Propagandatechnik auf Seiten der „Guten“ eingesetzt wird. Natürlich trifft die Hauptschuld an dieser Entwicklung Präsident Assad und seine Machtelite selbst: Sie haben auf den friedlichen Protest mit Waffen geantwortet, sie haben den Preis für einen Umsturz mit roher und brutaler Gewalt in die Höhe getrieben, sie haben versucht, demokratische Forderungen in einem konfessionellen Krieg zu ersticken. Doch müssen wir, nach mehr als zwei Jahren, nicht feststellen, dass sie ihr Ziel erreicht haben?
Assad wird sich ins Fäustchen lachen, dass seine Gegner nun Jihadisten in ihren Reihen zählen, dass der Aufstand zu einem Bürgerkrieg geworden ist, der nun durch Geld und Waffen aus dem Ausland weiter angefacht wird, aber in dessen Wirren ein Eingreifen unmachbar erscheint, und dass die Brutalität der Aufständischen sich der seiner eigenen Truppen immer mehr annähert.
Vor zwei Jahren hätte Assad seine Haut noch retten können, hätte er Zugeständnisse gemacht, und echte Reformen angekündigt. Nun hat er seinen Machterhalt an einen Kampf auf Leben und Tod geknüpft. Vielleicht war dies das größte Verbrechen.
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