Ministerin Boschi und Unterstaatssekretär Bressa waren am Montag angereist, um mit der lokalen PD-Spitze das Komitee für das JA zum Verfassungsreferendum im kommenden Herbst zu lancieren. Bis Oktober wird es die Trommel rühren unter der Losung „Basta un SI per garantire stabilità e partecipazione“. Etwas mehr Stabilität mag die Renzi-Boschi-Reform schon bringen, doch hinter „Beteiligung“ ist ein großes Fragezeichen zu setzen.
Beteiligung könnte bedeuten, dass man mit dieser Reform die Rechte des Parlaments und der Bürger stärken will. Beim ITALICUM-Wahlgesetz, das im Doppelpack mit der Verfassungsreform geliefert wird, ist das Gegenteil der Fall. Wenn eine Partei im ersten Wahlgang 40% erreicht, gibt’s eine Prämie von 340 der 630 Sitze der Kammer. Wenn keine Partei sofort die 40% erreicht – sehr wahrscheinlich – kommt es zur Stichwahl, und eine der beiden 30%-Parteien erhält dann die 340 Sitze. Damit wird das zukünftige Parlament nicht repräsentativer, sondern in gewissem Sinn „amerikanischer“. Der Wählerwille wird immer weniger abgebildet, politische Minderheiten werden verdrängt. Einer stabilen Regierungsmehrheit mag das schon dienlich sein, doch kann man diesen Zweck auch mit Verhältniswahlrecht und einer Prozenthürde erreichen. Auch die sehr eingeschränkte Möglichkeit von Vorzugsstimmen für Kandidaten ist alles andere als beteiligungsfördernd. Eine Minderheit der Wähler wird künftig die Mehrheit im Parlament bestimmen und damit die Regierungsmehrheit.
Genauso wenig passt das Stichwort „Beteiligung“ zur Schwächung der Regionen mit Normalstatut und zur Zentralisierung der Entscheidungsmacht in den Händen der Regierung. Die Renzi-Boschi-Reform nimmt den Regionen gleich 20 Zuständigkeiten, unterwirft sie einer rigiden Kontrolle ihrer Finanzen und der sog. Suprematieklausel. Damit kann die Regierung jederzeit im Namen der rechtlichen Einheitlichkeit in die primären Zuständigkeiten der Regionen eingreifen. Damit schrumpft der demokratische Raum, der sich in den Regionen entwickelt hat. Beteiligung auf regionaler Ebene wird uninteressanter.
Auch der neue Senat, zusammengesetzt aus Regionalratsabgeordneten und Bürgermeistern (also im Nebenjob), ist nicht angetan, Beteiligung zu fördern. Der neue Senat ist kein echtes Instrument der Beteiligung der Regionen am gesamtstaatlichen Gesetzgebungsverfahren wie etwa der deutsche Bundesrat, sondern hat nur zweitrangige Bedeutung in den Gesetzgebungsverfahren. Insgesamt werden Gesetzgebungsverfahren beschleunigt und das System vereinfacht, aber eben zu Lasten demokratischer Mitspracherechte.
Von mehr Beteiligung ist schließlich ganz zu schweigen bei den „Reformen“, die die Verfassungsreform Renzi-Boschi an den Volksabstimmungsrechten anbringt. Die Unterschriftenzahl für die Volksbegehren (proposta di legge di iniziativa popolare) steigt von 50.000 auf 150.000. Das Beteiligungsquorum bei den abrogativen Referenden wird nur dann herabgesetzt, wenn 800.000 Unterschriften gesammelt werden, statt der bisher 500.000. Die Einführung der Volksinitiative mit Volksabstimmung (referendum propositivo) wird in der Verfassung „in Aussicht gestellt“. Die Beteiligung also auf übermorgen verschoben.
Weder für mehr direkte noch für indirekte Beteiligung (über das Parlament) gibt es in dieser Verfassungsreform Platz. „Beteiligung“ sollte das Komitee für das JA deshalb ehrlicherweise sehr klein schreiben, Machtkonzentration in den Händen der wenigen Parteizentralen richtig groß. Während das Verfassungsreferendum fix ist, läuft gegen das ITALICUM noch die Unterschriftensammlung. Bis zum 2. Juli 2016 kann in den Gemeinden für den Referendumsantrag gegen das ITALICUM unterschrieben werden. Weitere Gründe finden sich hier.
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