Alternative Heilungs- und Selbstheilungsansätze gehören, wie ich meine, in den Bereich "Kultur". Denn gerade dort wird die Frage "ob und wie etwas funktioniert" grundsätzlich nicht gestellt, sie ist überflüssig. Kunst und Kultur "ist" ganz einfach, hat aber immer eine Wirkung, physischer oder geistiger Art, und die Wirkung ist immer individuell verschieden (und daher für wissenschaftliche Studien weitgehend uninteressant - siehe individueller Effekt von Musik oder Malerei). Auch basiert Kunst immer auf einer - mehr oder weniger komplexen - Theorie: Expressionismus, Impressionismu, Kubismus, klassische Harmonielehre oder 12-Ton-Musik, Atonalität oder Blues. Kulturell aktive Menschen - so meine Beobachtung - tendieren auch bei der Fürsorge des eigenen Körpers zu einem kreativ-aktiven Verständnis seiner Funktionen. Sie sehen - wie jeder Künstler - in der Anomalie keinen Makel, sondern einen eigenen Sinn, den es zu verstehen und zu vertiefen gilt. So wird körperliches oder geistiges Leiden über das Bestreben nach einem harmonischen Ganzen zu kontrollieren versucht (Beispielhaft hierfür sind die Anthroposophen, in deren Weltbild sich Kunst und Homöopathie logisch integrieren).
Homöopathie: wie sie funktioniert beschreibt Hahnemanns Theorie, deren Logik nachvollziehbar ist, deren wissenschaftliche Bestätigung aber genauso unwichtig ist, wie die melodische Logik balinesischer Gamelan-Musik. Beide sind Kulturgut, beide können - wenn auch auf ganz verschiedenen Gebieten individuell große Wirkung zeigen, sie können gepflegt, weiterentwickelt und verfeinert werden. Als mein Sohn etwa 10 Jahre alt war, haben wir uns mit seiner Warze auf der Hand an einen Homöopathen gewandt. Er sollte bei einer bestimmten Mondphase (zur Freude David Grubers...) eine Münze unter einem Baum vergraben und sich vorstellen, wie sich diese unter der Erde langsam auflöst. Die Warze verschwand in kürzester Zeit (wer Erfahrung mit Homöopathie bei Kindern gemacht hat, kennt ihren besonders hohen Wirkungsgrad). Eine meiner Töchter ist durch geduldige Homöopathie ihr allergisches Asthma definitiv los geworden, während sich andere Kinder, mit sehr mäßigem Erfolg, unzähligen Tests und Cortisontherapien unterziehen mussten, ohne je geheilt zu werden. Ich selbst habe mir vor 20 Jahren von einem Chirurgen mehrere Fußwarzen entfernen lassen, nachdem ich kaum mehr gehen konnte vor Schmerzen. Nach der noch schmerzhafteren Operation kamen alle Warzen wieder und blieben weitere 10 Jahre, um dann ohne jegliche Theapie unvermittelt zu verschwinden. All das sind Anekdoten, die nichts beweisen, aber es sind Erfahrungen, die prägen, die zur Reflexion unseres Daseins und seiner individuellen Funktionen anregen.
Qi Gong: seit mir ein Chinese vor etwa 20 Jahren diese Übungen beigebracht hat, beschäftige ich mich regelmäßig damit. Die Kultur, die dahintersteht, ist mir nur sehr lückenweise bekannt. Ich weiß nicht genau WIE es funktioniert und die damit zusammenhängende Kultur wird nur von Meister zu Meister weitergegeben und kann über Bücher praktisch nicht vermittelt werden. Aber die positiven Erfahrungen und die Wirkung auf mein Wohlbefinden, auf meine Gesundheit, sind enorm. Ich habe gelernt, mich auf Schmerzen zu konzentrieren, deren Ursache selbst zu finden und ein Gleichgewicht herzustellen. Ich kann über Atmung und langsame Bewegung Körperfunktionen beeinflussen, wie Herzschlag und Verdauung. ich habe meinem Weltbild der genetischen Funktion ein neues Weltbild des Qi, der Lebensenergie hinzugefügt (ohne ersteres deshalb zu negieren). Ich habe also meinen Gesichtskreis erweitert, neue geistige und körperliche Dimensionen geöffnet. Deshalb weiß ich trotzdem, dass mein Herz eine mechanische Pumpe ist, mit deren Reparatur ich nicht zögern würde, einen Kardiologen aufzusuchen, wenn ich die Symptome eines Herzinfarktes vermute. Ich denke aber, mit QiGong sehr viel dafür getan zu haben, dass es nicht soweit kommt.
Augenscheinlich steht also bei der Diskussion um alternative Heilungsversuche das mechanische Weltbild (Mensch als biologische Maschine) einem einem ganzheitlichen, holistischen Weltbild (Mensch als bio-psycho-soziales Unikum) gegenüber. Das erste resultiert aus der wissenschaftlich-industriellen Entwicklung und gerät mit der globalen Krise derselben zunehmend in Schwierigkeiten. Das zweite wurde mit derselben Entwicklung verdrängt und bekommt nun wieder zunehmend Aktualität. Es wäre ein Fehler, es mit ersterem zu messen und in Konkurrenz zu stellen. Wie Einstein sagte: man kann die Probleme nicht mit der selben Denkweise lösen, mit der man sie geschaffen hat.
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