Die Geringschätzung der gesamten Thematik der Bürgerbeteiligung ist überdeutlich, denn seit dreieinhalb Jahren spielt die SVP auf Zeit. Zuletzt spießte es sich angeblich nur mehr an der Zahl der Unterschriften, die laut Obmann Theiner auf 26.000 oder noch weniger reduziert werden könnten. Doch weist der SVP-Entwurf auch darüber hinaus eine Menge Lücken und Mängel auf. Nur wenige Beispiele: eine Volksinitiative führt nur zur Volksabstimmung, sofern der Landtag dem "Grundanliegen der Promotoren nicht entspricht"; es fehlt das bestätigende Referendum, eine Art Veto-Recht der Bürger, wenn vom Landtag beschlossene Gesetze als ungerecht empfunden werden. Die echte Volksinitiative wird durch ein kompliziertes Zwei-Stufen-Verfahren ausgehebelt, Volksabstimmungen über die Regierungsformgesetze (Wahlrecht und direkte Demokratie) sind ausgeschlossen; eine Volksabstimmung findet nicht statt, wenn die Mehrheit der Vertretung einer Sprachgruppe im Landtag beschließt, dass der Vorschlag "ethnisch sensibel" sei und so weiter und so fort.
Bestätigende Volksabstimmung ermöglichen
Die SVP-Strategie läuft letztlich darauf hinaus, die bestätigende Volksabstimmung zu verhindern, die Opposition und Initiative für mehr Demokratie schon angekündigt haben. Die meisten Südtiroler wollen eine gute Regelung der Bürgermitbestimmung. Wenn nun die SVP überzeugt ist, mit ihrem Gesetz die beste Lösung zu bieten, soll sie doch endlich den Mut aufbringen, sich einem bestätigenden Referendum zu stellen. Die beste Verfahrenslösung wäre doch, dass die Bürger in einer freien Abstimmung zwischen dem Vorschlag des Landtags (in diesem Fall SVP-Vorschlag) und Vorlage der Bürger (in diesem Fall: Initiative für mehr Demokratie) entscheiden könnten. Die SVP hat dies immer vom Tisch gewischt. Sie beharrt auf dem Standpunkt, dass die Südtiroler Wählerschaft für die Regelung der Regierungsform im Land nicht zuständig sei. Doch diese Bestimmung (Art.47, 2 und 3 Autonomiestatut) ist klärungsbedürftig. Man könnte sich erwarten, dass sich die SVP in Rom für eine Erweiterung demokratischer Bürgerrechte einsetzt, nicht für deren Begrenzung. Hier steht Gutachten gegen Gutachten, 4 Richtersprüche gegen einen. Hier gibt es ganz dringenden Nachbesserungsbedarf.
Mangel an Mitbestimmungsmöglichkeiten
Dieser Mangel im jetzigen Autonomiestatut steht beispielhaft für einen generellen Mangel an Bürgerbeteiligung. Die eigentlichen Subjekte unseres autonomen Landes, die Bürger Südtirols, können von sich aus überhaupt nichts am Autonomiestatut ändern. Aufgrund der aktuellen gesetzlichen Lage haben sie in diesem Prozess keine direkten Mitbestimmungsmöglichkeiten. So gibt es weder ein Recht auf Volksbegehren, noch das Instrument der Volksinitiative zur Abänderung des Autonomiestatuts durch die Bürger. Die Landtage haben zwar ein Vorschlags- bzw. Anregungsrecht zur Statutsänderung, doch um eine Motion mit diesem Inhalt an Rom zu richten, muss sie vorab vom Regionalrat verabschiedet werden, also auch vom Trentino abgesegnet werden (Art. 103, 2 Autonomiestatut). Würde sich z.B. eine übergroße Mehrheit des Südtiroler Landtags für die Abschaffung der Region aussprechen und das Parlament formell dazu auffordern wollen: keine Chance, denn das Trentino würde vermutlich alles blockieren. Alles was an Autonomiereform läuft, soll weiterhin zwischen Parteispitzen hinter verschlossenen Türen ausgehandelt werden? Entspricht dies demokratischen Kriterien?
Autonomiereform für mehr Bürgerbeteiligung
Somit braucht es eine Autonomiereform zur Schaffung von mehr Mitentscheidungsmöglichkeiten im Land, nicht nur für mehr Kompetenzen. Diese Reform müsste mindestens folgende Rechte umfassen: das Recht auf Volksbegehren und auf Volksinitiative der Bürger zur Abänderung des Statuts (durch das Parlament), das Recht auf eigenständige Motionen des Südtiroler Landtags zur Abänderung des Statuts, die Notwendigkeit der 2/3-Mehrheit des Landtags für einseitige Abänderungen des Statuts durch den Staat. In einem zweiten Schritt sollte Südtirol wie die anderen Regionen Italiens die Statutshoheit erhalten, die Souveränität, sein Statut selbst festzulegen. Wie in Spanien der Fall und in Sardinien angepeilt, könnte dann entweder der Landtag ein konstituierendes Mandat wahrnehmen oder ein eigener "Konstituierender Statutenkonvent" gewählt werden. Dies würde nichts daran ändern, dass das Parlament unserem Autoomiestatut als Teil der Verfassung letztendlich seine Zustimung geben muss, doch würde es der Südtiroler Bevölkerung ein Stück demokratische Souveränität verschaffen. Ob solche Reformen für mehr souveräne Rechte der Bürger mit der SVP im Parlament zu schaffen sind, ist nach der Erfahrung von 12 Jahren Umgang mit der direkten Demokratie im Land sehr sehr fraglich.
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