matthew-henry-yetqklnhsui-unsplash.jpg
Matthew Henry Unsplash
Advertisement
Advertisement
Mobilität

e-Vision Südtirol

Leiser, emissionsärmer wird sie sein, die e-Welt von morgen, mit weniger Autos und Motorrädern. Doch gilt das auch für eine elektrifizierte Tourismusdestination?
Community-Beitrag von Thomas Benedikter15.03.2023
Bild des Benutzers Thomas Benedikter

Die Piefke-Saga, jetzt schon 32 Jahre alt, ist längst schon Realität, Schnee von gestern sozusagen. Bei dieser Art Winter könnte auch der Schnee gestern gewesen sein. In Südtirol wie in Nordtirol sind wir im overtourism angekommen: 11,2 Mio. PKW passierten die Mautstelle Schönsberg im Jahr 2022, 34,3 Mio. Nächtigungen registrierte das IDM im Land. Heute, im spätfossilen Zeitalter, rollt die Masse der Gäste noch mit Benziner und Diesel an. Aber Silberstreif am Horizont: 2035 werden in der EU keine Verbrenner mehr zugelassen, so Salvini es gestattet, und bis 2040 sind wir klimaneutral, so Kompatscher sich durchdersetzt. Somit: schöne, neue emissionsfreie e-Welt von morgen?

Nicht ganz, denn etwas Rebound-Effekt trübt die Stimmung. Diese Art von Bumerang ergibt sich daraus, dass ein Gut, z.B. ein Auto oder Motorrad, effizienter und dadurch kostengünstiger wird. Bei der Mobilität tritt dieser Effekt ganz direkt auf: was billiger ist, wird stärker nachgefragt. Mein strombetriebenes Auto fährt um den halben Preis, also fahre ich noch mehr herum. Auch den indirekten Rebound haben wir dabei: ich spare beim Auto, dann habe ich noch Geld für ein Zusatzmotorrad auf dem Anhänger, wie immer häufiger auf Südtirols Straßen zu sehen. Hinzu kommt der psychologische Rebound-Effekt beim Fahren, auch moralische Lizenzierung genannt. Wer mit erneuerbarer Energie durch die Dolomiten kurvt, fühlt sich besser, weil das Klima nicht mehr leidet. Schließlich das Backfire: die Einspareffekte durch die E-Mobilität werden überkompensiert und der Individualverkehr steigt sogar an. Wer in Bozen aus der Bahn steigt, leiht sich nebenan das strombetriebene Spaßgerät. Weniger CO2-Emissionen mag sein, aber weniger Metall- und Blechschachteln auf der Straße noch lange nicht.

Da kann man viel Hoffnung auf die Bahn setzen, vor allem auf den BBT, der 2032 in Betrieb gehen wird. Einen zahlenmäßigen Vorgeschmack darauf lieferte am 10. März 2023 einer, der es wissen muss: der Chefplaner des neuen Landesplans für nachhaltige Mobilität, Ing. Stefano Ciurnelli. Er ging vom deklarierten Ziel der Landesregierung aus, bis 2035 den Anteil der Touristenankünfte (laut IDM 2022 7,9 Mio) mit der Bahn auf 25% zu steigern. Pro Woche müssten dann von mindestens 153.000 ankommenden Gästen im Schnitt 38.000 durch die Bahnhöfe Brixen, Bozen, Meran geschleust werden. Zusammen mit den einheimischen Fahrgästen ergäbe das einen Tagesdurchschnitt von 40.00 Fahrgästen am Bahnhof Bozen. Das sei immerhin, so Ciurnelli, die Hälfte der Fahrgäste, die der neue Bahnknoten Bologna täglich zu bewältigen hat. Der Rebound-Effekt ist hier noch nicht inbegriffen. Es wird eng am Hub Bozen.

So nimmt die e-Vision auf unser Tourismusland für die Zeit nach 2032 und nach 2035 (Verbot der Neuzulassung von Verbrennermotoren in der EU) langsam Gestalt an: volle Bahnen und Busse, zumal die Touristen dank Gästecard überall kostenlos fahren, Gedrängel auf den Bahnhöfen, volle Seilbahnen, E-MTB auf allen Wanderwegen. Dank Rebound-Effekt aber auch immer noch gleich viel e-motorisierter Individualverkehr. Welcher passionierte Automobilist will sein neues teures E-Auto in der Garage lassen, wenn die Alpenpässe warten? Die Motorradplage wird noch steigen, weil leisere und sparsame e-Maschinen „moralisch lizenzieren“, ganz zu schweigen von E-Mountainbikern rauf bis zur letzten Schutzhütte.

So wird Südtirol doch zur Tirol-City-Landschaft, zum alpinen Freizeitpark der Großstädter, wie es 2005 die Gruppe YEAN genial dargestellt hatte. Der HGV wird zwar auch 2040 noch Luft nach oben sehen, der Handelskammerpräsident die Erreichbarkeit des Landes bemängeln. Nur die IDM-Texter werden die e-Vision in neue poetische Werbetexte kleiden, damit der Gästestrom nicht versiegt. Vielleicht frei nach Konstantin Wecker: „Genug kann nie genügen“.

Advertisement
Advertisement

Kommentare

Bild des Benutzers Gianguido Piani
Gianguido Piani 18.03.2023, 18:13

Sehr gut beschrieben! Und die Gäste aus China sind noch gar nicht mitberechnet.

Bild des Benutzers Dietmar Nußbaumer
Dietmar Nußbaumer 18.03.2023, 18:56

Nur weniger Verkehr ist weniger Verkehr. Wie sich der Tourismus in Zukunft entwickelt ist nicht so leicht vorauszusagen. Sollte Europas Wirtschaftsmotor Autobau schwächeln, wird das auf ganz Europa und auch den Tourismus Auswirkungen haben. Auch wie sich der Klimawandel auf den Tourismus auswirken wird, weiß man nicht. Die Transformation darf eben bei unseren Gewohnheiten nicht haltmachen.

Bild des Benutzers Josef Fulterer
Josef Fulterer 18.03.2023, 20:48

Wenn man die Abwendung KLIMA-KRISE wirklich abwenden will, muss man auch dem Autoverkehr an den Kragen gehen:
° die Höchstgeschwindigkeit unter 100 km / Stunde,
° progressive Steuern für den Ankauf und Betrieb für alle PKWs über 1.000 kg, Motorräder 60 kg,
° Personen-Verkehr wo es möglich ist mit passenden Takten auf die Schiene und in die Busse,
° den überregionalen Lasten-Verkehr auf die Schiene,
° die regionalen Zustellungen möglichst zusammen-gefasst, max. 1 mal täglich,
° Schluss mit den verrückten, die anliegenden Dörfer und Städte vergewaltigenden Straßen-Bauten (auch für Olympia 2026)
° Schluss mit dem hoch suventionierten und Steuer-freien Treiben in der Luft, mit Anrechnung vollen Umweltschäden!!!

Bild des Benutzers Margot Wittig
Margot Wittig 19.03.2023, 18:52

es ist schon seltsam, daß es zu einem so wichtigen Thema und einem so knapp und klar formulierten Text so wenig Kommentare gibt! Glauben die meisten Menschen wirklich, wir können wie gehabt weiter machen und die Technik wird's schon richten...

Bild des Benutzers Albert Mairhofer
Albert Mairhofer 20.03.2023, 15:47

Von der schweren Eisenbahn zur leichten Einschienen-Hängebahn:

Die heutige Eisenbahn ist sehr schwer (174 t ist auf den Pustertaler Garnituren zu lesen das sind 14 Reisebusse). Daher ist der Bau aber auch der Betrieb sehr aufwändig und mit hohen Kosten verbunden. Dementsprechend hoch sind Materialverschleiß, Antriebsenergie und die Bremsverluste besonders auch wegen der kurvenreichen Strecke.
Diese Einschienen-Hänge-Bahn - EHB - ähnelt einer Seilbahn mit Kabinen mit dem Unterschied, dass diese an einer aufgehängten Schiene hängend fahren und daher mit höherer Geschwindigkeit die Kurven nehmen und „flink wie der Vinschgerwind“ über jedes Hindernis hinweg, quasi in Vogelperspektive, durch das Tal schweben. Die EHB kann in kurzen Abständen fahren und daher erübrigt sich sogar ein Fahrplan.

Die Bahninfrastruktur lässt neben der Hängebahn noch weitere sehr innovative Nutzungen zu, die sich gegenseitig ergänzen.

1. So dient die Überdachung, neben der Anbringung von Photovoltaikelementen zur Stromerzeugung, auch zur Aufhängung der Laufschienen für die 2 Fahrspuren der EHB und zur Unterbringung von Strom- und Datenleitungen, die wiederum als tragende Elemente des Photovoltaikdaches und der genannten Schienen eingesetzt werden können. Der Antriebstrom für die EHB und die Daten für die Automatisierung werden aus diesen Leitungen entnommen.

2. Der Bahngrund mit den Geleisen kann dann zu Geh- und Fahrradwegen verwendet werden. So wird die durch den Gleiskörper verursachte Zerschneidung des Umfeldes aufgehoben, Getrenntes wieder verbunden. Bahnkreuzungen, Unter- und Überführungen fallen weg, denn die EHB fährt darüber hinweg. Bahnhöfe mit den sanitären Einrichtungen kommen immer mehr Nutzern zugute. Freiwerdendes Bahnareal kann für Parkplätze für EHB-Benutzer verwendet oder anderen sehr nützlichen Verwendungen zugeführt werden. Die Wohnqualität und der Wert der Liegenschaften neben der so umgewidmeten Infrastruktur wird enorm angehoben.

3. Ein zusätzlicher Synergieeffekt wird durch die Verwendung der abgebauten Eisenbahnschienen als Stützpfeiler oder Träger für die Überdachung erzielt. Der Umbau kann so ressourcen- und umweltschonend abgewickelt werden.

4. Der Verkehrsexperte Prof. Knoflacher hat schon vor mehreren Jahren zum Ausdruck gebracht, dass der Gütertransport auf der Bahn nicht mehr zeitgemäß sei. Da genügt ein Google-Earth-Blick auf die riesigen nicht mehr genützten Eisenbahnareale in den Städten, die für den Verschub erforderlich waren. Kreisverkehre und kreuzungsfreie Straßen ermöglichen die Verteilung der transportierten Güter im Fließen – ohne zeit- und kostenaufwändiges Rangieren. Ein LKW fährt vom Acker oder vom Wald direkt in die Fabrik und umgekehrt! Deshalb gilt es, einen ähnlichen Umbau der Straßen und Autobahnen vorzunehmen und den Verkehr durch die Elektrifizierung und Automatisierung sicherer, umwelt- und menschengerechter zu machen. Welch ein Reichtum an Entwicklungsmöglichkeiten in allen Städten, Ortschaften und Tälern: Eine zweispurige Hochgeschwindigkeits-Hängebahn zum Greifen nah!! Es könnte uns nichts Besseres passieren.

5. Die EHB könnte über den Reschen und durch das Inntal bis St. Moritz oder über die Meranerbahn bis Sigmundskron und über die Drususallee bis zum Bahnhof in Bozen verlängert werden! Auch für die Verbindung ins Überetsch oder für die Dolomitenerschließung (Ponte nelle Alpi-Cortina-Toblach) hat die Hängebahn nicht zu übertreffende Vorteile, denn sie kann oberhalb von bestehenden Verkehrswegen auch mit größeren Steigungen verlaufen.
Daher habe ich auch auf die Möglichkeit gedacht, die Straße über den Ofenpass zwischen Mals und Zernez auf diese Weise auszubauen.

Ich hoffe, dass diese Ausführungen und Anregungen hilfreich sind, eine zeitgerechte Umstrukturierung und Modernisierung auf den Weg zu bringen. Darstellungen und nähere Beschreibungen dazu sind unter www.tirol-adria.com C.3 veröffentlicht. Dass die Idee nicht so abwegig ist, beweisen auch die Darstellungen unter www.sunglider.eu .

Bild des Benutzers Thomas Benedikter
Thomas Benedikter 20.03.2023, 21:08

Danke, Herr Fulterer, für Ihre Vorschläge, die ich voll teile. Allein schon das Tempolimit wäre eine Riesenentlastung bei Klima, Luftqualität und Lärm. Obwohl das längst nachgewiesen ist, läuft das auf wenigen Kilometern im Unterland immer noch als bloße Empfehlung.
Vielen Dank Herrn Mairhofer für die Erläuterung dieser erstaunlichen Erfindung, die Einschienen-Hänge-Bahn EHB. Auch die Mehrfachverwendung der Bahntrasse klingt vielversprechend. Vielleicht ließe sich einiges auch auf konventionelle Bahnstrecken übertragen, wie etwa die Einhausung und Montage von PV-Paneelen auf der Überdachung. Im Unterland ließe sich so gewaltig viel Solarstrom produzieren. Für die BBT-Zulaufstrecke bräuchte man die Bestandslinie nur verdoppeln, einhausen und mit PV-Anlage bestücken. Damit ließe sich der enorme Tunnelbau im Berg östlich des Etschtals vermeiden.

matthew-henry-yetqklnhsui-unsplash.jpg
Matthew Henry Unsplash
Advertisement
Advertisement
Advertisement