Klimaneutralität würde bedeuten, dass bei den Südtirol zuordenbaren Treibhausgasemissionen (THG) die „Nettonull“ erreicht wird. Das heißt, in Südtirol dürften 2040 nur mehr so viele THG ausgestoßen werden, wie durch CO2-Senken absorbiert und durch im Ausland finanzierte CO2-Senken kompensiert wird. Was als CO2-Senke einem Territorium angerechnet werden darf, ist international umstritten. Neutral könnte man mit 1 t oder 1,5 t pro Kopf im Jahr sein, kaum mehr. Bei 1,5 t lag das vom alten Klimaplan 2011 für 2050 gesetzte Ziel.
Doch wieviel THG setzt Südtirol derzeit jährlich frei? Wo liegt die „baseline“, der Ist-Stand bei den Emissionen, den wir in 17 Jahren auf Nettonull zu schrumpfen haben? Dazu schweigt sich der Klimaplan Südtirol 2040 aus und bringt auch keine Projektionen zum Zielpfad in Richtung Klimaneutralität 2040. Weder als t CO2 pro Kopf im Jahr noch als Gesamtwert in t scheinen die aktuellen Emissionen auf. Zudem wird auf eine Analyse der bisherigen Entwicklung des CO2-Ausstoßes verzichtet, die seit 2011 ganz und gar nicht rosig ausgesehen hat.
Im Klimaplan Südtirol 2040 wird zudem auf eine Analyse des heutigen Gesamtenergieverbrauchs und der bisherigen Entwicklung des Stromverbrauchs verzichtet, im Unterschied zum Bundesland Tirol (Land Tirol, Energie-Zielszenario Tirol 2050 und 2040 mit Zwischenstand 2030, Endbericht vom Sept. 2021). Die Dauerleistung pro Einwohner stieg in Südtirol von 2011 bis 2019 auf 3000 Watt, während der Klimaplan 2011 noch 2500 Watt als Zwischenziel für 2020 und 2200 Watt als Zielwert für 2050 postuliert hatte. Als nachhaltig wird, nach verbreiteter Auffassung, eine Dauerleistung von höchsten 2000 Watt pro Person im Jahr betrachtet, was 17.520 kWh oder rund 1700 Liter Heizöl oder Benzin (Endenergie) pro Jahr und Person entsprechen würde. Somit noch viel Luft nach oben.
Die Angabe des Ist-Zustands der Emissionen ist für die Zielerreichung von großer Bedeutung. Läge er heute tatsächlich bei 4,4 t CO2 pro Kopf, würde die Reduktion auf 1,5 t CO2 (gleich Klimaneutralität) einen Abbau von 2,9 t CO2 bedeuten. Geht man hingegen von den von der EURAC berechneten 7,37 t CO2 (vgl. EURAC-Klimareport 2018) aus, dann müssten bis 2040 nahezu 6 t CO2 pro Kopf abgebaut werden. Liegt Südtirol - wie anzunehmen - mit 6,4 t CO2 pro Kopf im Jahr etwa gleichauf mit Tirol, wären bis 2040 fast 5 t CO2 Kopf abzubauen. Das macht einen gewaltigen Unterschied, wenn man bedenkt, dass Südtirol bisher die THG-Emissionen pro Kopf nur sehr wenig zurückgefahren hat.
Das Fehlen eines klaren Zahlenwerks bzw. eines quantifizierten Zielpfads bildet einen gravierenden Mangel des Klimaplans 2040 (Teil 1). Im spezifischen Teil des Plans, so der Klimaplan Teil 1 (S.7) soll die statistische Grundlage ausgeweitet werden, um die Maßnahmen mit Zahlen zu untermauern und eine klar bestimmte „baseline“ (Ist-Zustand heute) für die Überwachung der Umsetzung des Klimaplans zu haben. In einem eigenen bis 2023 zu erstellenden Rechenwerk sollen die quantitativ wichtigsten Typen von indirekten Energieimporten und Energieexporten erfasst werden.
„Für alle Ebenen sind die erwarteten absoluten und prozentuellen Veränderungen bis 2030 und 2037 zu ermitteln“, verlangt der Klimaplan 2040 (S.15), damit „man den Fortschritt genau verfolgen und, wo notwendig, sehr nahe bei den verantwortlichen Stakeholdern noch nachjustieren kann.“ Nur wenn Abweichungen rasch erkannt und Ursachen identifiziert werden, kann auf die Abweichungen angemessen reagiert werden, schlussfolgert der Klimaplan (S.15). Ich bin gespannt.
Kommentar schreiben
Zum Kommentieren bitte einloggen!Kommentare
Zitat: “Laut „Klimaplan Südtirol 2040“ soll Südtirol 2040 klimaneutral werden”:
wer dieses Märchen glaubt, dem ist nicht (mehr) zu helfen.
.
(Nicht einmal, wenn sich Südtirol VOLLSTÄNDIG von der Weltwirtschaft abkoppeln würde, wäre dies auch nur zu 1% im Bereich des Möglichen; eingebettet in die Weltwirtschaft ist diese Aussage einfach nur ein fake, so meine Überzeugung)
Nachtrag: da keine wirkliche Datenbasis und keine wirklichen verpflichtenden Maßnahmen vorhanden sind, kann man auch sagen:
“ex falso sequitur quodlibet”.
Ich würde eher die Aussage, dass Klimaneutralität bis 2040 oder 2050 nicht möglich sei, als Märchen bezeichnen. Der Glaube an dieses Märchen erlaubt uns, die Hände in den Schoß zu legen, zu schimpfen und weiter den Klimawandel anzuheizen.
Ihr Schluss, dass, wenn man bei der derzeitigen “Behandlung” der Problematik eine Klimaneutralität bis 2040 für ein Märchen hält, selbst die Hände in den Schoß legt, ist weder logisch noch begründet.
Im Gegenteil:
Wer glaubt, dass man - wie geplant weitermachend - bis 2040 Klimaneutralität erreicht, genau DER wird die Hände in den Schoß legen!
Herr Benedikter hat sehr konkrete Fragen gestellt, die hoffentlich im Teil 2 des Klimaplans beantwortet werden. Aus diesen Fragen lese ich unter anderem heraus, dass wir von der, teilweise sehr ideologisch geführten CO2-"Debatte" zu einer pragmatischen, simplen CO2-Budgetierung mit angeschlossener CO2-Buchhaltung wechseln müssen. Diese sollte gesetzlich vorgeschrieben werden.
Aus Erfahrung kann ich sagen, dass eine CO2-Buchhaltung kein besonders großer Aufwand ist, aber Aufschluss gibt, wo Einsparungspotentiale liegen und ob gesteckte Ziele erreicht worden sind nicht.
.... ob gesteckte Ziele erreicht worden sind ODER nicht.
Hier finden Sie, was für eine Klimaneutralität bis 2050 nötig ist:
https://www.stiftung-klima.de/app/uploads/2020/11/2020_KNDE_Langfassung_...
.
Ich finde nicht, dass wir suf diesem Weg sind.
Da haben Sie wohl recht. Zur Zeit wird bestenfalls das Basislager eingerichtet, obwohl wir schon beim Gipfelsturm sein sollten. Trotzdem ist es nicht legitim, alles verloren zu geben.
... das meinte ich:
https://www.salto.bz/de/article/02022023/nuovi-bus-diesel-non-e-una-sorp....
DAMIT will man kurz darauf 2040 “klimaneutral” sein... da muss man fürchten, dass man “klimaneutralgerechnet” meint... irgendwie errechnet sich das schon:
https://www.zeit.de/wirtschaft/2023-02/emissionshandel-co2-zertifikate-v...
.
Aber: ein voller Kübel geht nur nicht über, wenn ich nichts mehr rein rinnen lasse: wenn ich aber trotzdem den Wasserhahn offen lasse, kann ich am Papier noch so trickreich rechnen (und “kompensieren”) - der Kübel wird übergehen.
.
Klimaneutralität und Dieselbusse schließen sich aus: kaufe ich letzteres, lüge ich bei ersterem...
Klar gibt es immer die Megaschlauen, welche für einen Pappenstiel CO2 kompensieren und sonst nichts machen.
Die richtige Reihenfolge ist: vermeiden, reduzieren, kompensieren.
Erstere zwei sind die Aufgabe, die Kompensation ist nur mehr die Fleißaufgabe.
Die große Bosch-Gruppe (ist nur ein Beispiel, ich mache hier für niemanden Werbung) hat zuerst den Ausstoß um ca. 70% senken können und kompensiert die letzten 30%.
Teilweise sind Unterbehmen im Denken und Handeln wesentlich weiter als die Politik und Gesellschaft)
Nachzulesen hier:
https://www.bosch.com/de/nachhaltigkeit/nachhaltigkeitsberichte-und-kenn...
Zitat: “Die große Bosch-Gruppe hat zuerst den Ausstoß um ca. 70% senken können und kompensiert die letzten 30%”:
ich bitte Sie, das ist doch schönes Papier.
Da reicht der Hausverstand aus, so meine ich, dass dies innerhalb der gegenwärtigen “fossilen Welt” gar nicht machbar ist.
.
Ein Hinweis (https://www.global2000.at/bedeutung-klimaneutral?utm_campaign=&utm_term=...):
“ Als „klimaneutral“ sollte sich demnach ein Unternehmen nur dann bezeichnen, wenn es in seiner THG-Bilanz eine rechnerische Null vorweist – entweder, weil keine Emissionen mehr entstehen ODER weil die entstehenden Emissionen über „freiwillige Kompensation“ ausgeglichen wurden.
Für „freiwillige Kompensationen“ gibt es allerdings weder ein zentrales Anerkennungsverfahren noch einen einheitlichen, verbindlichen Standardexternal link, opens in a new tab. Im Klartext heißt das leider: Jedes Unternehmen kann sich als "klimaneutral" bezeichnen, da es keine zentrale Überprüfungsstelle gibt”.
Die BOSCH-Gruppe ist mit dem "Aufkaufen der für sie arbeitenden Handwerks-Betrieben groß geworden" und hat wohl auch jetzt nur "die bessere Mathematik entdeckt, um trotz der Versorgung der fossielen Verbrenner-Armada" den Klima-Muster-Knaben zu spielen.
Mag alles sein. Trotzdem ist ein Unternehmen, welches seine CO2 Bilanz veröffentlicht, besser als die große Mehrheit der Unternehmen, welche sich ums Klima gar nicht scheren.
Durch Transparenz macht man sich angreifbar. Nun, was KONKRET veranlasst Sie, zu behaupten, daß sei alles nur "Papier"?
Nur ein plattes Vorurteil oder irgendwelche Fakten?