Der 110% Superbonus war in letzter Zeit stark umstritten. Weil seine Fortsetzung ein Riesenloch in den Staatshaushalt zu reißen droht, trat die Regierung Meloni Ende 2022 brüsk auf die Bremse und hat ihn seit 2023 auf 90% gekürzt. Tausende von interessierten Immobilieneigentümern und unzählige Firmen im Bauhaupt- und Baunebengewerbe fühlten sich vor den Kopf gestoßen. Die Folge war eine starke und verbreitete Unsicherheit, wie es bei der öffentlichen Förderung der Thermosanierung weitergeht.
Was in dieser Diskussion aus dem Blickfeld geriet, war die Wirksamkeit dieser Maßnahme im Sinne höherer Energieeffizienz der Gebäude. Die Regierung Conte hatte 2021 dieses Programm angesetzt mit dem Hauptzweck, den Gebäudebestand Italiens zu sanieren, den Energieverbrauch und die CO2-Emissionen zu senken. Der Superbonus hat tatsächlich einen Investitionsboom ausgelöst (bis Februar 2023 72 Mrd. Euro), die CO2-Emissionen etwas reduziert, die Heizungskosten der Nutznießer gesenkt und daneben auch für mehr Beschäftigung im Baugewerbe gesorgt. Doch bis heute sind nicht einmal 400.000 Häuser dank Superbonus thermosaniert worden. Zu wenig wirksam sind außerdem die staatlichen Förderungen für den Ersatz der fossilen Heizanlagen.
Somit frisst der Gebäudebestand Italiens trotz Superbonus bis heute gewaltig viel Energie, zum Großteil aus fossiler Quelle. Die Beheizung von öffentlichen und privaten Gebäuden verursacht 44% des Endverbrauchs an Energie (in Südtirol verantwortlich für 17% der CO2-Äquivalente), zwei Drittel davon in privaten Wohnungen. Die Energieeffizienz der Gebäude liegt im Durchschnitt wesentlich unter dem EU-Durchschnitt. Eine Durchschnittswohnung verbraucht in Italien im Schnitt 50% mehr Energie als eine vergleichbare Wohnung in der EU allgemein. Während in anderen Ländern der Energieverbrauch für die Heizung von 2000 bis 2019 zwischen 15 und 20% gesenkt werden konnte, ist er in Italien ziemlich unverändert geblieben, eben bis zum Superbonus.
Der Superbonus hat trotz des Riesenaufwands seitens des Staats in knapp zwei Jahren nur zur Sanierung von etwa 400.000 Häusern mit rund einer Million Wohnungen geführt. Weniger als 1% des Energieverbrauchs der Gebäudeheizung ist dadurch eingespart worden. Verglichen mit dem Aufwand ist das wenig. Auch nach diesem jetzt zwei Jahre dauernden Boom verbleiben über 20 Millionen sanierungsbedürftige Wohnungen. Für Klimaneutralität 2050 müssten somit jedes Jahr fast eine Million Wohnungen wärmegedämmt werden.
Steht auf der einen Seite dieser starke Anstoß für die Sanierung und Energieeffizienz bei den Gebäuden, steht auf der anderen ein sehr hoher Subventionsaufwand (mind. 65 Mrd. an Kosten für den Staat), zu einem beträchtlichen Anteil zugunsten von Gutverdienenden. Aus heutiger Sicht überzogen war die Entscheidung, den Bauherren mehr als die aufgewendeten Gesamtkosten zurückzuerstatten (eben 110%) und das in Form eines auf Dritte übertragbaren Steuerguthabens. Auch der Preisauftrieb durch eine plötzliche und überschießende Nachfrage auf dem Baumarkt war absehbar.
Italy for Climate hat schon im Juli 2022 auf diese Gefahren hingewiesen und Änderungsvorschläge zum Superbonus-System vorgelegt, wie z.B.:
- Die öffentlichen Beiträge sollen im Ausmaß gesenkt werden, dafür aber das öffentliche Anreizsystem zeitlich gestreckt werden.
- Die Beitragshöhe sollte an die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Bewerbers (ISEE) gekoppelt werden.
- Ein Kontrollsystem auf den Märkten für Bau- und Dämmmaterial sowie für Wärmepumpen soll überzogenem Preisauftrieb vorbeugen.
- Die Förderungsmodalitäten sollen einfacher und betrugssicher gestaltet werden.
So könnten sich Millionen von Wohnungseigentümern mit geringerem Einkommen die Sanierung und Umrüstung ihrer Häuser leisten und mit erneuerbarer Energie (vor allem Fotovoltaik) unabhängig von Gas und Öl werden. Durch die Elektrifizierung lässt sich der Energieverbrauch der Wohnungen (Heizen, Kochen, Kühlen vor allem) im Schnitt um 60% senken genauso wie die CO2-Emissionen aus der Gebäudeheizung. Zudem stellt sich die Frage, warum die Wohnbaupolitik einschließlich der Thermosanierung nicht vollständig den Regionen übertragen werden soll. Mit den nötigen Finanzen könnten die Regionen ein lokal angepasstes und langfristig angelegtes Anreizsystem für ihren Bedarf aufziehen, das effizienter und bürgernäher verwaltet würde als ein zentral über Steuerguthaben gelenktes Fördersystem.
Auch in Südtirol hat der Superbonus 110% viel an Sanierungsaktivität ausgelöst. Doch immer noch gibt es 70-80.000 Wohnungen, die mit Gas oder Öl beheizt werden. Die Umrüstung wird viele Jahre in Anspruch nehmen. Gemäß Klimaplan Südtirol 2040 soll der Verbrauch von Öl und Gas für Heizzwecke bis 2030 um 60% reduziert werden, bis 2037 sogar um 85%. Dies soll durch eine Reduktion des Wärmebedarfs um 20% sowie durch die Substitution von Öl und Gas durch klimaneutrale Energieträger erreicht werden. Allein, der Klimaplan Südtirol 2040 umfasst keinen genaueren Entwicklungspfad des Wärmeenergiebedarfs bei der Gebäudeheizung. Ab 2023 dürfen keine mit fossilen Brennstoffen betriebenen Heizkessel zur Wärmeerzeugung in Wohngebäuden eingebaut werden, welche sich in der Versorgungszone eines Fernheizwerkes befinden, so der Klimaplan Teil 2. Außerhalb dieser Zonen sowie beim Austausch der Heizanlage ist die Verwendung von fossilen Brennstoffen nur mehr dann erlaubt, wenn der Einbau von Wärmepumpen, Solaranlagen, Biomasseanlagen und anderen Energieerzeugern aus erneuerbaren Quellen aus technisch-wirtschaftlichen Gründen ausgeschlossen werden muss. Was das konkret bedeutet, ist noch offen. Von einem allgemeinen, für alle zugänglichen Förderungsprogramm des Landes für die Umrüstung bestehender fossiler Heizungen ist in diesem Plan aber keine Rede. Um Klimaneutralität bis 2040 zu erreichen, wird es unverzichtbar sein, nicht nur die Wärmedämmung der Gebäude, sondern auch die Elektrifizierung der Gebäudeheizungen viel stärker zu fördern als bisher.
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Diese Start-Stopp Förderpolitik macht mehr Schaden als Nutzen. Berechenbarkeit auf längere Sicht (mindestens 10 Jahre) mit leicht fallenden Fördersätzen (z.B. jedes Jahr 3% weniger Förderung) würde genügend Motivation aufbauen ohne den Markt zu überhitzen wie in den letzten 2 Jahren geschehen.
Ein interessanter Artikel. Es darf aber nicht vergessen werden, dass in den letzten Jahren v.a. Gasheizungen verbaut wurden.