Die Massnahme kommt nicht überraschend, sondern war mehrfach angekündigt und von langer Hand vorbereitet. Mit der Verabschiedung des decreto di lavoro mit der offiziellen Bezeichnung misure urgenti per l´inclusione sociale e l´accesso al mondo di lavoro legte die Regierung den Grundstein für eine Neuregelung, mit der das Bürgergeld reddito di cittadinanza von 550 auf 350 Euro im Monat reduziert wird - fast eine Halbierung. Die Auszahlung soll zusätzlich an die obligatorische Teilnahme an Berufsbildungsmassnahmen gebunden werden.
Es war im September 2018, als Luigi Di Maio vom Balkon des römischen Chigi-Palastes die Faust triumphierend in den Himmel streckte und seinen Anhängern mit begeisterter Stimme die Erfüllung eines Traums ankündigte: "Oggi aboliamo la povertà". In Wirklichkeit wurde die Armut nie abgeschafft, sondern hat sogar noch zugenommen.
Nach einer Censis-Statistik leben in Italien fast zwei Millionen Haushalte in Armut - 7,5 Prozent der Bevölkerung und 5,6 Millionen Personen. Auf der turbulenten Sitzung entrollten die Fünf-Sterne-Parlamentarier ein Spruchband mit dem Slogan Basta vite precarie. M5S-Parteichef Giuseppe Conte überschüttete die Regierung mit Vorwürfen: " Il governo si diletta sadicamente a ignorare il grido di dolore di chi non riesce ad arrivare a fine mese. Avete consapevolmente creato una surreale competizione tra ultimi e penultimi. " M5S-Fraktionschef Francesco Silvestri schloss sich den Vorwürfen an: "C´è un pezzo del paese che state ignorando." Der Partito Democratico wandte sich gegen die Massnahme. Der Abgeordnete Arturo Scotto bezeichnete das Dekret als "concentrato di cinismo sociale, un manifesto carico di arroganza nei confronti della parte più debole della popolazione." Giuseppe Conte sparte nicht mit Kritik an der Regierungschefin:" Basta prendersela con i più fragili, i lavoratori sono piegati dalla precarietà. La premier non ne azzecca una, è sopraffatta dal panico."
In einer heute com Corriere della Sera veröffentlichten Umfrage liegt die Fünf-Sterne-Bewegung bei 16 Prozent, der Partito Democratico bei 19,4.
Kommentar schreiben
Zum Kommentieren bitte einloggen!Kommentare
Ich fände ein EU-weit einzuführendes Grundeinkommen zur Bekämpfung von Armut als sinnvoll und notwendig.
der mensch ist der rechten politik wurscht! der restlichen parteien-politik, ist der mensch, halt anders wurst. aber im grund genommen ist es das selbe, man hat den faden zur bevölkerung bewußt (scheint mir) verloren!
Es bedarf sicher einer ausführlichen Diskussion um Sinn und Unsinn einer Maßnahme wie den redditi di cittadinanza (und im weiteren Sinne eines Bürgergrundkommens) zu erörtern.
Sicherlich wurden und werden von Regierungen aller Art Milliarden ausgegeben ohne das der Steuerzahler danach gefragt wurde und wird. Den Menschen, bzw. v.a. jenen die in Bedürftigkeit leben, etwas davon zurückzugeben ist sicher mehr als gut und gebührend. Überhaupt Menschen in Not solidarisch zu unterstützen.
Hier handelt es sich eine Maßnahme der Regierung Conte die wahrscheinlich aus Wahl-Opportunismus eingeführt wurde und sicher nicht dazu dient, die strukturellen sozio-ökonomischen Probleme ihrer Hauptempfängergruppen zu reduzieren (v.a. Bevölkerung in Mittel- und Süditalien). Historisch gesehen setzt sie v.a. die Tradition des "assistenzialismo" in Süditalien weiter und begünstigt weiterhin die Steuerhinterziehung ("zum Teil lebe ich vom reddito di cittadinanza, zum anderen Teil von Schwarzarbeit").
Ob sich der reddito motivierend auf die Arbeitssuche auswirkt ist fraglich.
Die Maßnahme der aktuellen Regierung scheint mir aber falsch zu sein - den Monatsbetrag bis aufs klägliche zu reduzieren. Oder man beläßt den Betrag (mit Inflationsanpassung, da er bereits so niedrig ist) mit den besagten "schärferen" Bedingungen oder man schafft ihn ab und schafft neue Maßnahmen zur Armutsbekämpfung. Den wer trotz eigenen Bemühungen in Not lebt soll unterstützt werden.