Die Handschrift des SBB ist unverkennbar. In der Endfassung des Klimaplans 2040 vom Juli 2023 sind die Ziele für die Landwirtschaft stark aufgeweicht worden: „Die Landwirtschaft reduziert ihre THG-Emissionen bis 2030 um 10%“, steht da zu lesen (Klimaplan S. 53), „und um -40% bis 2040.“ Das ist wenig und bedeutet, dass Klimaneutralität in Südtirol auch dann nicht erreicht wird, wenn alle anderen Sektoren 2040 netto null CO2 emittieren, denn 60% von 17% bleiben. Die speziellen Ziele bei der Senkung der Methan- und Lachgasemissionen sind im Klimaplan 2040 entfallen.
Kein Wunder, denn die Hauptquelle agrarischer Emissionen bleibt außen vor: das Vieh. 85% der direkten territorialen Emissionen sind auf die Tierhaltung und das damit zusammenhängende Wirtschaftsdüngermanagement zurückzuführen. Nur 11% auf den Treibstoffverbrauch. Doch unter den 11 Maßnahmen zur Zielerreichung sucht man vergebens den entscheidenden Hebel zur Senkung von Methan und Lachgas, nämlich die starke Reduzierung des Viehbestands. Beim Viehbestand wird der gegenwärtige Trend (jährlicher Rückgang von knapp 1%) einfach fortgeschrieben. Das bedeutet bis 2040 -17% Tiere in den Südtiroler Ställen, also -17% beim Methanausstoß, damit auch hier weit unter -40%. Die Kühe sollten mehr Heumilch geben, also Grundfutter fressen, weil dann pro kg Milch 25% weniger THG-Emissionen anfallen. Vielleicht erhalten sie auch Zusatzstoffe, damit sie weniger furzen und rülpsen. Die Forschung bleibt dran. Aber keine Rede davon, dass für die Erreichung der Klimaziele 2040 alle Tiere nur mehr Grundfutter erhalten dürften und der Kraftfuttermittelimport eingestellt werden muss, der anderswo zu klimaschädlichen Emissionen und Waldrodungen führt.
Sogar das Strategiepapier "Landwirtschaft 2030" (S.11) wird hier deutlicher: "Eine bessere Klimabilanz ist vor allem durch die Anpassung des Viehbestandes an die eigene bewirtschaftete Fläche zu erreichen. Dadurch wird der Anteil an eigenen Futtermitteln erhöht, zudem ist die Steigerung der Qualität des Grundfutters oberstes Ziel. Förderungen erleichtern außerdem den Umstieg auf umweltfreundliche Wirtschaftsweisen." Der Klimaplan hingegen hat es bei der Landwirtschaft gerne soft. So soll beim Obst- und Weinbau mineralischer Dünger eingespart werden, doch verschwiegen wird die überzogene Ausbringung von Gülle auf dem Grünland, die weit mehr Lachgas erzeugt. Schulungen, Tools zur CO2-Fußabdruckmessung, Studien, Abschätzungen sollen die Bauern zu klimafreundlichen Wirtschaften bewegen, wo man längst weiß, was wo eingespart werden muss.
Die Maßnahmen des Klimaplans klingen z.B. so: „Verringerung der Fördermaßnahmen für verbrauchsintensive fossile Arbeitsgeräte“ (S. 54). Damit ist die Subventionierung des landwirtschaftlichen Diesels gemeint, dessen Verbrauch bis heute in Südtirol permanent angestiegen ist, obwohl die Wertschöpfung in der Landwirtschaft stagniert. Kostenwahrheit würde verlangen, dass man das Dieselprivileg generell streicht und zwar in ganz Italien, wie zahlreiche andere Subventionen für fossile Energieträger. Keine Rede davon, dass durch übermäßiges Bauen im Agrarland (in Südtirol darf jeder Hof +1500 Kubikmeter Wohnraum dazu bauen) und Grün-Grün-Umwidmungen diese kleine Einsparung aufgehoben wird.
Beim Ausbau der (emissionsärmeren) Biolandwirtschaft wird der Klimaplan zwar konkreter: „Bis 2030 soll schrittweise die biologisch bewirtschaftete Fläche auf 25% vergrößert werden“ (Klimaplan, S. 54). Allein, es fehlt jegliche Angabe, wie das zu erfolgen hat. Heute beträgt der Anteil der Biobetriebe an der Gesamtzahl der Agrarbetriebe rund 7,5%, und der Anteil der Biolandbau-Fläche gerade mal 6,1%. Um auf 25% zu wachsen, müsste die Fläche 2023-2030 alljährlich um 2,5% wachsen, also 5.100 ha im Jahr. Wie wird das real bewerkstelligt? Fehlanzeige im Klimaplan.
Dass der Klimaschutz für die Bauernschaft und ihre Vertreter eine noch ziemlich exotische Angelegenheit ist, beweist auch der Agrar- und Forstbericht 2022. Es gibt keine faktenreichere Lektüre – auch sehr ansprechend gestaltet – zur Landwirtschaft in Südtirol als dieses im Juni 2023 veröffentlichte Dokument. Der zuständige Landesrat spricht im Vorwort den Klimaschutz mit keinem Wort an und im Text sucht man vergeblich nach einem kurzen Kapitel zur THG-Senkung im Agrarsektor. Dabei umfasst der Aktionsplan „Landwirtschaft 2030“ einen Maßnahmenkatalog mit über 100 Projekten. Im Handlungsfeld 1.1.2 (S.16-17) geht es um den Klimawandel und die CO2-Reduktion mit drei geplanten Maßnahmen: eine Kohlenstoffinventur, der Holzbaufonds, die Agri-Photovoltaik. Doch nichts zur konkreten Senkung der von der Landwirtschaft verursachten THG-Emissionen.
Sicher: viele landwirtschaftliche Betriebe haben eine schwierige wirtschaftliche Lage, vor allem in der Vieh- und Milchwirtschaft. Andererseits genießen die Bauern stattliche Privilegien. In die Landwirtschaft fließen bei Weitem am meisten Subventionen pro Betrieb. Dies mag aus sozialen, ökologischen und kulturellen Gründen gerechtfertigt sein, aber die Gegenleistung muss neben der Erzeugung von Lebensmitteln und der Erhaltung der Kulturlandschaft auch ein Beitrag zum Klimaschutz sein. Warum sollte der Steuerzahler auf Dauer spezielle Formen der Klimabelastung subventionieren?
Zudem hält der Klimaplan Südtirol 2040 selbst eine weitere ertragreiche Aktivität für die Landwirte bereit. Die Bauernhöfe sollen bis 2040 netto 500 MW an erneuerbarer Energiekapazität installieren, vor allem über die Agri-Photovoltaik. D.h. von den vom Land bis 2037 vorgesehenen zusätzlichen 800 PV-Produktionskapazität sollen allein 500 MW auf Dächern und Feldern der Bauernhöfe entstehen. Die Förderungen dafür werden nicht lange auf sich warten lassen. Umso berechtigter die Frage: wenn die Bauern schon an der Energiewende kräftig mitverdienen, sollten sie nicht auch ihre übermäßigen CO2-Emissionen herunterfahren? Von einem solchen Zusammenhang ist im Klimaplan weit und breit nichts zu lesen. Fazit: mit dieser Art von softem Klimaschutz kann der Bauernbund sicher gut leben, man hält sich alle Türen offen. Wenn 2040 die CO2-Emissionen aus der Landwirtschaft minimal gesunken sein werden, wird es heißen: „Versucht haben wir es ja….“
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Die Lachgasreduktion sehe ich auch als bedeutsam - und diese gelingt nur über eine Verringerung des Viehbestands.Wenn da auf jene Größenordnung reduziert würde, dass kein Futter importiert werden muss (sollte EU- weit entsprechend als Auflage verankert werden, um Wettbewerbsnachteile zu unterbinden), wäre schon viel gewonnen. Beim Methan kann ich mir nicht vorstellen, dass da nennenswerte Mengen gefurzt/ gerülpst werden.
Das Grundübel in der Landwirtschaft ist, dass möglichst billig produziert werden muss, um im europäischen Wettbewerb überhaupt zu bestehen. Der Konsument würde staunen, wenn er wüsste, was nachhaltige und klimafreundliche Lebensmittel zu fairen (für die Produzenten) Preisen kosten würden - zumindest das Doppelte.
Die von der Landwirtschaft stark aufgeweichte Endfassung des Klimaplans 2040 vom Juli 2023 wird vielleicht in 20 Jahren ein Beweismittel sein, wenn wir vor Gericht beweisen müssen, dass wir es voraussehen konnten was passiert, wenn wesentliche Teile-einer-Gesellschaft, die gemeinsamen Bekämpfung der Klimakrise verweigern.
... der Teil, der Gesellschaft, der “verweigert”, ist meiner Ansicht nach der Konsument, der nur billige Lebensmittel einkaufen will, verbrüdert mit dem Handel, der ihm diese zur Verfügung stellt: Hauptkriterium in der Lebensmittelwerbung ist - billiger als beim anderen, bei uns 3euro78 statt 3euro87.
Es ist der Gesetzgeber, der den Rahmen absteckt, nicht der Produzent.
Die größte Lobby sind die Wähler, und vor denen fürchtet sich leider der Politiker - und gibt dem Wähler weiterhin billig mit Sklavenarbeit, Umweltzerstörung, billigen Inhaltsstoffen.
Die größte Lobby sind die Wähler und Konsumenten, sie sind vielfach mehr in der Zahl als die Produzenten.
Mich würde die Quelle von den 17 % CO2 Immissionen der Agrarwirtschaft interessieren . Es ist immer einfach Zahlen zu schreiben .
https://www.klimaland.bz/klimaplan-suedtirol-2040/download-entwurf-klima...
Seite 17
Vielen Dank, Herta Abram, für den Quellenhinweis bezüglich der CO2-Emissionen der Landwirtschaft in Südtirol (Klimaplan, Kap. 4, Status Quo, S. 17 ff). Dort auch zu beachten der Beitrag der Landwirtschaft speziell beim Lachgas (71%) und beim Methan (76%). Die CO2-Äquivalente liegen dann für den Agrarbereich tiefer, weil die Emissionsmengen geringer sind. Relevant aber der viel höhere Treibhauseffekt von z.B. Methan (25 Mal so stark wie CO2).
Eine wichtige, lesenwerte Quelle zum Verständnis der Problematik auch der Beitrag von Georg Niedrist zur Südtiroler Landwirtschaft im Buch "Südtirol Klimaland?", frei herunterzuladen von politis.it
Wie sieht eine rentable Landwirtschaft aus, die klimafreundlich und nachhaltig produziert? Wo funktionieren in Südtirol regionale Kreisläufe? Wer bezahlt die notwendigen Investitionen für die Transformation? Und warum ist in der EU "Bio" ein Auslaufmodell?
Zu diesen Fragen müssen Fachleute, Politik, Bauern und Umweltschützer ins Gespräch kommen, um auf der Grundlage des Klimaplans und der verfügbaren Daten die Rahmensetzungen für den ökologischen Transformationsprozess zu erarbeiten - und das auf den verschiedenen Ebenen international, national, regional. Es sind Regelwerke notwendig, die zielgerichtet ineinandergreifen. Es kann nicht einfach am Reißbrett ein lokales Transformationsmodell lanciert werden. In diesem Kontext gegenseitiger Wechselwirkungen ist zunächst grob abzuklären, welche Spielräume und Kompetenzzuordnungen es gibt, was auf lokaler Ebene gemacht werden kann, zumutbar und finanzierbar ist. Dabei ist zu klären, wie auf lokaler Ebene ein mehrstufiger Zeitplan erstellt werden kann, damit schrittweise Veränderungen angebahnt, validiert und finanziert werden, die umweltverträgliche Produktion und Landschaftsnutzung als Richtschnur etablieren. Die Bevölkerung muss in diesen Prozess eingebunden werden. Ein langwieriges Unterfangen, denn es geht darum, Marktmechanismen neu auszurichten, Bestand und Einkommen der landwirtschaftlichen Betriebe zu gewährleisten und eine erschwingliche Lebensmittelversorgung für die Bevölkerung sicherzustellen. Es braucht gegenseitiges Verständnis für die jeweiligen Standpunkte und Veränderungs- und Lernbereitschaft im Rahmen einer neuen gemeinsamen Vision. Dazu noch Geduld und eine Moderation, die imstande ist, die Beteiligten dazu zu bewegen, Etappenziele in dem auf Jahrzehnte angelegten Prozess der Neuausrichtung zu definieren. Ein Umdenken im Konsumverhalten kann wesentlich dazu beitragen, eingefahrene Marktmechanismen in Frage zu stellen und das Nachdenken über neue Versorgungskonzepte zu fördern. Ich hoffe, dass die verschiedenen sozialen Akteure ehestens an einem gemeinsamen Tisch die Arbeit aufnehmen.
Das Geld wäre in solchen moderierten demokratischen Kommunikationprozessen besser ausgegeben, als mit überteuerten Werbe-Veranstaltungen, wie in der Vergangenheit.
Danke Herr Gudauner für Ihre reflektierte Antwort. Hoffentlich sehen nicht nur Sie das so.
Es gibt viele Beispiele aus dem Biolandbau, wo rentabel und klimafreundlich produziert wird, sogar im Bereich Milch- und Viehwirtschaft. Von Futtermittelimport und Intensivdüngung abhängige Massentierhaltung gehört höchstwahrscheinlich nicht dazu. Die ans Grundfutter gebundene Milchviehhaltung (Heumilch!) wäre wohl ein Weg dahin, noch nicht klimaneutral, aber halt weniger Emissionen. Vom Ziel der Klimaneutralität sind wir da immer noch weit weg. Auch in Südtirol gibt es Beispiele, wo versucht wird, den Nährstoffkreislauf lokal zu schließen (vgl. Biogas Wipptal: https://www.gassersrl.it/images/biogas/Biogas_Wipptal_Praesentation_DE_O...
Danke, lieber Karl, für deinen Kommentar, der es an staatsmännischer Ausgewogenheit nicht missen lässt. Für demokratische Kommunikations- und Aushandlungsprozesse bin ich natürlich auch, doch da gibt's noch ein kleines Problem (die Zeit) und ein kleines Ziel (die Klimaneutralität 2040). Hätten wir bis 2100 Zeit, könnte sich die Bürgerschaft, die Verbände, die politischen Entscheidungsträger in endloser Diskussion über die "Spielräume, Kompetenzzuordnungen und Wechselwirkungen" in der Agrarpolitik unterhalten, um dann 2040 festzustellen, dass sich leider nichts an den klimaschädlichen Emissionen ändern ließ. Wir stehen allerdings vor der Herausforderung, relativ rasch und zielorientiert zu handeln, natürlich mit demokratischer Legitimation. Sonst können wir die Klimaneutralität und das 2°-Ziel abschreiben. Wenn einem dieses Ziel ohnehin egal ist oder als unerreichbar scheint, dann muss man es auch gleich sagen. LH Kompatscher und die Landesregierung scheinen das ernst zu nehmen, zumal sie ja den Klimaplan verabschiedet haben. Oder ist das alles bloße Nachhaltigkeitsrhetorik. Wenn wir uns als Bürger dann erlauben, Konsequenz einzufordern und Maßnahmen auf den Tisch zu legen, dann kann man die Umsetzung nicht mehr nur als Akt guten Willens betrachten, den man aushandeln muss. Da würden wir mit den jeweils Betroffenen echt lange verhandeln: mit den Frächtern, ob sie vielleicht einverstanden sind, etwas weniger zu fahren; mit den Bauern, ob sie vielleicht etwas weniger Turbokühe in die Stall stellen, mit den Hoteliers, ob sie weniger Kubatur auf die Wiese stellen. "Dazu noch Geduld und eine Moderation, die imstande ist, die Beteiligten dazu zu bewegen, Etappenziele in dem auf Jahrzehnte angelegten Prozess der Neuausrichtung zu definieren," schreibst du und jeder Massentierhalter (dazu gehören zum Glück die meisten Südtiroler Bauern nicht) stimmt begeistert zu, weil er weiß: es ändert sich nichts.
Natürlich stehen wir unter Zeitdruck. Deshalb ist schleunigst daran zu gehen, den Wandel zu gestalten. Gebraucht werden Entscheidungen der Unternehmen, die ihre Produktion und ihre Dienstleistungen klimafreundlich ausrichten oder grundsätzlich neu aufstellen. In jedem Sektor ist zu verifizieren, was gleich möglich ist und was aufwändigere Umstellungen erfordert. Also sind entsprechend abgestufte Anreize für den Umstieg und entsprechende Innovationen notwendig. Die von der Politik gesetzten Rahmenbedingungen sind entsprechend zu verändern. Auch auf lokaler Ebene. Die politischen Entscheidungen sind im Endeffekt bei so komplexen Problemstellungen nicht in erster Linie das Ergebnis erleuchteter Regierungen, sondern eines hart geführten Verhandlungsprozesses. Umweltfreundlichkeit muss attraktiv werden. Zur deren Rentabilität gibt es bereits Studien. Ein aufschlussreicher Beitrag der deutschen Ministerin Svenja Schulze zur internationalen Ebene ist soeben veröffentlicht worden: https://www.ipg-journal.de/regionen/global/artikel/nichtstun-is-teurer-6... Und mit all dem verknüpft ist das nächste Thema: Umweltfreundlichkeit muss für die Bevölkerung leistbar sein.
Ein wichtiger Punkt und wahrscheinlich der entscheidende fehlt mir hier. Das ewige Streben nach Wirtschaftswachstum steht einem nachhaltigen aufhalten des Klimawandels entgegen.
Noch sind wir überwiegend davon überzeugt mit sog. grünen Wachstum den Klimawandel aufzuhalten dabei ist der Klimawandel nur ein Problem von unserem derzeit gelebten Kapitalismus.
Ist auch relativ einfach, in einer endlichen Welt kann es nicht unendlich Wachstum geben. Es braucht eine neue wirtschaftliche Struktur bzw. Ökonomie mit einer neuen und ehrlicheren Definition von Wachstum.
Noch ist diesen Thema nicht richtig präsent aber wer den Klimawandel bremsen will muss unweigerlich sich auch dieser Aufgabe widmen.
Hier ein Ansatz dazu, der mich nicht wirklich überzeugt aber es ist zumindest ein Ansatz
https://www.spektrum.de/news/klimakrise-gruenes-wachstum-ist-wunschdenke...