Nach drei Runden wird dieser Bürgerdialog am 10. März abgeschlossen, den vor allem drei Landtagsfrauen begleitet haben: Magdalena Amhof, Brigitte Foppa und Myriam Atz Tammerle. Was bringt dieser Versuch, die Vertreter von Vereinen und Verbänden direkt an der Erstellung eines Gesetzes mitwerkeln zu lassen?
Es muss vorausgeschickt werden: gemäß den ausgereiften Verfahren der direkten Demokratie in der Schweiz ist das bei uns angewandte Bürgerdialogsverfahren eine Notlösung, mit der etwas Mitwirkung von unten erlaubt werden soll. Eigentlich geht der ganze Prozess von einer echten Volksinitiative der Initiative für mehr Demokratie aus, die allerdings 2009 am Quorum gescheitert ist. Eine Volksinitiativvorlage wird in der Schweiz vom Parlament behandelt, danach tritt dieses in Verhandlung mit den Initiatoren. Sind diese mit dem Regelungsangebot des Parlaments zufrieden, braucht das Volk nicht mehr abzustimmen. Sind die Initiatoren nicht zufrieden, kommt die Frage vors Volk, meist mit einem Gegenvorschlag des Parlaments. Die Wähler können entscheiden, welche Vorlage in Kraft treten soll.
Diese Volksinitiative und die faire und transparente Verhandlung zwischen Parlament und Bürgern ist bei uns nicht mehr möglich. In Südtirol ist für die direkte Demokratie ausschließlich der Landtag für zuständig erklärt worden, die Bürger können nur ein Volksbegehren einbringen. Das von der INITIATIVE 2011 eingebrachte Begehren wird in dieser Woche vom Landtag abgelehnt. Es gab keine echte Verhandlung zwischen den Promotoren und dem Landtag, wie in der Schweiz üblich, und wird sie nicht geben, weil die SVP dafür gesorgt hat, dass echte Volksinitiativen zum DD-Gesetz nicht zulässig sind. Die Promotoren, die 2014 schon mit 65% das bestätigende Referendum gegen das SVP-Gesetz zur DD gewonnen haben, haben keine Druckmittel mehr, außer einem neuerlichen bestätigenden Referendum. Das wäre für die Südtiroler Wählerschaft eine Zumutung. Und für eine befragende Volksabstimmung (nicht bindend) zu beiden Entwürfen – jedem des Landtags und dem INITIATIVE-Volksbegehren – gibt es höchstwahrscheinlich im Landtag keine Mehrheit.
Kein Wunder, dass in der INITIATIVE die Stimmung sehr skeptisch ist. Man befürchtet, dass dieser Bürgerdialog ein Scheinmanöver ist. Die SVP könnte nach dieser Anhörung ihr altes Gesetz etwas aufmöbeln und auf die neue demokratische Legitimation verweisen. Der jetzt auslaufende Bürgerdialog mit Weltcafé ist freilich kaum dafür geeignet, diese Legitimation zu liefern. So wie er abgewickelt wurde, bot er den Interessierten die Möglichkeit, Meinungen zu äußern und mit anderen Bürgern zu diskutieren. Repräsentativität kann von einem solch kleinen Ausschnitt der Bevölkerung nicht beansprucht werden, aber dennoch muss auch ein deliberativer Prozess auf ein Ergebnis hinarbeiten. 9 Stunden lang hat man bisher in Arbeitsgruppen eifrig einzelne Aspekte der direkten Demokratie durchgenommen, meist ganz von vorn beginnend. Das konkrete Ergebnis bisher: an die hundert Ideen, Vorschläge und Zweifel stehen zusammenhangslos und ungewichtet nebeneinander. Jeder kann sich herausklauben, was er will. Politische Bildung ist das allemal, aber kann dies für einen Gesetzgebungsprozess verwertet werden?
Kaum, und dies hat auch mit der Methode zu tun, die vom Moderatorenteam gewählt wurde. Zwar ist der Input (Gesetzentwurf + geltendes Gesetz) auf Papier vermittelt worden, doch fehlte der kritische und kontroverse Disput zum Stand der Dinge zu Beginn der Beratung. Dann fehlte auch die Möglichkeit der Vertiefung einzelner Aspekte: nachdem beim Weltcafé ständig gewechselt wird, fängt jeder Gesprächskreis bei jedem Thema wieder von vorne an. Was schließlich absolut zu kurz kam, war die Gewichtung und ein demokratisches Abstimmungsprozedere. Weder im Plenum noch in den Gruppen ist in diesem Bürgerdialog jemals eine Prioritätenliste der Lösungsvarianten gebildet worden. Ein klares Ergebnis in Form einer gewichteten Rangordnung von Vorschlägen für alle entscheidenden Artikel des neuen Landesgesetzes wird es so nicht geben.
Im Klartext heißt das: die Mehrheitsparteien PD und SVP können alles zur Kenntnis nehmen und dann das beschließen, was sie ohnehin schon vorhatten, denn irgendein Teilnehmer an diesem Bürgerdialog hat auch das irgendwann erwähnt. So läuft Partizipation Gefahr, zur Mitmachfalle zu werden. Es bleibt noch abzuwarten, was der Gesetzgebungsausschuss wirklich liefert, doch stehen die Zeichen nicht gut. Der ganze Partizipationsprozess in dieser Form wirft auch ein Schlaglicht darauf, was bei einem „Südtirol-Konvent“ geschehen könnte, wenn nicht auch bei der Methode die Weichen richtig gestellt werden.
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