und der Belastbarkeit der Ressourcen der Erde das Konzept des ökologischen Fußabdrucks entwickelt. Mit exakten Methoden berechnet sein Institut, das Global Footprint Network GFN, den jährlichen Ressourcenverbrauch der Menschheit und vergleicht ihn mit der Fähigkeit der Natur, diese Nachfrage zu decken (Biokapazität). Wenn mehr Ressourcen als dieses Maß verbraucht werden, kommt es zur Überlastung der Erde als Gesamtökosystem, was nicht nachhaltig sein kann. Auch sich selbst kann man nicht auf Dauer überlasten.
1973 war das erste Jahr der Menschheitsgeschichte, als ein solches ökologisches Defizit verzeichnet wurde. Seitdem ist dieser „Fußabdruck der Menschheit“ munter weiter gewachsen und liegt 2015 beim 1,6-fachen der globalen Biokapazität. Diese ist eine Art Kapital und kann je nach Art und Ausmaß der Landnutzung auch global erhöht oder vermindert werden. Eine Region, die mehr Biokapazität nutzt, als ihr zur Verfügung steht, tut dies entweder durch Import aus anderen Regionen oder durch Verbrauch des Kapitals ihrer eigenen Region. Dieses Missverhältnis wird durch den ökologischen Fußabdruck gemessen.
Es bedarf eines enormen Rechenaufwands, um den jährlichen Ressourcenverbrauch aller Länder zuverlässig zu erfassen. Wackernagel und sein Team rechnen diese Überlastung zwecks Anschaulichkeit auf die Tage im Jahr um und stellen jenen Tag fest, an dem der globale Ressourcenverbrauch die Biokapazität übersteigt, also überschießt. Das ist der „Earth Overshoot Day“ (Erdüberlastungstag), der heuer auf den 13. August fällt. Mit anderen Worten: ab Donnerstag lebt die Menschheit über ihre Verhältnisse.
Die dabei anfallenden „Schulden“ dieser ökologischen Budgetüberschreitung zeigen sich immer deutlicher in Form von Entwaldung, Dürrekatastrophen, Süßwassermangel, Bodenerosion, Artensterben, sowie der Akkumulation von Treibhausgasen in der Atmosphäre. Dies wird die vorhergenannten Auswirkungen noch verstärken, sollten aktuelle Klimamodelle richtig liegen.
Die am schnellsten wachsende Komponente dieser Überlastung ist der Kohlendioxidausstoß, verursacht durch den Verbrauch fossiler Brennstoffe, den die Staaten nicht in den Griff bekommen können oder wollen. Untrennbar damit verbunden der Verbrauch weiterer Komponenten des ökologischen Fußabdrucks, vor allem von CO2-Senken wie den Wäldern. Da immer mehr Wald gerodet und Fläche agrarisch oder anderweitig produktiv genutzt wird oder schlichtweg verödet, kann immer weniger CO2 absorbiert werden. Es sammelt sich in der Atmosphäre und verstärkt den Treibhauseffekt und Klimawandel. Ein einfacher Zusammenhang, und dennoch ist der „Erdüberlastungstag“ kein Tag, den die offizielle Politik als internationalen Alarm versteht.
Zudem ist noch gar nicht ausgemacht, ob die 21. Weltklimakonferenz im Dezember 2015 in Paris die Wende schaffen wird, wie es die G7-Staatschefs im Mai im bayrischen Helmau plakativ vereinbart haben. Die globale Erwärmung soll auf maximal 2 Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau beschränkt werden, bis 20130 will man die entsprechenden Maßnahmen setzen.
Angenommen, der weltweite Kohlendioxidausstoß wird bis 2030 – im Einklang mit dem vom UN-Klimapanel IPCC vorgeschlagenen Szenario – um mindestens 30% unter das heutige Niveau reduziert, dann würde laut GFN der Erdüberlastungstag 2030 immer noch auf den 16. September fallen (vorausgesetzt, der Rest des Fußabdrucks wächst nicht schneller als in den letzten Jahrzehnten). Der Planet Erde erhielte so jedoch eine zweite Chance.
Dass dies nicht unmöglich ist, zeigt Dänemark. Dieses Land hat seine Emissionen seit den 1990er-Jahren um 33% verringert. Hätten alle Länder der Welt genau das Gleiche getan (und wären alle anderen Komponenten des Fußabdrucks gleich geblieben), dann würde der Erdüberlastungstag 2015 auf den 3. Oktober fallen. Trotzdem hat Dänemark nach wie vor keinen nachhaltigen Fußabdruck: die Menschheit würde die Ressourcen von fast drei Planeten benötigen, wenn jeder so leben würde wie die Dänen. In einer solchen Welt würde der Erdüberlastungstag sogar auf den 8. Mai fallen. Italien lebt ökologisch weit stärker über seine Verhältnisse: es verbraucht 3,8 Mal so viel als seine Biokapazität hergibt.
Was aber würde es bedeuten, so fortzufahren wie bisher? Schätzungen ergeben, dass wir im Jahr 2030 doppelt so viel von der Natur brauchen, wie der Planet erneuern kann. Wir würden also das Doppelte der „Naturzinsen“ unserer Erde brauchen und zehrten daher unweigerlich an der Substanz. Der Erdüberlastungstag wäre dann Ende Juni.
Südtirol kann sich beim ökologischen Fußabdruck nicht gerade mit Lorbeeren schmücken. Der Energieverbrauch steigt weiter an, und im Vergleich mit Italien liegt Südtirol bei der Emission von Treibhausgasen deutlich über dem italienischen und EU-Durchschnitt. Der Index stieg laut ASTAT-Europaindikatoren von 2005 bis 2011 von 108 auf 117 gegenüber 1990 (=100).
Nachhaltigkeit kann in diesem Licht einfacher definiert werden: es genügt, dass jeder gut lebt im Rahmen dessen, was der Planet jährlich zur Verfügung stellt, also mit jeden Ressourcen die weltweit nachwachsen. Seit 43 Jahren verbrauchen wir immer mehr als die globale Biokapazität hergibt. Das kann auf die Dauer nicht gut gehen. Kuriose Notiz zum Abschluss. Vorigen Montag plädierte der Obmann der Tankstellenpächter Südtirols für eine Senkung der Benzinsteuer in Südtirol, damit die Preise an österreichisches Niveau angeglichen und der Treibstoffverbrauch angekurbelt werden kann. In welcher Welt leben diese Herren eigentlich? Und ganz ohne Pathos: wo ist der zweite Planet, den sie unseren Nachfahren zur Verfügung stellen?
Mehr zum Thema Erdüberlastungstag: www.overshootday.org
Berechnung des persönlichen Fußabdrucks: http://www.footprintnetwork.org/calculator
Kostenlose Daten zum Fußabdruck von 182 Ländern: www.footprintnetwork.org/public2015
Das Global Footprint Network: www.footprintnetwork.org/de
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