Die Natur Südtirols ist geschützt, durch internationale Konventionen wie die Alpenkonvention, die Berner Konvention, die Biodiversitätskonvention usw. und EU-Richtlinien wie die Vogelschutzrichtlinie und die Flora-Fauna-Habitatrichtlinie (FFH-Richtlinie).
Auf Landesebene gibt es daür ein Naturschutzgesetz, das am 12. Mai 2010 erlassen wurde. Dieses Gesetz regelt den Schutz der wild lebenden Tiere, der wild wachsenden Pflanzen, ihrer Lebensräume sowie den Schutz von Fossilien und Mineralien.
Das Naturschutzgesetz fängt in Abschnitt I damit an, dass jeder Mensch das Recht hat, sich in der Natur zu erholen und die Schönheit der Natur geniessen kann. Neben der ästhetisierenden Sichtweise der Natur gibt es auch eine Sichtweise, welche den Arten und Lebensräumen an sich einen Wert zuspricht. Dieser Sichtweise entsprechen EU-Richtlinien (Vogelschutzrichtlinie und FFH-Richtlinie). Im Naturschutzgesetz sind diese beiden Sichtweisen vereint und stehen nebeneinander.
In Abschnitt II des Naturschutzgesetzes findet sich der Artenschutz. Alle wild lebenden Tiere und Pflanzen sind grundsätzlich geschützt. Es gibt vollkommen geschützte Tier- und Pflanzenarten und Arten die teilweise geschützt sind. Vollkommen geschützte Tierarten sind z.B. Alle heimischen Frösche, mit ihnen darf daher kein Handel betrieben werden uns sie dürfen nicht aus der Natur entnommen usw. In Artikel 12 findet sich das Verbot, gebietsfremde Arten in der Natur auszusetzten. Dieser Artikel betrifft jene, welche z.B. Ihre zu groß geratene Wasserschildkröte in einem Gewässer einfach aussetzten möchten.
Die Arten, welche streng geschützt sind nehmen auch Bezug auf die in Anhang II, IV und V der FFH-Richtlinie geschützten Arten.
In Abschnitt III finden sich die geschützten Lebensräume, von Feuchtgebieten bis zu Trockenstandorten. Ob nun ein Auwald oder ein Trockenrasen, es gibt Lebensräume, welche mit diesem Landesgesetz gesetzlich geschützt sind.
Verlandungsbereiche von stehenden oder langsam fließenden Gewässern,
b) Schilf-, Röhricht- und Großseggenbestände,
c) seggen- und binsenreiche Feucht- und Nasswiesen,
d) Moore,
e) Auwälder,
f) Sumpf- und Bruchwälder,
g) Quellbereiche,
h) naturnahe und unverbaute Bach- und Flussabschnitte sowie Wassergräben, einschließlich der Ufervegetation.
(2) Schützenswerte Trockenstandorte, die eine besondere Artenvielfalt aufweisen und für die Erhaltung von geschützten wild wachsenden Pflanzen oder wild lebenden Tierarten von Bedeutung sind, sind:
a) Trockenrasen,
b) Felsensteppen,
c) Lehmbrüche.
Im Abschnitt IV finden sich die gesetzlichen Grundlagen zu den Sonderbestimmungen in Natura 2000 Gebieten. Ziel ist die Sicherung der Artenvielfalt mittels Erhaltung der natürlichen und naturnahen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und wild wachsenden Pflanzen und die Mitarbeit am Netz der Europäischen Schutzgebiete, den Natura 2000 Gebieten, laut Artikel 3 der FFH-Richtlinie.
In Abschnitt V geht es um Mineralien und Fossilien, in Abschnitt VI um die Förderung des Naturschutzes und in Abschnitt VII um die Kontrolle und Durchführung.
Nun ist dies alles schön und gut. Doch es fehlt die Durchführungsbestimmung zum Gesetz.
Ein Reporter der Dolomiten fragte mich nämlich wegen der Rodung von Auwäldern: “Herr Hilpold, warum klagen Sie nicht?” “Wie soll man denn klagen, wenn die Durchführungsbestimmung fehlt!”
Die Autonome Provinz Bozen ist autonom, so autonom dass Europäisches Recht in Südtirol auf Landesebene keine Anwendung findet. Der fehlende Naturschutz in der Landespolitik ist ein Spiegel der Sichtweise der Natur in Südtirol. Unsere Umwelt und die Natur wird aus der Sicht der Bauern, Jäger und Fischer gesehen. Die Natur als eigenständiger Wert, in ihrer Gesamtheit und ihren einzelnen Teilen, in der Wechselbeziehung zu den Menschen des Landes und ihrer Bedeutung für die Gesellschaft, auch für die ökonomische Entwicklung (Stichwort Tourismus oder nachhaltige Landwirtschaft) wird wenig Bedeutung geschenkt. Ein Naturschutzgesetz, das nach sechs Jahren immer noch auf eine Durchführungsbestimmung wartet, entblösst die Gleichgültigkeit, die Ignoranz und die Rückständigkeit der kleinen Provinz in den Bergen der Alpen.
Südtirols Natur ist nicht geschützt. Das Dreigespann Kompatscher, Schuler und Theiner wird daran nichts ändern. Die Südtiroler Naturschutzvereine, die politischen Parteien und alle die glauben, sich in diesem Land um Umwelt- und Naturschutz zu kümmern, müssen sich die kritische Frage stellen lassen: Wie kann es sein, dass es kein Naturschutzgesetz gibt, das tatsächlich einklagbar ist? Warum wird den Bürgern Südtirols das Recht verwährt, den Schutz der Natur einzuklagen?
Kommentar schreiben
Zum Kommentieren bitte einloggen!Kommentare