Joe Ravi CC-BY-SA 3.0 Creative Commons

Apple-Hauptsitz in Kalifornien (by Joe Ravi)

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Apple Irland - TTIP - Asylpolitik

Die EU drängt zur Skepsis

Euroskeptiker nennen die Medien EU-kritische Kräfte, oft in einem Satz mit Populismus. Doch es ist die EU selbst, die dieses Phänomen laufend befeuert. Drei Beispiele.
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Das aktuelle Beispiel zuerst: die EU-Kommission verlangt von Apple eine Steuernachzahlung von 13 Milliarden Euro, weil Apple in Irland in den Jahren 2003-2014 unrechtmäßige Steuervergünstigungen erhalten hat. Der Konzern hatte als gezielten Steuernachlass einen Steuersatz auf seinen Unternehmensgewinn von 0,005% zu zahlen. Ein florierender Weltkonzern - gemessen am Gewinn war Apple 2015 auf Platz 1 der in den Forbes Global 2000 gelisteten Welt-Unternehmen - versorgt die ganze EU aus einer Art Steueroase namens Irland, zum Schaden der übrigen EU-Länder und Steuerzahler. So lässt es sich leicht zum celtic tiger werden. Nun der Clou: Irland will die Steuerstrafe nicht mittragen, will also dieses Geld gar nicht zurück, weil es um den Unternehmensstandort fürchtet, sprich um seine Steueroase. Dabei erhält Irland Milliarden an EU-Subventionen. Da merkt der ganz normale EU-Steuerzahler, wie es in der EU läuft. Jahrelang können Weltkonzerne Gewinne aus dem EU-Geschäft praktisch gewinnsteuerfrei einstecken, und das nach irischem, also EU-kompatiblem Gesetz. Anderen Ländern und Regionen, einschließlich Südtirol, wird bei  Wettbewerbsbeschränkungen schnell auf die Finger geklopft. Kein Wunder, dass sich viele fragen: brauchen wir die EU dafür? Und andere schließen richtig aus diesem Fall: wenn dies legal war – und darauf klagt jetzt natürlich Apple - schadet die EU 400 Millionen europäischen Steuerzahlern.

Beispiel 2: CETA und TTIP. Die EU war drauf und dran, diese beiden Freihandelsabkommen mit Kanada und den USA klammheimlich auszuverhandeln und vom EU-Parlament schnell durchwinken zu lassen. Die geplanten Handelsabkommen TTIP und CETA drücken nicht nur Standards in der Umwelt- und Sozialpolitik, fördert den Freihandel zum Schaden des Klimas und der Entwicklungsländer, sondern bedrohen auch rechtsstaatliche Prinzipien und demokratische Mitbestimmung. TTIP hebelt die Parlamente in ihrer legislativen Souveränität aus, zum Nutzen der Konzerne. Ein Bündnis von über 500 Organisationen aus allen 28 EU-Mitgliedstaaten hat insgesamt 3.284.289 Unterschriften in einer selbstorganisierten Europäischen Bürgerinitiative (EBI) gegen TTIP und CETA gesammelt, die die EU-Kommission vom Tisch gewischt hat. Die bundesdeutschen TTIP-Gegner fordern nun einen Volksentscheid über CETA und TTIP. Der Kampf gegen TTIP ist noch nicht gewonnen, doch genau dieses Thema hat Millionen Europäer skeptisch werden lassen: warum will uns Brüssel weniger Demokratie-Rechte, milliardenschwere Konzernklagen gegen Staaten, schlechtere Konsumentenrechte und niedrige Umweltstandards unterschieben? Brauchen wir eine solche EU?

Drittes Beispiel: die Asylpolitik, die schon längst eine primär europäische Regulierungsaufgabe ist. Die 2015 beschlossene Verteilung der Asylbewerber nach einem Quotensystem auf alle Mitgliedsländer ist kläglich gescheitert. Es gibt keinen ausreichenden Grenzschutz, einen wachsenden Missbrauch des Asylrechts, aber auch keine ausreichende Betreuung und Integration der anerkannten Flüchtlinge. Schließlich betreibt die EU auch keine überzeugende Politik gegenüber den Herkunftsländern der Migranten. Die Visegrad-Staaten können sich aus den EU-Regeln einfach ausklammern, die südeuropäischen Länder müssen die Hauptlast der Neuankünfte tragen. Am 13. Juli hat die EU-Kommission ihr Reformpaket für ein gemeinsames EU-Asylsystem vorgelegt im Sinne einer „effizienten, fairen und humanen Asylpolitik“. Es soll die Asylverfahren beschleunigen, Asylmissbrauch verhindern und Integration verbessern für jene, die internationalen Schutz benötigen. Wenn dies durchgeht, wird es ein Baustein für ein solides, stimmiges und integriertes EU-Asylsystem auf der Grundlage gemeinschaftlicher Regelung und den EU-Grundrechten. Wenn nicht, wird wiederum die Skepsis befördert, ob die EU wichtige Aufgaben noch gemeinsam meistern kann. Die EU-Bürger messen die EU an solchen Aufgaben und sind zu Recht enttäuscht, wenn die Politik nicht liefert. Es ist die EU selbst, die die Skepsis unter den Menschen befördert, politische Kräfte greifen das nur dankbar auf. Es geht auch nicht um „Euroskepsis“ an sich, sehr wohl um eine EUskepsis.

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Kommentare

Bild des Benutzers Oliver H. (gesperrt)
Oliver H. (gesperrt) 07.09.2016, 09:17
Sehr guter Beitrag. Wer wirklich etwas gegen EU-Skepsis tun möchte, sollte diese und andere Missstände angehen. EU-Skeptiker als ewiggestrige Idioten abzutun, ist zu kurz gegriffen. Was mir noch auffällt: Oft wird EU-Skeptikern gesagt, man könne die "Vorteile" der EU nicht genießen, ohne die "Nachteile" in Kauf zu nehmen. Dieses Argument wurde im Zuge des Brexit oft genannt, doch ich halte es für falsch. Eine Staatengemeinschaft funktioniert doch dann am besten, wenn alle Staaten möglichst viele Vorteile und möglichst wenig Nachteile haben. Das sollte der Königsweg sein, wenn man langfristig an stabiler, paneuropäischer Zusammenarbeit interessiert ist.
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Harald Knoflach 07.09.2016, 10:52
Viertes Beispiel: Barroso geht zu Goldman Sachs http://www.brennerbasisdemokratie.eu/?p=31495
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Martin Daniel 07.09.2016, 22:47
Auch die gestrige "Anstalt", links-linkes Kabarett im dt. Staats-TV, unterstrich diese immer offensichtlicher werdende Linie: Die EU wurde in ihrer wirtschaftlichen Ausprägung für Großunternehmen konzipiert und von diesen wird sie kontinuierlich konditioniert und zum eigenen Vorteil benutzt. Die Union ist im Grunde ein neoliberaler Verein mit einem Faible für die ganz Großen, für den TTIP nur eine konsequente geografische und qualitative Steigerung darstellte. Wenn die Wähler nun massenhaft zu als populistisch apostrophierten Parteien abwandern, dann suchen die Konzernlobbyisten der etablierten Kräfte die Schuld bei jenen, die sich als Alternative anbieten. Dass das auch daran liegen könnte, dass z.B. heimischen Genossenschaften Dienste in sensiblen menschlichen Bereichen wie dem Behindertentransport wegen absurder Kriterien verloren gehen, während für Autokonzerne alle denkbaren und undenkbaren Hintertürchen geöffnet wurden, wird hingegen nicht im Entferntesten in Erwägung gezogen. Kein Wunder, dass der Binnenmarkt das Einzige ist, das immer und überall zu 100% vollzogen wird (man denke an die Reaktionen der EU-Kommission auf Österreichs Versuche, die Transitlawine zu bremsen). Im Übrigen: So wie beim faktischen Prozess der Globalisierung, den Verträgen zur WTO oder den TTIP-Verhandlungen - die EU versucht die wirklich "großen" Dinge auf Regierungsebene abzuwicklen, entkoppelt vom Einfluss und der Kontrolle der Parlamente.
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Albert Hofer 17.09.2016, 14:38
Pardon, aber Beispiel 1 ist jetzt wirklich eine abenteuerliche Tatsachenverdrehung. Die EU-Kommission höchstpersönlich fordert Apple auf, dem irischen Staat die Millarden-Zahlungen zu leisten. Und zwar genau deshalb, weil die EU-Kommission nach eingehender Überprüfung zum Schluss gekommen ist, dass die irische Gesetzeslage eben_nicht_EU-kompatibel ist. Ihr Beitrag stellt das ganze seltsamerweise komplett gegenteilig dar, als ob die EU selbst diese irische Steueroase abgenickt und gutgeheißen habe. Rätselhaft.
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Sepp Bacher 17.09.2016, 17:01
Und warum hat die EU mehr als zehn Jahre gebraucht, da drauf zu kommen? "weil Apple in Irland in den Jahren 2003-2014 unrechtmäßige Steuervergünstigungen erhalten hat. Der Konzern hatte als gezielten Steuernachlass einen Steuersatz auf seinen Unternehmensgewinn von 0,005% zu zahlen." !!!
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Albert Hofer 17.09.2016, 17:37
Ja, warum werden Unregelmäßigkeiten, Unrechtmäßigkeiten, Rechtsverstöße oft erst nach gewissem zeitlichen Abstand aufgedeckt? Weil wir nicht in einem totalitären Überwachsungsstaat leben, vielleicht? Weil die EU nicht mit am Tisch saß, als die irische Regierung untertänig mit Apple steuerliche Sonderdeals ausgehandelt hat? Weil die EU-Kommission gottseidank nicht Einsicht in jedes Dokument hat, das auf unserem Kontinent irgendwo aufgesetzt wird? Was schwebt denn hier als Alternative vor? Dass in Zukunft die Kommission kontinentweit jeden Beistrich mit Sichtvermerk abnicken muss, bevor etwas in Kraft tritt? Wie gesagt: Ich halte es für absurd, die Apple-Geschichte als Beleg für die intendierte Story anzuführen. Ja, die EU macht viele Fehler, sie schafft sich viele Feinde selbst, ihre Politik ist oft genug inkonsequent und lückenhaft. Aber gerade der Fall des Wettbewerbskommissariats in eine beeindruckende Erfolgsstory. Millardenschwere Konzerne wie Apple oder Mircosoft mögen kleinere, mittlere und vielleicht auch ein paar größere Staaten erpressen können (siehe Irland: Man wehrt sich eilfertig vor Gericht dagegen, viele Milliarden Euro von Apple einkassieren zu müssen, weil man um die Gunst des Konzerns und sich vor dem Abbau von Arbeitsplätzen fürchtet). Die EU, Heimat einer halben Milliarde Menschen und des wirtschaftsstärksten Binnenmarkts auf Erden, ist allerdings nicht so einfach erpressbar. Apple braucht nicht Irland, Apple braucht allerdings die EU. Und so wird sich Apple, wie zuvor Microsoft, letztendlich dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs fügen müssen, auch wenn es Milliardenstrafen vorsehen sollte. Ohne die EU gäbe es gegen Steuerdeals wie in Irland überhaupt keine Handhabe...
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Karl Trojer 18.09.2016, 11:39
In unserer Zeitwerden wir von Medien und internet tagtäglich derart mit Infos überflutet, dass es schwer fällt, das Wesentliche zu finden. Alle Infos kommen auf fast gleichen Wellenlängen an, das Wesentliche geht dabei unter. Fragt sich, was ist das Wesentliche ? Und das wiederum wird jeder mehr oder weniger unterschiedlich erkennen.... Vielleicht können wir uns aber, bei aller Verschiedenheit auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner einigen; einen der für alle Kulturen, Epochen, Menschen als vorrangig erlebt wurde/wird ? Kann dies die LIEBE sein ? Ich würde sagen ja, auf gelebte Liebe kommt es an ...Liebe bringt Frieden. Und EUROPA erlebe ich, bei aller Unzulänglichkeit, als da heute aktuellste Friedenprojekt. Dieses Projekt gilt es im Intresse der menschlichen Gemeinschaft und der Bewahrung des Lebensraumes zu unterstützen ! Solange ein Grashalm durch den Asphalt wächst, lohnt es sich, sich fürs Leben einzusetzen... Karl Trojer, Terlan
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Werner Heiss 18.09.2016, 13:40
Der Herr Benedikter klagt die EU wegen Ihrer Steuerpraxis an, ich lach mich schief. Wohl gemerk der Herr Benedikter der regelmässig die Schweiz in den Himmel lobt das Land das die Liste der Schattenwirtschaft seit Jahrzenten anführt und viele Länder um Milliarden von Steuergelder erleichter hat. Wie Glaubwürdig ist den das.
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Thomas Benedikter 18.09.2016, 21:44
Natürlich muss die EU jetzt gegen Apple vorgehen, geschätzter Albert Hofer, nachdem es der Konzern im Verbund mit Gastland Irland zu bunt getrieben hat, und das seit 13 Jahren. Dass die EU spät, aber doch eingreift, ist zwar tröstlich, kann aber nicht über die Fakten hinwegtäuschen, dass innerhalb der EU vor allem bei Unternehmenssteuern ein für alle schädlicher Steuerwettbewerb ausgetragen wird. "Ohne die EU gäb es gegen Steuerdeals wie in Irland keine Handhabe", schreiben Sie, ist aber ein Trugschluss, denn ohne die EU könnte Apple keinen gemeinsamen Binnenmarkt von 500 Millionen von der Steueroase Irland aus bedienen, sondern hätte überall seine Zölle und Steuern national zu entrichten. In der EU sind immer das Primärrecht, also die Verträge, das Entscheidende, denn auf diese beruft sich in Streitfällen der EuGH am stärksten. Gegenüber Rat und Kommission hat das Parlament immer noch das Nachsehen. Werner Heiss sieht einen Widerspruch zwischen der Anmahnung von mehr Transparenz und Gerechtigkeit bei der Besteuerung in der EU, und den Vorzügen des politischen System der Schweiz, auf die ich mich ab und zu berufe. Das sind halt gleich drei verschiedene Paar Schuhe: die direkte Demokratie der Schweiz, das Schweizer Steuersystem mit Vor- und Nachteilen und die EU-Politik in Sachen Steuern und Subventionen. Weder habe ich jemals die Schweiz als Kassenschrank der Welt verteidigt, noch die Schweizer als Heilige in Sachen Steuerzahlen hingestellt. Der Vergleich hinkt.
Bild des Benutzers Albert Hofer
Albert Hofer 19.09.2016, 12:36
Zunächst mal ging es mir darum, auf einen handfesten Fehler im Artikel hinzuweisen. Man kann schlichtweg nicht schreiben, dass "nach irischem, also EU-kompatiblem Gesetz" gehandelt worden sei, wenn die EU-Kommission höchstselbst bestreitet, dass ein "EU-kompatibles" Gesetz vorliegt. Weiters halte ich es wiederum für einen Trugschluss, zu glauben, dass eine Renationalisierung der Wirtschaftsräume Megakonzerne zu besseren Steuerzahlern machen würde. Alle Evidenz spricht dagegen, wenn auch Nicht-EU-Staaten wie die Schweiz oder die USA es kaum hinkriegen, Apples Gewinne zu versteuern: http://www.handelszeitung.ch/unternehmen/apple-zahlt-der-schweiz-kaum-steuern http://www.forbes.com/sites/leesheppard/2013/05/28/how-does-apple-avoid-taxes/#45611f3cd6f7 Gott sei Dank gibt es mit der EU einen internationalen Player, der gewillt und vor allem auch fähig ist, solche Fälle anzugehen.
Bild des Benutzers Werner Heiss
Werner Heiss 25.09.2016, 14:14
Sie haben ja eine eigenartige Auffassung, was anscheinend miteinander zu tun hat und was nicht. Was die Steuersysteme anbelangt, muss man ja mit völliger Blindheit gesegnet sein oder man will die Zusammenhänge einfach nicht zu sehen. Welches System mir die Steuergelder aus der Tasche zieht ist mir ehrlich gesagt völlig egal, der Effekt ist bei allen der gleiche sie fehlen schlussendlich in unseren Staatskassen. Bei der direkten Demokratie, da gebe ich Ihnen Recht, ist es nicht so offensichtlich, darum habe ich bei Ihren Artikel zur direkten Demokratie auch schon verschiedentliche Mal geschrieben, dass Sie sich die Systeme in der Schweiz mal besser anschauen sollten, bevor Sie zu Ihren Lobeshymnen auf die Schweiz ansetzen. Dieses Modell kann nur sehr bedingt auf andre Länder übertragen werden und das aus verschiedenen Gründen. Was die Steuervermeidung von Unternehmen anbelangt klagen Sie das kleine Irland mit seiner Steuerpraxis an. Nicht dass ich das gut finde - ich bin ein vehementer Gegner dieser Praxis – was Irland macht es ist aber nicht das Land, dass bei dieser Praxis die grössten Probleme schafft. Was Steuervermeidung für Firmen, Reich etc. anbelangt gibt es ein Land, dass seit Jahrzehnten die spitze Anführt. Ob die alt bekannte Steuerhinterziehung, Pauschalbesteuerung für Reiche, Holdings und Briefkastenfirmen, Zollfreilager, spezifische Rechtslage für Firmen und so weiter kennt die Schweiz eine vielzahl von Möglichkeiten Steuergelder aus anderen Länder in Ihr Land zu locken. Was die Unternehmensbesteuerung anbelangt unterbietet die Schweiz Irland mit Ihrer Prinzipalgesellschaften mit Sätzen von 7-8% bei weitem. Auch für sogenannte normal besteuerte Firmen bewegen sich die Sätze auf dem Niveau vom Irland. Das sind hunderte von Firmen die so in die Schweiz gelockt wurden oder glauben Sie, dass die Schweiz die höchste Dichte an int. Konzernen weltweit hat weil die Schweizer so viel besser arbeiten als andere. Gerade auch Italien ist stark von dieser Praxis der Schweizer betroffen. Schauen Sie sich doch einfach mal im Tessin um. Irland ist ein EU-Land die Schweiz nicht, da Stört es mich noch viel mehr, dass meine Steuergelder abtransportiert werden. Die Schweiz will nicht zur EU gehören, ihre Steuergelder zu nehmen hat Sie aber keine Mühe. Dass die Länder in der EU auf die Schweiz und Ihre Praxis verweisen und sich weigern Ihre Steuersätze zu erhöhen ist doch nur verständlich. So wurde das ganze über Jahre zum Ping Pong spiel mit einem Verlierer, dem dummen steuerzahlenden normal Bürger. Das ist Geld das in der EU fehlt um Infrastruktur, Bildung etc. zu finanzieren. Wenn man nicht dazu gehören will, ist das für mich kein Problem. Draußen heisst aber für mich dann auch draußen. Oder kennen Sie einen Verein bei dem man nicht Mitglied ist aber trotzdem sich nach belieben bedienen kann. Das ist der Tod für jeden Verein. Bei der direkten Demokratie weißen Sie immer wieder darauf hin wie erfolgreich dieses Modell sei. Finanziell und auch die Zufriedenheit der Bürger werde dadurch besser. Ist dem so? Kommt der Reichtum und Zufriedenheit der Schweiz von der direkten Demokratie. Das Modell hat Vorteile, keine Frage aber dass der Reichtum und somit auch die Zufriedenheit der Schweiz davon kommt bezweifle ich stark. Wenn man auch in der Schweiz immer wieder bestreitet, dass Ihre oben beschrieben Praxis grosse finanzielle Vorteile brachte ist es in mehrfacher Hinsicht wohlstands fördernd für die Schweiz gewesen. Einerseits konnte man hohe Provisionen für die verwalteten Gelder verlangen anderseits standen riesige Summen für Investitionen bereit. Vor einigen Jahren war das Geld noch nicht ganz so mobil wie heute mussten also am besten vor Ort investiert werden. Das brachte der Schweiz einige Firmen, die einen hohen Kapitalbedarf hatten aber auch hohe Renditen abwarfen. Es stand ja genügend Kapital mit niedrigen Zinsen zur Verfügung im Gegensatz zu andren Länder. Man geht davon aus, dass bis vor ein paar Jahren nur aus Deutschland 400 Milliarden und aus Italien 200 Milliarden hinterzogenen Gelder in der Schweiz lagen. Und das sind nur zwei Länder und das Geld von Steuerhinterziehung, die Besteuerungssysteme sind da nicht eingerechnet. Wir reden hier also nicht von klein Kram. Was da an Steuereinnahmen für die betroffenen Länder verloren gehen kann sich ja jeder denken. Nicht um sonst haben die USA druck auf die Schweiz ausgeübt, diese Praxis zu ändern. Warum die EU eigentlich nicht? Ach ja, da war doch vor ein paar Jahren was. Als sich Italien und Deutschland doch mal durchringen konnten den Schweizer auf die Finger zu hauen und die Kavallerie anzudrohen, lies die SVP in den Schweizer Medien verlauten, man könne ja mal Listen mit Politiker veröffentlichen die Ihre Gelder auch in der Schweiz geparkt haben. Siehe da, danach war wieder schweigen im Walde und die Kavallerie verschwand wieder Stall. Ein weiterer Grund für die gesunden Finanzen der Schweiz ist einen eigen Art der Schweizer, die man sich wirklich als Vorbild nehmen könnte. Das ist der Umstand, dass man in der Schweiz angehalten wird zuerst mal für sich und sein Leben selber Verantwortlich zu sein. Es war lange verpönt Sozialhilfe zu beantragen. Auch die anderen staatliche Sicherungssysteme waren zuerst mal auf Eigenverantwortung ausgerichtet. Auch dass der Bürger für den Staat da ist und nicht in erster Linie der Staat für den Bürger hilft für ausgewogene Verhältnisse. Diese Denkweise fehlt in der EU komplett. Da ist die Devise holt soviel wie möglich vom Staat aber gebt im nichts, nur die schuld an allen Fehlentwicklungen. Es gibt viele Gründe was das „Erfolgssystem“ Schweiz ausmacht. Es ist aber nicht einfach die direkte Demokratie. Das ist nur ein Baustein von vielen.
Bild des Benutzers Thomas Benedikter
Thomas Benedikter 02.10.2016, 21:47
Lieber Herr Heiss, Ihr Beitrag ist einfach zu lang, um auf die vielen interessanten Anmerkungen einzugehen. Wie wär's, wenn Sie solche Betrachtungen in einen eigenen SALTO-Beitrag fassen, so dass ihn mehr SALTO-Leser sehen und lesen können? Ich kann Ihnen jedenfalls versichern, dass ich die Schweizer Regelungen zur direkten Demokratie ausreichend studiert habe, auch wenn in meiner letzten Publikation dazu "Gaspedal und Bremse" bei Weitem nicht alle Quellen angegeben sind. Ich empfehle das letzte Buch von Andi Gross "Die unvollendete direkte Demokratie", der auch kritische Seiten der DD der Schweiz aufzeigt. Sie schreiben dann vor allem über die Rolle der Schweiz als Fluchtkapital-Paradies, über das man spätestens seit Jean Zieglers "Die Schweiz wäscht weißer" in seiner ganzen beschämenden Tragweite Bescheid weiß. Da rennen Sie offene Türen ein und gerade die EU ist aufgerufen, die Schweiz viel strenger anzupacken (in jüngster Zeit haben das Deutschland und Italien getan, reicht aber noch nicht). Doch meine Analyse betraf den Steuerwettbewerb innerhalb der EU und das Steuerdumping Irlands, das die EU sofort und effizienter unterbindne müsste. Nein, der Reichtum und die Zufriedenheit der Schweizer rührt nicht allein von der direkten Demokratie. Doch laut Studien (Bruno Frey/Alois Stutzer, Economia e felicità, Il Sole 24 ore, 2006) fühlen sich die Schweizer dank ihres politischen Systems selbstbestimmter, vor allem in jenen Kantonen, wo am meisten Volksabstimmungen abgehalten werden. Dass sie dann im konkreten Fall immer wieder so abstimmen, wie es mir politisch nicht gefällt (vielleicht auch Ihnen), liegt in der Natur der Sache und wohl auch in der konservativen Grundeinstellung sehr vieler Schweizer. Das tut aber ihrer Praxis der direkten Demokratie keinen Abbruch.
Bild des Benutzers Werner Heiss
Werner Heiss 03.10.2016, 12:23
Herr Bendikter und ich kann Ihnen versicher, dass ich die Schweizer und Ihre Systeme nicht aus Bücher kenne sondern aus Jahrelanger praktischer Erfahrung mit Ihnen und dem Modell Schweiz. Ich habe mir auch den Luxus erlaubt um Jahre lang Auszusteigen aus den Zwängen und Beeinflussungen von Gesellschaft und Normen, um mich mit Ihren Entwicklungen und Verhaltensnormen auseinander zu setzen. „Sie schreiben dann vor allem über die Rolle der Schweiz als Fluchtkapital-Paradies,“ Das war ja auch das Thema von Kapitel 1 von Ihnen, Steuerdumping. Und das steht dann halt auch in einem Gesamtzusammenhang. Was genau hat Deutschland und Italien gegen die Steuerflucht in die Schweiz unternommen? In Deutschland hat genau ein Bundesland Massnahmen eingeleitet. Und in Italien, ist mir gar nichts bekannt. Da hat die Schweiz in der Zwischenzeit aber schon neue Modelle entwickelt, wie man das bisschen Druck der EU locker wieder umgehen kann. Auch bei der Unternehmensreform III die die Schweiz auf Druck von aussen eingeleitet hat dreht sich die Diskussion vor allem darum wie man seine Geschäfte trotzdem beibehalten kann. Wie wollen Sie da Länder in der EU vorschreiben, dass Sie die Praxis des Steuerdumping nicht betreiben dürfen, wenn in der Mitte von Europa an bester Lage ein Land sitzt, dass sich einen Dreck darum schert, dass der EU Milliarden an Steuern durch Ihre Praxis verloren geht. Den Ländern, die die Steuern anheben würden käme ganz einfach die Firmen abhanden. In der Schweiz fühlen sich viele Leute im Recht mit dieser Praxis,. Ihr Argument Sie gehören ja nicht zur EU also haben Ihnen Die auch nichts vorzuschreiben. Verstehen Sie jetzt den Bezug der Schweiz zur EU Steuerpraxis. Jetzt kommt noch GB dazu, die auch glauben so ein Modell ist viel interessanter als ein Mitglied in der EU zu sein. Wenn da die EU die gleiche weiche Linie fährt wie bei der Schweiz werde ich mich auch für den Austritt von Italien aus der EU stark machen. Italien ist eines der wenigen Länder, bei den es auch Sinn machen würde. Und das gegen meine Überzeugung was für gesamt Europa gut wäre. Zu Studien, deren Erhebungsmethode ich nicht kenne äußere ich mich nur allgemein. Alleine über Glück und Selbstbestimmung könnte man Tage lang diskutieren, was da welchen Wirkung und Einfluss hat. Und trotzdem wäre das meiste theoretischs Wissen. „ liegt in der Natur der Sache und wohl auch in der konservativen Grundeinstellung sehr vieler Schweizer. Das tut aber ihrer Praxis der direkten Demokratie keinen Abbruch. „ Das tut der Praxis im Südtirol sehr wohl einen Abbruch. Das Südtirol ist eine reine Alpenregion. Sehen Sie sich doch mal das Wal verhalten in der gleichen Struktur in der Schweiz an. Auf kommunaler Ebene würde ich eine direkte Demokratie noch gerade gut heissen. Auf Landesebene würde ich es längerfristig für die Wirtschaft als schädlich anschauen.
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Werner Heiss 04.10.2016, 12:40
http://www.tagesanzeiger.ch/wissen/was-die-schweizer-gluecklich-macht/story/25844771
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Werner Heiss 14.11.2016, 09:04

24 000 Firmen mit Steuerprivilegien, das muss man sich einfach mal auf der Zunge zergehen lassen.

http://www.nzz.ch/schweiz/studie-mehr-wohlstand-dank-steuerreform-ld.127...

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