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“Dann kann die SVP aufhören...”

Der neue Gesetzentwurf zur Direkten Demokratie würde der politischen Kultur Südtirols gut tun, meint Paul Köllensperger. Doch die SVP könnte den Vorschlag kippen.
Von
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Lisa Maria Gasser11.10.2016

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Kommentare

Bild des Benutzers Thomas Benedikter
Thomas Benedikter 11.10.2016, 21:45
Der jetzt von der AG Direkte Demokratie fertiggestellte Gesetzentwurf ist ein Schritt nach vorne, da hat Paul Köllensperger ganz recht, doch dieser Schritt ist zu kurz, wenn das echte bestätigende Referendum fehlt, auch auf die gewichtigen Beschlüsse der Landesregierung. Um ein Referendum geht es bei 80% der Volksabstimmungen in der Schweiz, es ist die Notbremse in der Hand der Bürger. Eine Volksbefragung kann das nicht ersetzen. Dies ist übrigens in der heutigen DOLOMITEN falsch dargestellt, wenn gesagt wird, 200 Bürger könnten laut Entwurf künftig dieses Referendum erwirken. 200 Bürger können es beantragen, dann aber müssen sie immer die Mindestunterschriftenzahl (angeblich 8.000) in extrem kurzer Zeit sammeln. Der Bürgerrat wird übrigens in seiner Wirkung überschätzt: in jener Region, wo er in den letzten Jahren am stärksten angewandt wurde, nämlich Vorarlberg, kommt man jetzt immer mehr davon ab, weil sich kaum mehr Bürgerinnen finden, die mitmachen. Die haben nämlich gemerkt, dass nur 2 Tage geredet wird und kein echter Einfluss auf die Politik ausgeübt wird. Das lassen mündige Bürger auf die Dauer nicht mit sich machen.
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Peter Lustig 11.10.2016, 23:22
Wenn ich mir so anschaue wie Kolumbien zum Friedenvertrag oder die Briten über Brexit abgestimmt haben, habe ich ehrlich gesagt, schon etwas Bedenken. Durch die zunehmende demographische Altersverschiebung bei gleichzeitiger juveniler Politikapathie gepaart mit Demagogen die mit Facebook-Halbwahrheiten um sich werfen, ist das ein sehr gefährlicher Politcocktail.
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pérvasion 12.10.2016, 09:29
Klar, und wenn ich anschaue wie gewählte RepräsentantInnen in Ungarn oder Polen entscheiden, habe ich auch Bedenken… und wünsche mir sofort… einen illuminierten Diktator!?!?!?!? Die Unfähigkeit, zwischen Demokratie (direkte oder repräsentative ist einerlei) und den inhaltlichen Entscheidungen zu »unterscheiden« verwundert immer wieder. In der Demokratie geht es nicht um »richtig« oder »falsch« (obwohl es richtig und falsch in manchen Fällen durchaus gibt), sondern um »gewollt« oder »ungewollt«.
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gorgias 12.10.2016, 13:30
Wo liegt dann aber der Mehrwert der direkten Demokratie? Der Schlüssel ist doch eine aufgeklärte und interessierte Bürgerschaft. Diese wird durch direkte Demokratie aber nicht erreicht, auch wenn sie gerne von Befürwortern verheißen wird. Die direkte Demokratie schafft mehr Probleme als sie Vorteile hat. Sie bietet dem Populismus einen Königsweg und den regierenden die Möglichkeit sich aus der Verantwortung zu entziehen. Und wenn man von derartig niedrigen Beteiligungen wie in Balderschwang und Obermaiselstein hört, dann ist für mich die Sache ganz entzaubert. Die direkte Demokratie fordert eine stärkere engagierte Bürgerschaft als die repräsentative. Für viele Sachverhalte braucht es eine Auseinandersetzung im Detail und wird oft nicht durch die gegebenen Fragestellungen gerecht. (Siehe Seilbahn Brixen) Die Idee das über Sachfragen zu entscheiden einfacher ist als Repräsentanten zu wählen ist somit auch trügerisch. Die direkte Demokratie untergräbt auch deliberative Prozesse stärker als die Repräsentative, weil ist einmal die Fragestellung formal fixiert ist es nur noch eine Entscheidung über ein eindimensionales JA/NEIN. Das große Problem heute ist, dass die Demokratie und die direkte Demokratie noch mehr als Ersatzreligion und Heilslehre verklärt wird. Und nebenbei sind wir keine Demokratie sondern eine Republik (mit demokratisch legitimierten Repräsentanten). Kann man sogar im Artikel eins der Verfassung nachlesen. Wer gegen die direkte Demokratie starke Bedenken ausspricht, ist nicht automatisch für ein autoritäres System. Diese Argumentation führt im Grunde nur zu unsachlicher Polemik.
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Alessandro Stenico 12.10.2016, 07:49
Nicht immer ist Direkte Demokratie das Beste für die Umwelt, zwei Beispiele: Der Volksentscheid über dem E-Werk in der Achenreinschlucht in Ratschings https://issuu.com/dererker/docs/www.dererker.it/14 http://www.unsertirol24.com/2016/09/09/wipptal-umweltverbaende-kippen-volksentscheid/ und vor kurzen die Bürgerbefragung für eine Skischaukel am Riedberger Horn.; http://www.heller-partner.de/news/article/direkte-demokratie-mal-dafuer-mal-dagegen/ Der Alpenplan ist in Gefahr: 0,001 Prozent der bayerischen Bevölkerung - die betroffenen Orte Balderschwang und Obermaiselstein - stimmten gestern bei einer Bürgerbefragung für eine Skischaukel am Riedberger Horn. Das Problem: Das Projekt liegt in der „Ruhezone“ C des Alpenplans - einer Zone, in der keine technischen Erschließungen erlaubt sind. Der Alpenplan bewahrt die bayerischen Alpen seit 44 Jahren vor Übererschließungen. Denn: Wird die Landschaft reinen wirtschaftlichen Interessen untergeordnet, entstehen fatale Folgen für die Natur. Eine Entscheidung für die Skischaukel am Riedberger Horn wäre folglich eine Entscheidung gegen den Alpenplan! Wir appellieren daher dringend an die Bayerische Staatsregierung: Opfern Sie nicht den Alpenplan! http://www.alpenverein.de/presse/volksbefragung-riedberger-horn_aid_28305.html
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Thomas Benedikter 12.10.2016, 15:14
Wie pérvasion zu Recht anmerkt, es ist immer derselbe Reflex, der bei DD-Gegnern und DD-Skeptikern wie Gorgias und Peter Lustig abläuft. Sie klauben sich ein Beispiel von Volksabstimmung heraus, bei welchem das Volk (oft weit weg) nicht nach ihrem Geschmack abgestimmt hat. Schneller Schluss: das Volk liegt einfach falsch, es hat keine Ahnung, informiert sich nur über Facebook und dürfte auf keinen Fall über wichtige Fragen abstimmen. Wenn schon über ein Friedensabkommen abgestimmt wird, dann nur aufgeklärte Ausländer, die den vollen Durchblick haben. Man wundert sich, warum Gorgias, Lustig u.a. diesen Menschen überhaupt das Stimmrecht zutrauen..... Mir passt weder die Brexit-Entscheidung, noch die Ablehnung des Friedensabkommens durch die Kolumbianer. Doch was wisst ihr eigentlich von den Hintergründen dieser Volksentscheide? Was wisst ihr, wieviel an Debatten und Informationen wie land und breit in Kolumbien gelaufen sind? Was genau so vielen Kolumbianern am Abkommen mit der FARC nicht gepasst hat? Warum nur 37,2% überhaupt zu den Urnen gegangen sind? Glaubt ihr wirklich, dass Millionen Briten nur dumpfe Fanatiker sind, die man auf keinen Fall zu irgendeiner politischen Frage außer der Bepflanzung des Stadtparks befragen sollte? "Nicht immer ist Direkte Demokratie das Beste für die Umwelt" schreibt Sandro Bx, aus dem simplen Grund, dass diese Mitbestimmungsverfahren nicht als Umweltschutzverfahren, sondern als demokratische Rechte eingeführt worden sind. Die Menschen haben eben manchmal andere Prioritäten als den Umweltschutz, haben wir in Südtirol auch schon erlebt, und zwar bei vollem Bewusstsein. Wenn man den Mitbürgern nicht Mündigkeit, ein Grundverständnis der zur Abstimmung stehenden Sachfrage und das Recht auf Mitentscheidung als Souverän zugesteht, dann muss man freilich direkte Demokratie abschaffen. Woher nehmen Sie, Sandro Bx, dann die Sicherheit, dass diese Mitbürger bei der Wahl die "richtige" Entscheidung treffen?
Bild des Benutzers gorgias
gorgias 12.10.2016, 16:25
> Mir passt weder die Brexit-Entscheidung, noch die Ablehnung des Friedensabkommens durch die Kolumbianer. Doch was wisst ihr eigentlich von den Hintergründen dieser Volksentscheide? < Ich habe die Idee des Ausstiegs des Vereinigten Königreiches über Jahre verfolgt und finde das Ergebnis für die EU nur positiv. 1. Weil ein so großes Land wie das Vereinigte Königreich, das im Grunde nie wirklich dabei sein wollte zuerst versucht hat die EWG/EG mit der Freihandelszone EFTA Konkurrenz zu machen und dann der große Bremsblock der europäischen Integration wurde als es beigetreten ist, besser nicht dabei ist. Wenn mehr oder weniger die Hälfte der Bevölkerung eh dagegen ist das ist es besser 52% sind für den Austieg und 48% dagegen als Umgekehrt. 2. Weil die EU nun aufwacht. Hofer spricht nicht mehr vom EU-Ausstieg und nun verhandelt die EU taffer mit der Schweiz, weil diese ja die Personenfreizügigkeit einschränken wollen. 3. Weil man endlich der Sache ins Gesicht sehen muss und entweder man schaut dass es weiter geht oder zulässt dass die Union auseinanderbröckelt. Und weiter habe ich mit großer Spannung die Debatte in Großbritannien verfolgt. Und man konnte sehen dass die Mehrheit aus einer Mischung aus Desiformation und Resentiment enschieden haben. Am Ende wenn Großbritannien am gemeinsamen Markt teilnehmen will, kann sie wie die dumme Urschel den Entscheidungen der EU hinternachlaufen ohne selbst etwas zu sagen haben. Ich empfehle allen sich den Film "Brexit - The Movie" anzusehen. Dann sieht man was für Blösinnigkeiten das echt blöde britische Volk geglaubt hat. FARC? Habe ich etwas über FARC gesagt? Was dem Ergebnissen der Volksabstimmungen angeht, habe ich nichts gesagt, sondern nur über die Wahlbeteiligung. So eine geringe Beteiligung kann man nicht einmal erhalten wenn man es mit Absicht erreichen wolle. >Wenn man den Mitbürgern nicht Mündigkeit, ein Grundverständnis der zur Abstimmung stehenden Sachfrage und das Recht auf Mitentscheidung als Souverän zugesteht, dann muss man freilich direkte Demokratie abschaffen.< 2/3 der wahlberechtigten Bevölkerung interessiert sich für Politik nur am Rande. Diese ist im Grunde nicht qualifiziert solche Entscheidungen zu treffen. Bei der repräsentativen Demokratie müssen sich die Gewählten ja verantworten in der Öffentlichkeit und es werden ja keine Volksentscheidungen umgesetzt. Nebenbei gibt es auch eine Oposition die für Ausgleich sorgt. Bei der direkten Demokratie braucht es viel mehr Aufwand sinnvoll sich an der Wahlurne zu beteiligen. Das ist nicht der Fall, sonst würde die repräsentative Demokratie eben besser funktionieren und nicht nur als suboptimal bezeichnet werden können. Hier noch direktdemokratische Elemente einzuführen führt zu einer Verschlimmbesserung.
Bild des Benutzers Alessandro Stenico
Alessandro Stenico 12.10.2016, 18:27
Ich kann mich nicht mehr gut erinnern aber zwischen 2012 und 2013 fand in Mals und Taufers in Münstertal eine Bürgerbefragung für oder gegen die hydroelektrische Nutzung des Rambachs und die Befürworter hatten gewonnen. Zum Glück hatten unsere ehemaligen Landesregierungen in die 70 und 80 Jahre Naturparks in mehrere Teile Südtirols errichtet. Wenn wir heute zum Beispiel eine Befragung in der Gemeinde Santal zu den Naturparks Sarntaler Alpen organisieren würden, zweifle ich an ein positives Ergebnis. Siehe negative und positive Beispiele Deutschland: http://www.schwarzwaelder-bote.de/inhalt.schwarzwald-buergerbefragung-nationalpark-nein-danke.28a214ed-e365-4167-b175-eb85874c298f.html http://www.volksfreund.de/nachrichten/region/hunsrueck/aktuell/News-Nationalpark-Arbeitskreise-lehnen-Buergerbefragung-ab;art779,3592899
Bild des Benutzers Albert Hofer
Albert Hofer 12.10.2016, 19:56
Was in Thomas Benedikters Beiträgen hier durchschummert ist ein edles Motiv, ein klassischer Gedanke der europäischen Aufklärung. Der Bürger ist der Souverän, er ist gewillt und befähigt selbst über sein Schicksal zu entscheiden. Die früher durch technische Restriktionen nötige repräsentative Demokratie kann nun in diesem glanzvollen neuen Zeitalter des aufgeklärten Bürgers zurückgefahren werden. Partizipative Demokratie an allen Orten ist nun gefragt. So der Tenor... Ich halte das in vielen Punkten für grundfalsch und stellenweise auch gefährlich. Ich kann das alles nur anschneiden, der grundlegendste Punkt an der Sache ist eine völlige Unterschätzung der Vorteile eines typischen "Parteienstaats", in dem sehr ausgeprägte Ausgleichsbemühungen diverser Strömungen auf ihrer Mehrheitsbeschaffungssuche dafür sorgen können, dass differenzierte und auf Konsens bedachte Positionen letztendlich meist die Oberhand behalten. Eine 51-%-Mehrheit, die per Ja-Nein-Frage eine 49-%-Minderheit niederstimmen kann, ist das Gegenteil des Bemühens um Ausgleich zwischen diversen Interessengruppen. Auch diese Illusion des aufgeklärten Bürgers, der das beste für die gesamte Gesellschaft will, ist natürlich allzu leicht als Irrlicht zu enttarnen. Nein, es ist viel zu einfach, das am Beispiel Schweiz runterzubrechen, wo die Milliardärspartei SVP mit ihren populistischen Ablenkungsmanövern seit vielen Jahren mit dem Rest des politischen Spektrums Schlitten fährt. Am Ende des Tages kann es bei der Auseinandersetzung repräsentative vs. direkte Demokratie nur um eines gehen: um die Qualität der Entscheidungen. Besonders gut ablesbar sind etwaige Defizite diesbezüglich bei Fragen, wo es um persönliche ökonomische Interessen im Gegensatz zu abstrakteren Gütern ohne direkte Nutznießer geht. Ein klassisches Themenfeld ist der Naturschutz. Hatten wir doch alles schon in Südtirol... Gemeinden, die durch das Versprechen billigeren Stroms die Vernichtung eines Naturdenkmals oder die Verbauung eines naturbelassenen Bachs in Kauf genommen haben. Waren die Bürger etwa schlecht informiert oder unmündig? Nein, sie haben bloß mutwillig ihre in Euroscheinen messbaren Privatinteressen in der Vordergrund gestellt. Etwas anderes stand nicht zu erwarten.
Bild des Benutzers Georg Mair
Georg Mair 13.10.2016, 23:17
"Nein, sie haben bloß mutwillig ihre in Euroscheinen messbaren Privatinteressen in der Vordergrund gestellt. Etwas anderes stand nicht zu erwarten." nur um diesen Punkt etwas entgegen zu setzen: Das Schweizer Stimmvolk hat für den Gotthardbasistunnel gestimmt, obwohl klar war, dass die Steuern dafür erhöht werden müssen, dass er sich nie komplett refinanzieren wird und dass es deswegen nicht weniger Verkehr Gotthard-Strassentunnel geben wird. Es wird immer Entscheidungsergebnisse geben, die jemanden nicht passen. Einmal zahlt die Umwelt drauf und einmal die Wirtschaft und einmal noch jemand anders. Es wird aber immer auch Gewinner geben. Stellen wir uns mal vor, die Deutschen dürften über ihre Kohlesubventionen abstimmen? oder noch schlimmer - die Ökostromsubventionen? Das finde ich hochspannend. Und falsche Entscheidungen gibt es auch auf höchster Politischer Ebene. Und übrigens: die Schweizer (Miliardärspartei) SVP hat die letzten Abstimmugen zum grossen Teil verloren. So unmündig scheint der Bürger also doch nicht zu sein, als dass er sich von Populisten blenden lässt.
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