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Der Missmut der Ärzteschaft ist berechtigt. Sie sind zusammen mit den Patienten die Leidtragenden von 20 Jahren Stillstand in der Südtiroler Sanität. Computersysteme die untereinander nicht komunizieren, reduzierte Untersuchungszeiten, Personalmangel und die ständige Angst auf Schadenersatz verklagt zu werden (es gibt ja mittlerweile spezialisierte Kanzleien die darauf aus sind das Sanitätssystem auf jeglicher Art und Weise zu schröpfen). Nicht zu vergessen die steigende verbale wenn nicht sogar physische Gewalt von Seiten der Patienten oder derer Verwandten, die ja dank Dr. Google alles besser wissen und genau so wollen...
Kritik ist ja schön und gut, aber man sollte sich ein bisschen mit dem Thema auseinandersetzt bevor man ein Urteil fällt...
Was hat das alles bitte mit der Aufklärung von Patienten über ihre Rechte zu tun? Das eine hat mit dem anderen nicht zu tun. Es ist doch endlich Zeit dass Ärzte sich diese paternalistische Haltung abgewöhnen und nicht gleich irritiert sind, wenn man einmal nachfragt, weil schlecht und unschlüssig erklärt wurde.
Die Kritik betrifft weniger den Innhalt aber mehr die Form und die Art und Weise...
Oder stellen Sie sich mal vor was passieren würde wenn an den Schulen eine Broschüre über Kindesmissbrauch ausgeteilt würde die auf der Cover die Karikatur eines Lehrer drauf hätte der einer Schülerin unterm Rock schaut...
Erwachsenen kann man - im Unterschied zu Kindern - eine satirische Karikatur zutrauen! Das Problem haben aber nicht die Angesprochenen, sondern die Mimosen in Weis.
“eines Lehrer drauf hätte der einer Schülerin unterm Rock schaut...”
Oder eines Priesters...
Danke Christoph Franceschini für diese klaren Worte! Besser hätte man das nicht formulieren können. Der mündige Patient ist in Südtirol wohl noch ein Fremdwort. Man hat schon einmal die Initiative für eine Patientenanwaltschaft verhindert und eine Minimallösung gefunden, indem der Volksanwaltschaft einen begrenzten Zusatz-Auftrag erteilt wurde.
Als vor ca sechs Wochen die Ärzte ihren Dienst verweigern wollten, weil sie riskierten für fahrlässige Fehler nicht mehr versichert zu sein, da dachte ich mir: ja sind denn fahrlässige Fehler so etwas Alltägliches, dass man nicht ein paar Tage oder eine Woche unversichert arbeiten könnte?! Warum hat die Presse und die Politik nicht die Veröffentlichung einer Statistik gefordert, wo aufgelistet wird, um welche Fehler es sich handelt? wer einen Schadenersatz eingeklagt hat und in wie vielen Fällen, die Versicherung hat bezahlen müssen?
Welche andere Berufsgruppe ist vom Arbeitgeber gegen Schadensersatz bei fahrlässigen Fehlern versichert?
Sehr guter und couragierter Artikel, Franceschini! Kompliment. Allerdings nicht ganz ungefährlich.
Ich wünsche ihnen Gesundheit und hoffentlich keinen Arztbesuch in absehbarer Zeit!
Ein Arzt hat mir mal gesagt: „Wenn jemand meint er sei gesund, ist es nur weil er nicht genügend Untersuchungen gemacht hat“.
Die Kritik von Franceschini ist berechtigt. Generell herrscht in der Ärzteschaft oft große Skepsis, was die Judikative angeht - um es mal neutral auszudrücken. Bereits im Studium wird uns eingetrichtert, dass die Anwälte die Bösen sind. Das hat viele negative Folgen:
Dies führt zu Defensiv-Medizin: Der Arzt macht nicht mehr das, was er für vernünftig hält und was z.B. auch durch Leitlinien gedeckt ist, sondern er sichert sich ab. Beispiel: Ein junger Mensch fällt auf den Kopf und hat nach klinischer Untersuchung eigentlich keine Hinweise auf ein gröberes Schädel-Hirn-Trauma. Eigentlich liegt es dann im Ermessen des Arztes zu entscheiden, ob er den Patienten der Strahlung eines CT aussetzt und damit z.B. die Trübung der Augenlinse beschleunigt und das Krebsrisiko erhöht oder nicht.
Aus Angst vor einem Prozess wird aber öfter untersucht - oft unnötig. Dadurch entstehen Strahlenbelastung, Wartezeiten und Kosten. Aber man hat das Gefühl vor einem Prozess sicher zu sein. Außerdem muss man den Patienten dann nicht mehr gscheid untersuchen. Warum ins Ohr schauen und nach einem Hämatotympanon schauen, wenn man den Patienten genau so gut in die Röhre schieben kann?
Behandlungsfehler passieren. Die meisten davon bleiben ohne Folgen und man muss auch sagen, dass der Begriff "Behandlungsfehler" sehr weit gestreut ist. Aus Angst vor Prozessen werden solche Dinge aber oft nicht gut kommuniziert. Nehmen wir ein Beispiel: Ein Patient bekommt drei Tage lang ein Antibiotikum, das nicht gut wirkt. Es gibt seit diesen drei Tagen bereits ein Antibiogramm, das zeigt, dass die Keime des Patienten gut auf ein anderes Antibiotikum ansprechen würden. Aus irgend einem Grund wurde der Befund aber erst so spät gesehen. Richtig wäre es, dies zu kommunizieren. Aus Angst vor einem Prozess wird das aber einfach verschwiegen. Es ist natürlich kein lebensbedrohlicher Fehler oder Fehler, der mit langfristigen Konsequenzen einhergeht, sondern "nur" die Therapieddauer verlängert. Doch das ist trotzdem etwas, das nicht passieren darf.
Das sind jetzt nur zwei Beispiele, die zeigen sollen wie eine zu große Distanz zwischen Ärzten und Anwälten die Behandlungsqualität negativ statt positiv beeinflusst.
Insofern ist Ivano Simionis Kritikpunkt, dass man die Ärzte bei der Erstellung einer solchen Broschüre miteinbeziehen hätte müssen durchaus richtig! Als Arzt fühlt man sich da oft alleingelassen. Die Arbeit ist oft stressig und wenn ein Arzt sagt, er hat noch nie einen "Fehler" gemacht, lügt er oder ist so dumm, dass er seine Fehler nicht erkannt hat. Theoretisch ist es ja sogar ein "Fehler", wenn man einen Patienten mit Rückenschmerzen ohne Warnsymptome sofort zum Röntgen schickt, da sich dies durch Somatisierung negativ auf den Behandlungserfolg auswirken kann.
Viele Magenspiegelungen werden trotz fehlender Indikation durchgeführt. Rechtlich betrachtet ist das auch ein Fehler. Es gibt keine "Vorsorgemagenspiegelung". Magenspiegelungen sind nur bei (Magen-)Beschwerden indiziert. Deswegen ist die Angst in der Ärzteschaft so groß: Man weiß genau, dass es im Zweifelsfall bei Jedem etwas gibt, das man finden kann.
Der Staatsanwalt hat monatelang Zeit, sich alle Patientendokumente anzuschauen - der Arzt hat dazu oft weniger als eine Stunde Zeit. Stellen wir uns vor es kommt ein kaltschweißiger, schlecht ansprechbarer Diabetiker in die Ambulanz. Sein Herz rast. Er hat einen zu niedrigen Blutzucker. Was liegt nahe: Wir verabreichen ihm Glucose-Lösung. Schon ist der Kunstfehler passiert. Was ist, wenn wir nicht wissen, dass der Patient ein bekannter Alkoholiker ist? In der Ambulanz war er zwar nüchtern, aber im Arztbrief von vor drei Jahren steht noch Alkoholismus als Diagnose drinnen. Ein Arzt der den Patienten später behandelte, hat diese Diagnose aber nicht übernommen, da er dachte, diese Diagnose macht sich nicht gut auf dem Arztbrief. Was ist das Problem? Alkoholikern sollte man Glucose nur in Kombination mit Vitamin B verabreichen, denn ohne zusätzliche Gabe von Vitamin-B könnte es in seltenen Fällen zu einer Enzephalopathie kommen. So schnell ist man als Arzt mit einem Bein im Hefn oder zumindest auf der Anklagebank. Der Staatsanwalt kann einen vor Gericht gnadenlos aufmachen. Zeitdruck, vom Vorgängerarzt unvollständig geschriebene Arztbriefe etc. zählen nicht als Ausrede. Und wer steht dann hinter dem Arzt, wenn er vorm Richter steht?
Niemand. Und schon ist aus dem aufstrebenden, jungen, talentierten Arzt ein Kurpfuscher geworden, dem niemand mehr über den Weg traut. Vielleicht wird er dann ja selbst zum Alkoholiker, sodass sich der Kreis schließt...
Daher wäre es wichtig, hier mehr Klarheit zu schaffen - auch für Ärzte. Diese sollten miteinbezogen werden, wenn es einem wirklich um die Erhöhung der Versorgungsqualität für die Patienten geht.
Sehr gute Darstellungen.
Ich selbst wurde von Ärzten behandelt, schon die Diagnose war schwierig und der Eingriff brachte neue Überraschungen.
Irgendwann traten Probleme auf; du musst mental mitarbeiten und gesund werden wollen sonst helfen unsere gesamten Bemühungen nichts. Ich entgegnete, mein lieber Primar, am Ende der eigenen Fähigkeiten könnte man auch Größe dadurch zeigen, fähigere Kapazitäten mit meinem Fall zu beauftragen. Wenn du hier kein Vertrauen hast wende dich an Ärzte deines Vertrauens , hier trage ich die Verantwortung und bestimme ich das Tun. Na dann mach mal und sollte ich wegen dir jetzt gleich sterben, ich werde jede Nacht zurückkommen und deine Zehen zwicken.
Nach unzähligen Untersuchungen und Hinzuziehen von anderen Ärzten wurde das Problem erkannt und durch Noteingriff korrigiert.
Nach einigen Monaten erfuhr ich auf Umwegen, dass es sich um einen ärztlichen Fehler handelte der beim ersten Eingriff geschah. Ich habe mir die gesamten Aufzeichnungen angesehen und hab es dabei belassen. Ich bin nochmals gut davongekommen, man lebt nur einmal.
Und die Ärzte , die arbeiten weiter.
( bei mir giggern sie aber nimmer auf)
Selbige Ärzteschaft hat es auch verbrochen, einen Generaldirektor, der auch für mehr Korrektheit und Transparenz sorgen wollte, mittels eines Alibiaufruhrs wegen einer Versicherung zu Fall zu bringen. Wer ist denn nun die Zielscheibe der ehrenwerten Ärztegesellschaft, nachdem man einen Sündenbock bereits aus dem Weg geräumt hat?
Wachsender Fachkräftemangel und zunehmende Defensivmedizin sind das Ergebnis solcher Polemiken.
Das Beispiel mit der Broschüre über Kindesmissbrauch an Schulen finde ich sehr gelungen.