Stellen Sie sich vor, Ihr Mobiltelefon vibriert in Ihrer Hosentasche. Sie ziehen es raus, öffnen die Kurznachricht Ihres Sohnes und sehen sich mit folgender Fragestellung konfrontiert: “Wos geat? Hosch drweil?”. Mal ganz ehrlich, würde Ihnen jetzt eine passende Antwort in den Sinn kommen? Könnten Sie ohne weiteres einfach so zurückschreiben? Im Dialekt? Seien Sie nicht besorgt, viele Erwachsene begeben sich auf unbekanntes Terrain, wenn sie per SMS mit Jugendlichen im Dialekt kommunizieren. Denn die sind darin einfach geübter und verfügen über einen ausgeprägteren Wortschatz. „Das hat einfach mit dem Erwachsenwerden zu tun,” sagt Sprachforscherin Stefanie Risse, „Junge grenzen sich halt von den Alten ab. Das geschieht über Kleidung, Musik und eben auch durch Sprache". Dabei handelt es sich aber nicht um ein Phänomen der Neuzeit,” erklärt sie, „bereits Aristoteles beschreibt das Auftreten eigener Sprechweisen in der jugendlichen Phase”. Ein Zeichen unserer Zeit sei aber die Tatsache, dass Jugendliche sehr automatisiert im Dialekt schreiben könnten, ergänzt Risse. „Wenn Sie einen 60-Jährigen aufforden, etwas im Dialekt aufzusetzen, dann kann er das nicht, auch wenn er im Dialekt spricht. Ihm fehlt einfach die Automatisierung", weiß die Sprachforscherin. Sehr interessant zu beobachten sei zum Beispiel der Generationenbruch bei Zeitungsanzeigen. „Die Glückwünsche zur Goldenen Hochzeit von Oma und Opa sind noch in Standarddeutsch verfasst, die Freunde gratulieren zur bestandenen Matura hingegen schon im Dialekt", erzählt Risse.
Individuell und schick
Bei der deutschen Sprachgruppe in Südtirol wird der größte Teil der mündlichen Kommunikation im Dialekt abgewickelt. Das war schon immer so. In der Jugend stand man dem Dialekt aber oft kritisch gegenüber. „Ich glaube nicht, dass in den 50er und 60er Jahren der Dialekt bei den Jugendlichen, die sich abgrenzen wollten, besonders hipp war. Die 68er Bewegung, die es zum Teil auch in Südtirol gab, hat mit Sicherheit nicht im Dialekt gesprochen,” sagt Stefanie Risse. Mittlerweile würde Suedtirols Nachwuchs aber vermehrt auf den Dialekt setzen, besonders beim Chatten und Texten. „Auch in stark dialektgeprägten Gebieten wie der Schweiz konnte man anhand gesammelter SMS-Daten und untersuchter Chatkanäle feststellen, dass sich ein Trend abzeichnet,” berichtet Risse. “In Deutschland allerdings,” fügt sie hinzu, „verhalten sich Jugendliche komplett anders.” In Baden Württemberg zum Beispiel versuche man den “unschicken” Dialekt zu vermeiden und setze lieber auf Wörter aus dem Türkischen und aus anderen bekannten Sprachen. „Bei solchen Entwicklungen muss man aber vorsichtig sein. Während es in der Jugend oft zu Sprachänderungen kommt, nähert man sich im höheren Alter wieder dem Standarddeutschem“, so die Sprachforscherin. Deswegen würde sie noch von keiner Gefahr für die Schriftsprache sprechen. Ein weiterer interessanter Punkt sei die Individualität der gebrauchten Wörter im Dialekt. „Wir haben keine einheitliche Verschriftlichungsform, deswegen gibt es sehr unterschiedliche Schreibweisen: Der eine schreibt das Wort "jetzt" im Dialekt "i - a - t - z", der andere wiederum "j - e - z". Es gibt einfach keinen Duden für den Dialekt", berichtet Risse, “weil es eben keine kodifizierte Form gibt, ist das Ganze sehr schwer zu beschreiben”.
Schwieriger als früher
Bei den Deutschsprachigen ist der Dialekt also beliebt wie noch nie. Was bedeutet das aber für die zweite große Sprachgruppe im Land, die Italiener? „Italiener mussten in Südtirol immer schon mit dem Dialekt leben, dieser war auch schon immer sehr präsent. Allerdings kann ich aufgrund meiner Forschung bestätigen, dass in vielen Bereichen, in denen früher ausschließlich Standarddeutsch gesprochen wurde, heutzutage mehr Dialekt gesprochen wird“, behauptet Stefanie Risse. Davon betroffen seien Behörden, Institutionen, der Arztbesuch und sogar Rundfunk und Fernsehen. Insofern sei es für Italiener unter Umständen ein bisschen schwieriger als früher. Wie die Sprech- und Schreibweise der Heranwachsenden sich in den nächsten Jahrzehnten verändert wird, könne man noch nicht abschätzen. Untersuchungen dazu seien meist zu aufwendig. Nichtsdestotrotz gewähre ich denjenigen, die sich immer noch mit der anfänglichen Denkaufgabe befassen, einen kleinen Tipp: Ein simples "Na" reicht schon.
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