Vielleicht muss man an dieser Stelle an den ursprünglichen Zweck dieses bestätigenden Referendums erinnern, das nur - und zwar ohne Quorum - gegen die Landesgesetze zum Wahlrecht und zur direkten Demokratie ausgeübt werden kann. Mindestens 8.000 Bürger oder sieben Landtagsabgeordnete können es verlangen. Es ist ein klassisches Abwehrrecht der Bürger oder der Opposition im gesetzgebenden Organ, das sich genauso in der italienischen Verfassung für die Verfassungsänderungen findet. Eine Mindestzahl von Regionen, Parlamentariern oder Bürgern kann bei ohne Zwei-Drittel-Mehrheit erfolgten Verfassungsänderungen dieses Referendum verlangen. Dies war in Italien 2001 und 2006 der Fall.
Genauso soll auf Landesebene dieses Instrument den Bürgern oder Oppositionsparteien eine Art Veto-Recht zur Hand geben, wenn sie sich von der Regierungsmehrheit überrumpelt fühlen. Dies ist beim Bürgerbeteiligungsgesetz der SVP zum ersten Mal der Fall. Ein unzureichendes Gesetzeswerk, gegen das die Initiative für mehr Demokratie im Sommer über 10.000 Unterschriften gesammelt hat, wird ein Veto eingelegt. Somit muss es im Jänner 2013 zur Volksabstimmung kommen, dem Konsenstest.
Wenn die SVP den Willen der Bevölkerung zu ihrem Entwurf erkunden hätte wollen, hätte sie eine passendere Möglichkeit gehabt. Denn das geltende Gesetz zur direkten Demokratie aus 2005 (das neue ist noch nicht in Kraft) bietet zu diesem Zweck die sog. beratende Volksabstimmung zu Gesetzentwürfen des Landtags (Art. 16, Abs.1, des LG Nr. 11/2005). Die SVP hat aber ihr Gesetz mit ihren 18 Stimmen durchgedrückt mit der Begründung, es sei das zweitbeste Gesetz Europas zur direkten Demokratie. Dennoch will sie selbst ein Referendum darüber.
Diese plötzliche Abstimmungsfreundlichkeit steht in krassem Gegensatz zu ihrer bisherigen Linie. Nur zur Erinnerung: Obwohl das Autonomiestatut die Bürgerbeteiligung seit 2001 verlangt, hat die SVP erst 2005 nach viel Druck von unten einem ziemlich unzureichenden Gesetz zugestimmt. Die Reform der direkten Demokratie im Sinne der Bürgerinitiativen hat sie jahrelang abgelehnt. Vor der Volksabstimmung 2009 hat sie den Südtirolern das Recht bestritten, überhaupt über die Regeln der Bürgerbeteiligung abstimmen zu dürfen. Dem neuen Volksbegehren 2011 hat sie gar nicht Rechnung getragen. Den Vorschlag der INITIATIVE, eine bessere Form der Volksinitiative einzuführen, um die Bürger zwischen einer Landtagsvorlage und einer Bürgervorlage entscheiden zu lassen, hat sie abgelehnt. Im neuen, im Juni 2013 verabschiedeten Gesetz wird das bestätigende Referendum als Beteiligungsrecht überhaupt ignoriert. Im Gegenteil: Volksinitiativen zu den Regeln der Demokratie werden gar ausdrücklich ausgeschlossen. Seltsam ist schließlich, dass die SVP das Veto-Referendum erst vorgestern beantragt hat, als vor Tagen feststand, dass die INITIATIVE die nötigen Unterschriften gesammelt hat. Die Bürger können sich darauf einen Reim machen.
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