Seien wir ehrlich: Wir wissen, dass diese "Tragödie von Lampedusa" nur eine Episode des Horrorszenarios ist, das sich im Mittelmeer abspielt. Täglich sterben Menschen im Mittelmeer, beim Versuch, nach Europa zu gelangen, fernab jeglichen Medieninteresses. 1500 sollen es vor zwei Jahren gewesen sein: Eine Randnotiz in den Zeitungen.
Jetzt wird wieder über die unverantwortlichen Schlepper geschumpfen. Und ein bisschen schuld sind die EinwandererInnen auch selbst, was nehmen sie auch diese brüchigen Boote, oder bleiben nicht frisch dahuam. Ich muss widersprechen: Die Schuldigen sitzen in Brüssel.
Seit Jahren sind die europäischen Grenzen dicht, befindet sich die EU im Krieg mit jenen, die versuchen, hereinzukommen. Hat sie eine legale Einreise de facto abgeschafft, macht Deals mit Diktatoren, die die armen Teufel schon in Nordafrika abfangen und einsperren. Unterhält sich mit Frontex einen gewaltig hochgerüsteten Militärapparat, um die Grenzen vor den Menschen zu schützen. Muss noch erwähnt werden, dass Italien jene Kapitäne vors Gericht gezerrt hat, quasi als Exempel, die den Ertrinkenden zu Hilfe geeilt sind? Tatsache ist: Die EU ist voll verantwortlich.
Wer die Augen vor all dem verschließt, sollte schweigen über die Toten in Lampedusa. Er macht sich mitschuldig, dass es so weitergeht, wie es ist. "Europa muß Zeugnis ablegen und handeln.", schreibt ein aus vollstem Herzen empörter Alexander Langer kurz vor seinem Tod. Seine Anteilnahme ist aufrichtig und voll im Angesicht der Untätigkeit der EU im Jugoslawienkrieg. Dasselbe gilt heute für die Tragödie im Mittelmeer. Die Komplizenschaft mit dem Sterben lassen beginnt mit einer Stimme für die Rechtspopulisten, die die Grenzzäune noch höher sehen wollen. Tatsache ist: Europa stirbt oder wird wiedergeboren in Lampedusa.
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foto ANSA
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