Dieser Tage erlebt der gruppendynamische Prozess „Friedensverhandlungen im Nahen Osten“ eine Neuauflage. Diplomaten reisen hin und her, geben Erklärungen ab, pendeln (siehe John Kerry) zwischen Verhandlungspartnern, berichten von Fortschritten und Rückfällen. Die beiden Seiten machen gute Miene zum bösen Spiel und bedienen sich aus der Mottenkiste, die für solche Gelegenheiten Altbewährtes konserviert: Appelle an die Weltöffentlichkeit, gegenseitige Schuldzuweisungen, Forderungen, rote Linien, Pokerkniffe vom Bluff bis zum Kartenoffenlegen.
Begleitet wird all dies von anschwellendem Medienecho, Berichten, Mutmaßungen, Spekulationen („kann es diesmal klappen?“). Es ist ein ganzes Genre der Auslandsberichterstattung; dabei geht es weniger darum, was derzeit konkret passiert, als um Altbewährtes (so ein kleines Land, mit so einer langen Geschichte, so viele Religionen, Fundamentalismen, etc etc).
Dabei kann leicht untergehen: Es spricht nichts dafür, dass die Verhandlungen diesmal erfolgreich zu Frieden führen werden. Die von Premier Netanyahu geführte israelische Regierung ist noch weniger als ihre Vorgängerregierungen dazu geneigt, größere Zugeständnisse zu machen (Anerkennung der Grenzen von vor 1967); sie erhebt weitreichendere Forderungen als frühere Regierungen (Anerkennung Israels als jüdischen Staat). Der palästinensische Präsident Mahmud Abbas hat weniger Rückhalt und Zustimmung in der palästinensischen Bevölkerung als sein Vorgänger Yassir Arafat, er hat sich weniger dadurch hervorgetan, eine Vision davon zu entwickeln, zu vertreten und dafür zu werben, wie die palästinensische Zwangslage sich durch politische Schritte zum Besseren ändern könnte.
Dass zumindest der Anschein von Bewegung entsteht, verdankt sich allein den Bemühungen des US-amerikanischen Außenministers John Kerry: Er ist erst seit einem Jahr im Amt, wird nur eine Amtsperiode haben und will es zumindest versucht haben. Und er hat seine Ansprüche der verfahrenen Situation angepasst: Es gibt derzeit keine echten Verhandlungen, es gibt keine Road Map, sondern Ziel ist einzig und allein, eine Einigung über den Rahmen zu erzielen („Framework“), in dem dann später Verhandlungen stattfinden könnten. Die beiden Seiten diskutieren über die Spielregeln und Zielsetzungen der erst noch folgenden Diskussion, bis heute mit mäßigem Erfolg.
Dabei schwimmen beiden gewissermaßen die Felle davon: Die Zeit spielt gegen eine Zwei-Staaten-Lösung, da die Siedlungen sich vervielfachen und den erst noch zu schaffenden palästinenschen Staat schon durchlöchern wie einen Schweizer-Käse. Es gibt bereits Stimmen, selbst in der israelischen Regierung, die ein Ende der Besatzung des Westjordanlands für eine Illusion halten, weil sowohl die Außengrenzen drumherum als auch die Siedlungen mittendrin militärisch verteidigt werden müssten und so gar kein souveräner Staat entstehen könne.
Das politische Gewicht der Siedlerbewegung nimmt stetig zu, sie war einer der Gewinner der letzen israelischen Wahlen. Auf der anderen Seite nimmt die Zustimmung zu Abbas‘ fortwährendem Wirken immer mehr ab; und gar manche mutmaßen schon vom möglichen Ausbruch einer neuen, dritten Intifada, sowohl gegen die Israelische Besatzung als auch gegen die untätige Palästinensische Autonomiebehörde gerichtet. Die Hälfte der Palästinenser sind Jugendliche unter 24 Jahren, und Abbas – dem noch dazu jedes Charisma abgeht, aber der sich immer wieder ungeschickt hervortut, den Amerikanern oder auch Israelis gefallen zu wollen, – hat nichts erreicht, das ihre Lebensbedingungen verbessert hätte: Weder die Arbeitslosigkeit, noch die tägliche Schikanen der militärischen Besatzung, die ungesühnten Übergriffe durch die Siedler, die von der israelischen Armee verteidigt werden, die langen Gefängnisstrafen für Steinewerfer, Kinder oder Erwachsense.
Währenddessen verschärft sich das Ungleichgewicht, das den Nahostkonflikt seit jeher bestimmt: Während die Palästinenser zu schwach sind, ihre Forderungen durchzusetzen, sind die Israelis (auch wegen der Unterstützung durch die USA) zu stark, um wirkliche Zugeständnisse machen zu müssen.
Kann es diesmal was werden?
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