Die Weltwirtschaft verbraucht jährlich über 100 Milliarden Tonnen an Material, doch nur 7,2% dieser Stoffe werden rezykliert. Der Rest wird entsorgt. Bis 2050 soll sich dieser gewaltige Stoffdurchsatz nochmals verdoppeln. Mehr Kreislaufwirtschaft ist deshalb unaufschiebbar, um die Extraktion von Rohstoffen zu bremsen und die Erderwärmung bei maximal 2° C zu deckeln. Einen wichtigen Beitrag dazu leistet Italien, das europaweit beste Ergebnisse im Recycling erzielt, wie aus dem letzten „Bericht zur Kreislaufwirtschaft in Italien 2023“ hervorgeht.
Italien rezykliert mehr als der EU-Durchschnitt
Der Anteil von rezyklierten Stoffen am gesamten Materialeinsatz liegt in Italien mit 18,4% deutlich höher als der EU-Durchschnitt (11,7%). 72% des Abfalls sind in Italien im Jahr 2020 rezykliert worden, während diese Quote in der EU allgemein nur 53% erreicht. Pro Einwohner werden in Italien jährlich 969 kg rezykliert, in Deutschland 921 kg, in Frankreich nur 625 kg und in Spanien gar nur die Hälfte mit 472 kg pro Kopf. Italien erzielte 2022 Spitzenwerte beim Rezyklieren von Rohstoffen. Hier einige Beispiele:
- 83% bei Papier und Karton
- 71% beim Glas
- 56% beim Plastik (EU-Ziel von 55% schon übertroffen)
- 68% beim Aluminium
- 78% beim Stahl (hier ist Italien weltweit führend)
- 65% beim Holz (Sperrholz)
Insgesamt hat Italien in den letzten Jahren in der Kreislaufwirtschaft gewaltige Fortschritte gemacht. Gingen 1997 noch 80% der Materialien auf die Deponie, waren es 2022 nur mehr 20%, beim Verpackungsmaterial nur mehr 17%, bei den Sonderabfällen werden nur mehr knapp 30% entsorgt.
Auch bei der Ressourcenproduktivität liegt Italien vorn. Dieses Maß gibt an, wieviel eine Wirtschaft aus einem Kilo an eingesetzten Stoffen an BIP in Euro „herausholt“. Mit jedem Kilo an verbrauchten Ressourcen werden in Italien 3,19 Euro an BIP erzeugt, ein Spitzenwert im EU-Vergleich. Beim Anteil der Erneuerbaren Energien am gesamten Energieverbrauch liegt Italien mit 20,4% (2020) allerdings nur im Mittelfeld hinter Spanien (21,2%) und vor Deutschland (19,3%). Alle großen EU-Mitgliedsländer sind noch weit von der EU-Vorgabe für 2030 von 32% Erneuerbare entfernt. Interessant auch die Bedeutung der Reparaturleistungen. In Italien gab es 2020 24.000 Reparaturbetriebe, womit das Land den dritten Platz hinter Frankreich und Spanien hält. Schlecht schneidet Italien hingegen beim Bodenverbrauch ab: bereits 7,1% der gesamten Landesfläche sind hier versiegelt, in Deutschland sind es sogar 7,6%, mit immer noch steigender Tendenz.
In der Gesamtwertung der Kreislaufwirtschaft der fünf wichtigsten Volkswirtschaften der EU (Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und Polen) ist Italien nach wie vor führend, auch wenn Spanien derzeit rasch aufholt.
Mehr Förderung für die Kreislaufwirtschaft
„In einer Zeit mit hoher Inflationsrate und steigenden Rohstoffkosten ist die Kreislaufwirtschaft eine konkrete Antwort auf die Krise,“ unterstrich Edo Ronchi, Präsident dieses Netzwerks und der Fondazione per lo Sviluppo Sostenibile bei der Vorstellung dieses Berichts im Mai 2023 in Rom. Die Krisen der letzten Jahre hätten bestätigt, so Ronchi, früherer Umweltminister und „Vater“ des Staatsgesetzes zur Abfallbewirtschaftung von 1997, wie wichtig es für die rohstoffarmen Länder Europas ist, immer mehr Rohstoffe zu rezyklieren. Die EU hat nicht zufällig einen eigenen Plan für die Kreislaufwirtschaft als Grundlage für eine Reihe von Verordnungen zu Einzelbereichen aufgelegt. Dabei ging es zuletzt um das Verpackungsmaterial, um die Reparaturwirtschaft, die Wiedergewinnung von Textilien und Baustoffen, und eine Verordnung zu den „kritischen Rohstoffen“.
„Italien importiert über 99% der kritischen Rohstoffe und ist damit noch stärker vom Ausland abhängig als Europa“, sagte Roberto Morabito, Direktor der ENEA-Abteilung für Nachhaltigkeit von Produktions- und Territorialsystemen bei der Vorstellung des Jahresberichts, „Kritische Rohstoffe sind von grundlegender Bedeutung für die Hightech-Lieferketten, die am engsten mit der Energiewende, der Kreislaufwirtschaft, der digitalen Transformation und der Lebensqualität im Allgemeinen verbunden sind. Infolge der Notlagen der letzten Jahre ist die weltweite Nachfrage nach Rohstoffen stark gestiegen, ebenso deren Preise. Das lässt wiederum des Versorgungsrisiko steigen und gefährdet die Wettbewerbsfähigkeit unserer Produktionsketten. Diese machen über 30% des italienischen BIP aus.“
Deshalb hat sich Italien seinerseits eine „Nationale Strategie für die Kreislaufwirtschaft“ gegeben, die jetzt konsequent umgesetzt werden muss, genauso wie das staatliche Abfallwirtschaftsprogramm. Noch stark ausbaufähig seien die Förderprogramme für die Unternehmen. Nicht weniger als 4.077 italienische Unternehmen mit über 36.000 Beschäftigten und über 5 Mrd. Euro Umsatz haben sich ganz aufs Rezyklieren spezialisiert und sind technologisch oft führend in Europa. Die Unternehmen der Kreislaufwirtschaft und Reparaturbetriebe müssten steuerlich stärker entlastet werden, betonte auch Edo Ronchi, klimaschädliche Subventionen sollten im Gegenzug abgebaut werden. Vor allem bei den strategisch wichtigen Rohstoffen wie z.B. den seltenen Metallen müsse viel mehr rezykliert werden, um sich von unsicheren Rohstoffproduzenten und volatilen Weltmarktpreisen unabhängiger zu machen. In der anstehenden „Materialwende“ bieten sich gerade für Italien neue Chancen.
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Recyclieren würde heißen, dass der Rohstoff wieder in den Stoffkreislauf zurückgeführt wird.
Bei den "56% beim Plastik" bezweifle ich, dass es wirkliches Recycling ist oder nur getrennte Sammlung mit nachträglicher Verbrennung.
Lese immer wieder gerne Ihre Berichte; Infos, die man nicht oft serviert bekommt.