"Das wäre, als würde man Jesus aus der Kirche ausschließen", empört sich der ehemalige Fraktionssprecher Achille Regazzoni. Doch in der Lega Nord hängt der Haussegen so schief, daß auch der Rauswurf des Parteigründers Umberto Bossi kein Tabu mehr darstellt. Die Demütigung der Partei in ihrer Hochburg Treviso und die Niederlage in allen zehn Stichwahlen im Veneto und in der Lombardei haben die internen Zwistigkeiten dramatisch verschärft. Die Partei hatte bereits bei den Parlamentswahlen im Februar die Hälfte ihrer Stimmen eingebüßt. Nur die Bürgerlisten von Parteichef Roberto Maroni und Flavio Tosi konnten sich retten. "Warum sollten die Leute uns auch wählen? Was haben wir denn anzubieten?", übt Manuela dal Lago Selbskritik. Die Spitzenkandidatin von Vicenza wurde vernichtend geschlagen, obwohl sie zum Urgestein der Lega gehört. "Wir haben jahrelang von Föderalismus und Reformen gesprochen und nichts erreicht", gesteht Tosi. Doch den Niedergang der Partei hat vor allem ihr Gründer Umberto Bossi zu verantworten, ein rüder Provinzler, der sich über Jahre in Brachialrhetorik übte, mit populistischen Sprüchen hausierte, die Sezession versprach und von einem inexistenten Padanien schwärmte. Der von den italienischen Medien maßlos überschätzte Senatúr war nicht nur politisch ein Bluffer. Als seine erste Frau Gigliola Guidali entdeckte, daß ihr Mann gar nicht Arzt war und tagtäglich gar nicht ins Krankenhaus zur Arbeit ging, ließ sie sich umgehend scheiden : "Era bugiardo e fannullone. Uno che a 35 anni non aveva mai lavorato, si faceva mantenere dai genitori e mi raccontó una clamorosa bugia, facendomi credere che si era laureato." Bossi war zweifellos einer der schlechtesten Minister in der Geschichte der Republik, der kein einziges seiner Wahlversprechen verwirklichen konnte. Der Parteigründer, der zur Glanzzeit der Lega über eine 180 Mann starke Parlamentariertruppe verfügte, räumte im Lauf der Jahre alle Konkurrenten aus dem Weg, darunter alle Mitbegründer der Partei. Nach bestem christdemokratischen Vorbild hievte er seinen unbedarften Sohn Renzo in den lombardischen Regionalrat. Daß Bossi über einen schmierigen Finanzskandal stolperte, löste bei seinen Anhängern Entsetzen und Ernüchterung aus. Seine beiden Söhne bedienten sich aus der Parteikasse, der skrupellose Schatzmeister Francesco Belsito befindet sich in Haft. Sein Vorgänger Piergiorgio Stiffoni wurde unlängst wegen Unterschlagung zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. Im Regionalrat der Lombardei und Piemonts laufen gegen zahlreiche Lega-Abgeordnete Verfahren wegen Unterschlagung öffentlicher Gelder. Der Lega-Gründer erhält von seiner Partei jährlich noch immer 800.000 Euro für Sekretariat, Fahrer und weitere Spesen - eine Art Apanage, die Maroni seinem Widersacher nun streichen will. Bossis pathetischer Versuch, an die Parteispitze zurückzukehren, Maronis Drohung mit dem Parteiausschluß und der Versuch rabiater Bossi-Anhänger, Maroni in einem Gerichtsverfahren wegen Verletzung der Statuten verurteilen zu lassen, sind die wohl letzten Scharmützel in einer Partei, die schon längst keine zugkräftigen Inhalte anzubieten hat und von der viele Wähler zur Fünfsterne-Bewegung abgewandert sind. Daß Politik auch dort in Parteiausschlüssen mündet, ist freilich eine Ironie des Schicksals.
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