Die Entscheidung selbst hat das von der Mehrheit favorisierte Projekt gekippt, aber der konkrete, mehrheitsfähige Gegenvorschlag ist nicht zum Ausdruck gekommen. Jetzt schimpfen manche auf die direkte Demokratie oder wollen sie gar einschränken (vgl. die SWZ), wirklich gefragt sind allerdings zweckgerechte Verfahren und bessere Regeln.
Bei strittigen Fragen der Stadtentwicklung und Infrastrukturprojekten werden immer mehr deliberative Verfahren eingesetzt, also Verfahren, die zu keiner Entscheidung führen, sondern die Bürger systematisch in die Entscheidungsvorbereitung einbeziehen. Dies beginnt mit öffentlichen Anhörungen (istruttoria pubblica, in Bozens Satzung vorhanden), über die öffentliche Debatte bis hin zu repräsentativen Bürgerbefragungen und dem sog. Bürgergutachten. Bei diesem in Deutschland gut 30 Mal bei kommunalen Planungsvorhaben erfolgreich eingesetzten Verfahren werden 25 Bürger nach Zufallsverfahren ausgewählt, für eine Woche freigestellt, um mit Unterstützung von Fachleuten Lösungsvorschläge zu erarbeiten (Näheres dazu in einer neuen POLITiS-Publikation).
In der Regel werden solche Projekte vom Gemeindeausschuss erstellt und vom Gemeinderat diskutiert. Will die Bürgerschaft selbst über Derartiges entscheiden, braucht sie beide zentralen Instrumente direkter Demokratie: das Vetorecht (Referendum) und das Vorschlagsrecht (Initiative). In beiden Fällen kann über Gegenvorschläge gleichzeitig abgestimmt werden. Beim bestätigenden Referendum können die Promotoren einen „Gegenvorschlag der Bürger“ einbringen (vgl. das Statut der Stadt Zürich). Bei der Volksinitiative kann der Gemeinderat mehrheitlich einen Gegenvorschlag einbringen. In der Regel sollte die Initiative den Bürgern vorbehalten sein, denn der Gemeinderat hat andere Mittel. Die Gemeinde Mals hat beide Instrumente in ihrem Statut verankert (Art.40, Abs.5).
In Brixen war die Situation unklar. Die Gemeinderatsmehrheit stellte ihr Projekt (Überspannseilbahn) zur Abstimmung, brachte selbst den Alternativvorschlag (Ausbau der Busverbindung) ein, um die Überspann-Gegner auseinanderzudividieren. Das war keine faire Vorgangsweise, zumal vorher eine echte Volksinitiative wegen terminologischer Probleme vereitelt worden war. Eine Initiative des Gemeinderats sollte die absolute Ausnahme sein, jene der Bürgerinnen hingegen erleichtert werden. Die Bürger brauchen das bestätigende Referendum, um Projekte verhindern zu können, gekoppelt mit einem Gegenvorschlag, den die Promotoren selbst vorlegen können sollen. Wenn die Volksrechte bürgerfreundlich geregelt sind, wird die politische Mehrheit im Vorfeld mehr auf den Konsens für ihre Großvorhaben und Projekte achten, wissend, dass die Gegner das Referendum ergreifen können.
Diese Verfahren gehören in einer modernen kommunalen Demokratie besser geregelt als in Brixen heute. Ein Zustimmungsquorum ist ein verdecktes Beteiligungsquorum: unnötig, denn entscheiden soll können, wer hingeht, wem die Sache am Herzen liegt. 11 Südtiroler Gemeinden haben das Quorum bereits ganz abgeschafft. Auch die Briefwahl und die Unterschriftensammlung ohne Beglaubigung durch Amtspersonen – diese ist kein Muss -erleichtern die Handhabung der Volksrechte. Neun Prozent Unterschriftenhürde ist zu hoch. Ganz wichtig die korrekte Information, die in Brixen nicht gegeben war. Korrekteres Verhalten privater Medien kann zwar nicht vorgeschrieben werden, aber die Gemeinde kann mit einem Info-Heft allen Wählern eine neutrale Grundinformation als Gegengewicht zu interessengesteuerter Beeinflussung durch mächtige Medien setzen. Die Bürgerbeteiligung ist somit in der Brixner Satzung und der diesbezüglichen Verordnung verbesserungsbedürftig. Ein mutiger, aber gut durchdachter Ausbau tut not.
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