Wenn nicht die „geschichtliche Wahrheit“ schlechthin, dann birgt das neue Dokumentationszentrum unterm Siegesdenkmal mit Sicherheit eine ziemlich objektive, nüchterne Darstellung der Geschichte des Monuments selbst, Bozens und zum Teil Südtirols zwischen 1918 und 1945.
Damit ist dieser Bau historisiert, also aus seinem geschichtlichen Kontext heraus erklärt und von der offiziellen Anerkennung seiner ursprünglichen Intention gelöst. Es wird für eine distanzierte Beurteilung zugänglich. Vor allem auch für Besucher von außen wird das Monument in seinem ursprünglichen Bedeutungsgehalt und in seiner späteren Rolle in der Geschichte der Stadt verständlich, es ist in gewissem Sinn zum Mahnmal geworden. Auch Betrachtungen zur Funktion von Monumenten im Allgemeinen fehlen nicht. Äußerlich hätte dies allerdings noch etwas deutlicher werden können als mit einer kleinen Leuchtschrift.
Historisieren bedeutet auch, bewusst zu machen, auf welchem Hintergrund und mit welcher Absicht welche Bedeutung einem solchen Bau beigemessen wird. Wie die Autoren schreiben, hat Piacentini das Monument als einen neuartigen, echten faschistischen Kult-Tempel konzipiert, wie er ihn bis dahin noch nicht gebaut hatte. Im Nachhinein ist schon erstaunlich, wie lange höchstoffizielle Behörden und Staatsvertreter vor diesem Bau Zeremonien abhielten, als wäre es ein Gefallenenfriedhofsmonument.
Das Doku-Zentrum klärt jeden Aspekt sehr präzise. Seinem Stellenwert als offizielles staatliches Denkmal ist das Siegesdenkmal damit entkleidet. Jetzt ist es nur mehr schwer vorstellbar, dass an diesem Monument noch offizielle Militaristenaufmärsche und Kranzniederlegungen abgeführt werden.
Ein längst überfälliger Schritt, der eigentlich gleich nach dem 2. Weltkrieg hätte erfolgen sollen. In jener Phase dachte man nicht im Geringsten an Dekonstruktion oder Historisierung, im Gegenteil: Piffraders Mussolini-Fries am Gerichtsplatz wurde nachträglich eifrig fertiggestellt. Man kann nicht nur den Autoren des Dokumentationszentrums gratulieren, sondern auch der Gemeinde Bozen, die endlich die Kraft gefunden hat, diesen Eingriff zu tun. Immerhin haben erst vor 12 Jahren noch zwei Drittel der Bozner für die Beibehaltung des Platznamens gestimmt.
Das neue Dokumentationszentrum ist auch ein kleines Zeitgeschichtemuseum, das es in Südtirol auf Grundlage einer gemeinsamen Geschichtsschreibung in größerer Aufmachung noch nicht gibt. Vielleicht gelingt es nächstens, ein systematisch angelegtes Museum dieser Art im Finanzamt (ehemalige Casa del Fascio) unterzubringen, bei gleichzeitiger Musealisierung des Piffrader-Frieses auf der Fassade.
PS: Zu Recht hat Margareth Lun kritisiert, dass in den englischen Texttafeln immer nur der Begriff „Bolzano“ und „Alto Adige“ verwendet wird, obwohl sogar die meisten englischsprachigen Publikationen des Landes die Bezeichnung „South Tyrol“ verwenden
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Fotografia di Valentino Liberto
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