Einst wichtige Rolle
Für die italienische Stromproduktion hatten die Wasserkraftwerke bis Mitte der 1960er Jahre eine enorme, ja dominante Rolle. In die Zeitspanne 1941-1963 fiel der Bau fast aller großer Wasserkraftwerke in Südtirol. Als das Kraftwerk in Kardaun bei Bozen 1931 in Betrieb ging, war es die größte Anlage dieser Art in Europa. Vor 1939 lieferten die Südtiroler Kraftwerke 12% des gesamten Stromverbrauchs Italiens (vgl. Christoph Gufler, Südtirol unter Strom. Der Ausbau der Wasserkraft in Südtirol, ATHESIA 2015).
Italien ist heute noch führend bei der Hydroelektrik und hat nach Norwegen und Frankreich die drittgrößte Gesamtleistung an Strom aus Wasserkraft zur Verfügung. Heute gibt es rund 4.500 Wasserkraftwerke in Italien, wovon sich allein drei Viertel auf den Alpenraum konzentrieren und davon gut 1.000 auf Südtirol. Mit 40% der insgesamt aus erneuerbarer Trägern erzeugten Energie ist die Wasserkraft immer noch die größte „grüne Energie“, doch im Unterschied zur Fotovoltaik und Windkraft kaum mehr ausbaufähig. Das gilt auch für Südtirol, das 2020 8.177 GWh Strom erzeugte, wovon 90% aus der Wasserkraft stammte.
Wasserkraft in Krise
2022 ist die Stromerzeugung aus der Wasserkraft in Italien im Vergleich zum Vorjahr um 37% gesunken. Im Durchschnitt der letzten Jahre – wie Andrea Barbabella von Italy for Climate ausführt – hat die Wasserkraft 45 Milliarden kWh Strom geliefert, und damit immerhin 15% der gesamten Stromerzeugung abgedeckt. 2022 sackte die Produktion auf 30 Mrd. kWh ab, die Wasserkraft stellt nur mehr 10% der Stromerzeugung. Ein trauriger Rekord für Italien: noch nie seit 100 Jahren lag der Anteil der Wasserkraft an der italienweiten Stromerzeugung so tief.
Schon in den 1950er Jahren hatte Italien 30 Mrd. kWh Strom erzeugt. 2022 ist man auf dieses Niveau zurückgefallen, obwohl sich die installierte Produktionskapazität auf das Dreifache belief. Das zeugt einen weiteren Negativrekord des Dürrejahrs 2022 auf: Die Wasserkraftwerke haben im Schnitt nur noch 1.300 Stunden operativ gearbeitet, während in den 1950er Jahren die Turbinen jährlich 4000 Stunden in Betrieb waren. Die Effizienz der Werke lässt zu wünschen übrig, viele sind über 60 Jahre alt, viele müssten modernisiert werden. Was aber 2022 noch stärker ins Gewicht fiel, ist einfach der Wassermangel, vor allem fürs Trinkwasser und die Landwirtschaft.
Das Potenzial der Wasserkraft in Italien ist weitgehend ausgeschöpft. Höchstens kleine Kraftwerke können noch gebaut werden. Doch viele größere Anlagen müssten mit hohem Kapitaleinsatz modernisiert und potenziert werden, wie beim Werk St. Anton der Eisackwerke vorbildlich geschehen. Die Wasserkraft ist im Unterschied zu Wind und Sonne ein planbarer Energieträger. Energie kann in Form von gefüllten Speicherbecken gespeichert werden, sofern sie denn halbwegs gefüllt werden. So kann Strom aus der Wasserkraft die Spitzen des Stromverbrauchs abdecken (vgl. Peter Erlacher, Südtirol auf dem Weg zur Klimaneutralität, in: Klimaland Südtirol? POLITiS-GWÖ 2022, 57-73).
2023 ein kritisches Jahr
Für die Wasserversorgung im Allgemeinen und die Stromproduktion im Besonderen wird 2023 ein noch schwierigeres Jahr. Im Jänner 2023 lag die Produktion in Italien um 10% unter jener des Jänners 2022. Die hydrologischen Angaben zu Niederschlägen weisen im ganzen Alpenraum nach unten. Der trockene Winter und die geringen Schneemengen lassen bei den Stromproduzenten Sorgenfalten aufkommen. Weniger Strom aus Wasserkraft heißt für Südtirol auch mehr Strom aus dem nationalen Strommix, der zu 65% aus fossilen Energieträgern stammt.
Wie Michael Matiu (EURAC und Universität Trient) in der Studie Snow herausgefunden hat, ist die Schneemenge in Bozen von 1980-2020 um -75% zurückgegangen, in Schlanders um -34% und in St. Ulrich um -37%. Die Etsch führt in Sigmundskron um -37% weniger Wasser als normal. Das hat schwerwiegende Folgen für den Grundwasserspiegel, die Verfügbarkeit von Wasser und alle Aktivitäten, die auf Wasser angewiesen sind einschließlich der Stromerzeugung. Der durchschnittliche Temperaturanstieg an 18 repräsentativen Orten des Trentino und Südtirols beträgt +1,54° bis heute. Die Niederschläge haben zwar überall zugenommen, aber viel mehr in Form von Regen, der schnell abfließt. Bei einem maximalen Fassungsvermögen von 214 Mio. Kubikmeter Wasser sind die großen Stauseen derzeit gerade zu einem Viertel gefüllt.
Was bedeutet das für Südtirols Klimastrategie?
Der Klimaplan Südtirol 2040 setzt auf die massive Ausweitung der Stromproduktion aus erneuerbaren Quellen. Bei der Wasserkraft will man die Effizienzreserven bei bestehenden Anlagen nutzen (S.40), die Netze ausbauen, die Speicher- und Nutzungskapazitäten genau erheben (bis 2025). Ein Ausbau der Wasserkraft, wie von der Handelskammer in einer Studie vorgeschlagen, ist nicht vorgesehen und würde bei solch trockenen Wintern keinen Sinn mehr machen (S.41-42). Umso mehr ist die Fotovoltaik gefragt. Eigentlich muss Südtirol seine Energiewende hin zu den Erneuerbaren bis zur Klimaneutralität 2040 genau durchrechnen, wie das bereits im Bundesland Tirol geschehen ist.
Mehr zu diesen Themen beim Treffen 4 der Veranstaltungsreihe "Klimaschutz konkret" zur Frage "Wie kann sich Südtirol vollständig mit erneuerbaren Energien versorgen?" mit Thomas Egger (Klimaclub Südtirol) am Dienstag, 4.4.2023, 17:30-19:30 Uhr, Waltherhaus Bozen, Seminarraum, 4. Stock.
Aggiungi un commento
Effettua il login per aggiungere un commento!Commenti
Hoffentlich ist der Regenmangel nur ein statistischer Ausreißer, wenn nicht wird die Wasserkraft noch das kleinste Übel sein.
"statistischer Ausreißer"
Nein, wie die gen. Zahlen ja eindeutig belegen und mit dem Rückgang der Gletscher wird dieser Mangel noch weiter "befeuert"
"ist die Schneemenge in Bozen von 1980-2020 um -75% zurückgegangen, in Schlanders um -34% und in St. Ulrich um -37%. Die Etsch führt in Sigmundskron um -37% weniger Wasser als normal."
Für die von der Wasserkraft profitierenden Gemeinden (besonders jene welche einen fixen Teil des Budget mit den Geldern der Alperia kalkulieren) muss daher Klimaschutz auch ein ganz handfester ökonomischer Faktor sein.
Norwegen macht es vor. Dort wird der in Nord-Europa nachts erzeugte Strom aus der Windkraft dazu verwendet, um bei den Speicherkraftwerken in den Fjorden die oberen Speicherbecken aufzufüllen.
Auch in Südtirol könnte mit dieser Technik überflüssiger Nachtstrom aus träge regulierbarer Stromerzeugung, der nach Mitternacht gegen 0,0 Cent / kw quotiert wird, das Wasser in bestehende und noch zu entrichtende Speicherbecken hoch gepumpt werden, um bei Bedarf daraus kostbaren Spitzenstrom zu erzeugen.
Ich habe nie verstanden warum man die Windräder auf der Malser Heide abgebaut hat!
Der damals noch reichliche Strom aus den abschmelzenden Gletschern, wurde noch als nie versiegende Antriebskraft zur Stromerzeugung gesehen.
"Die Hüter der unberührten Landschaft" mussten in den meisten Fällen herbe Niederlagen einstecken, aber bei den Windrädern konnten sie noch volle Teil-Erfolge am Reschen und Brenner einfahren.
Besonders das Ultental würde sich für ein mehrstufiges Zurück-Pumpen von Stausee zu Stausee besonders eignen, denn damit könnte der Nachstrom, statt zur in Verruf geratenen Licht-Verschmutzung, in kostbaren Strom für den Spitzenlast-Betrieb umgewandelt werden.