Können wir uns endlich entspannt zurücklehnen und in zwei Monaten erst einmal mit dem Sommergeschäft anfangen, bevor dann im Spätherbst allmählich die Winterreservierungen eintreffen? Nein, können wir nicht. Denn wer behauptet, dass sich der Tourismus geändert hat, liegt völlig daneben. Der Tourismus ändert sich permanent!
Ein neues erfolgreiches Geschäftsmodell kann das Funktionieren des gesamten Marktes durcheinanderbringen. Denken wir nur an Booking.com, das so viele touristische Anbieter zur Verzweiflung bringt. Booking ist auf der ganzen Welt erfolgreich, doch es würde schon reichen, dass ein neuer mächtiger Player auf dem Markt auftaucht, um wieder alles durcheinanderzuwirbeln und die aktuelle Situation komplett über den Haufen zu werfen. Der Südtiroler Hoteliers- und Gastwirteverband sollte also nicht glauben, einem Weltmarkt eine lokale Buchungsseite wie bookingaltoadige.com erfolgreich entgegenstellen zu können. Sie wird elendiglich scheitern, ähnlich wie das Projekt hallo.com, ein Portal, das die Konkurrenz hätte zerschmettern sollen. Es wurde vor ein paar Jahren ins Leben gerufen, kostete einen Haufen Geld und existiert heute bereits nicht mehr. Denn ob es uns gefällt oder nicht, im Tourismus nehmen globale Strategien immer stärker die Vorreiterrolle an. Man muss Tripadvisor oder Holidaycheck nicht mögen. Aber man kann sich deshalb nicht einfach ausklinken aus diesen internationalen Mechanismen der Information, Reservierung, touristischer Transparenz.
Über Airbnb kann man seine Wohnung vermieten, über Uber kriegt man günstige Taxifahrten. Die Philosophie des Sharing wird immer populärer. Gesetzchen und Verordnungen einer Politik, die dem technischen Fortschritt immer nur hinterherhinkt, werden diese Prozesse mit Sicherheit nicht aufhalten. Der Markt wird immer flüssiger, die Ergebnisse unseres Handelns werden immer schwerer vorhersehbar. Eine limitierte Vision unserer Situation, die nur den Flughafen im Blick hat oder glaubt, den Markt mit einem schönen Feuerwerk an Ferragosto beleben zu können, kann da nicht gewinnen. Die Kunden suchen immer neuere Reize und geben immer weniger auf Treue. Ob die neuen Gästen – die sogenannten Millennials, die Zwanzigjährigen – noch einem Urlaubsziel treu bleiben werden wie wir oder unsere Eltern das taten, die mit uns zehn oder 15 Jahre lang jeden Sommer nach Jesolo gefahren sind? Die jungen Leute sind heute viel dynamischer, wollen Destinationen mit starker Anziehungskraft. Malaysia ist gerade schwer angesagt oder Indonesien, der größte Inselstaat der Welt mit seiner tausendjährigen Geschichte. Bilbao ist mit dem Guggenheim-Museum von Frank Gehry und der Metro von Norman Foster zu einer echten Touristenattraktion geworden. Oder nehmen wir Dubai, Sotschi oder die erste schwimmende Stadt der Welt, die bald schon Wirklichkeit werden könnte. Denn in China glauben sie fest an dieses futuristische Projekt. Regelrechte schwimmende Städte, auf denen die Superreichen leben, und die ständig über die Ozeane gleiten. Heute ist unsere Konkurrenz nicht mehr das Trentino. Und auch nicht die Dolomiten des Friaul. Nein, unsere Konkurrenten sind die asiatischen Städte, die auf der Rangliste unserer direkten Konkurrenten bereits ein ganzes Drittel der Destinationen ausmachen.
Wie also sollen wir uns in einer so rasch sich verändernden Situation verhalten? Ich glaube ja, dass der neue Luxus in Dingen besteht, die wir früher für normal gehalten haben: ein richtiger Brief aus Papier, ein handgeschriebenes Dankeschön an einen treuen Gast, ein mit der Polaroid geschossenes Fotos, das der Gast zusammen mit einer schlichten Widmung erhält. Oder lokale Spezialitäten – und damit meine ich nicht Südtiroler Speck von ungarischen oder deutschen Schweinen. Ich meine auch keine folkloristischen Umzüge, die auf die Bedürfnisse der Gäste zugeschnitten sind. Denn wenn wir nur touristische Monokultur anbieten wollen, dann müssen wir uns mit Konkurrenten messen, die uns enorm überlegen sind. Nein, der Tourist, der Orte wie die unseren besucht, erwartet sich etwas wirklich Authentisches. Und das ist doch auch unsere Stärke: unsere Artenvielfalt, ein Lächeln hier, ein paar freundliche Worte dort. Auch in Zukunft wollen Menschen, die in Ferien fahren, dort die beste Zeit des ganzen Jahres verbringen. Daher dürfen wir keine Zeit damit verlieren, aktuelle Internetportale zu bekämpfen, die sich ohnehin ständig und mit unglaublicher Geschwindigkeit weiter verändern. Wir müssen sie vielmehr für uns nutzen, indem wir uns der Technologie bedienen und unsere Augen offenhalten und alle Sinne schärfen, damit wir gemeinsam mit ihnen unsere Regionen am besten promoten können. Deren Profil wir ruhig auch schärfen dürfen. Wir haben alles, was wir dazu brauchen. Eine bunte Mischung aus allem anzubieten, macht wenig Sinn; vielmehr muss uns klar werden, was genau wir wollen, worauf wir uns spezialisieren wollen. Autofreie Dolomiten, lebenswerte Bergdörfer, Städte mit den alten, traditionsreichen Geschäften, eine Kultur, die man sehen und erleben kann. Was der Gast bei uns bekommt, ist nicht nur ein fein aufgeschäumter Cappuccino, sondern ein fein aufgeschäumter Cappuccino, der mit Milch von unseren Almen zubereitet wurde und mit einem Südtiroler Lächeln serviert wird. Es ist eine große Aufgabe, die da auf uns wartet, aber wir können es schaffen. Wir müssen nur daran glauben.
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