Rom, 27. Februar 2014. Nach Jahren der Korruption und Misswirtschaft steigt in den vergangenen Wochen ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung auf die Barrikaden. Eine Vielzahl von Gruppierungen sind an den Protesten beteiligt. Die Polizei liefert sich über Wochen gewalttätige Auseinandersetzungen mit militanten neofaschistischen Gruppierungen. Schließlich gelingt es den Protestierenden den amtierenden Ministerpräsidenten aus dem Amt zu jagen. In der neuen Regierung sind die Neofaschisten stark vertreten, sie stellen unter anderem den Vize-Ministerpräsidenten. Dieser war in der Vergangenheit vor allem dadurch aufgefallen, dass er unverblümt mit faschistischen Symbolen posierte und offen für eine faschistische Gesellschaftsordnung eintritt. Am ersten Tag des Amtseintritts verabschiedet demnach das neu eingesetzte Parlament eine Gesetzesvorlage, die das Italienische als einzige Amtssprache festlegt. Weitere Minderheitenrechte sollen beschnitten, deutschsprachige Schulen in Südtirol etwa, geschlossen werden.
So oder so ähnlich würde es wohl klingen, möchte man die jüngsten Ereignisse in der Ukraine ins heutige Italien übersetzen. Der Vergleich hinkt, versteht sich, und doch scheint es hoch an der Zeit, der oft unverhohlen antirussischen Berichterstattung in den meisten europäischen Medien, eine andere Perspektive entgegenzusetzen. Die Entscheidung der Europäer und Amerikaner, sich in der Ukraine gezielt auf die Seite der antirussischen Kräfte zu stellen, in einem Land mit einer alles anderen als homogenen Bevölkerung, die Inkaufnahme extremer rechter, offen nazistischer Bündnispartner, die Nato Osterweiterungsgespräche der vergangenen Jahre, Raketenschilde, Kosovo, und all die anderen gezielten Provokationen Moskaus, all das entpuppt sich nämlich nunmehr als gefährliches Spiel mit dem Feuer.
So findet sich die EU heute in einem Dilemma wieder, in das sie sich selbst mit-hineinmanövriert hat: während die Ukraine in ihrer Krise wirtschaftlich nicht weiter unterstützt wurde, zauberte man während der Proteste verschiedenste Charaktere aus dem Hut, die im Lande selbst natürlich nie eine Chance gehabt hätten (Timoschenko war zuvor aus dem Amt gejagt worden, Klitschko spricht noch nicht einmal Ukrainisch) und rein durch ihre Kompromisslosigkeit auffielen. Während Europa nun händeringend nach einem Ausstiegsszenario sucht, haben die USA bereits Fakten geschaffen; nicht umsonst stellt nun deren engster Vertrauter den Ministerpräsidenten.
Vermutlich wird sich die Lage in absehbarer Zeit wieder beruhigen, die Annexion der Krim akzeptiert und in Kiev eine Regierung an der Macht sein, die sowohl mit Moskau als auch mit dem Westen zusammenarbeiten kann. Um dahin zu kommen, gilt es jetzt jedoch Ruhe zu bewahren, von übertriebenen Vergleichen Abstand zu nehmen, den Stimmen nach Aufrüstung kein weiteres Gehör zu schenken und gegenüber den USA eine eigenständige europäische Linie einzunehmen. Nicht zuletzt aus demokratiepolitischen Überlegungen sollte von einer direkten Konfrontation mit Putin Abstand genommen werden, diese garantiert schließlich erst recht seine anhaltende Popularität.
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