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Peder Schad on Unsplash
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Homo Oeconomicus

Die Erde ist eine Fabrik

Der Homo Oeconomicus wird von folgendem Gedanken beherrscht: Die Erde ist eine Fabrik, und was auf dieser Erde existiert, muss daher einen Nutzen haben.
Un contributo della community di Michil Costa29.06.2022
Ritratto di Michil Costa

Die Schopfteufelskralle ist eine wunderschöne, seltene Gebirgsblume, deren botanische Bezeichnung soviel wie „geflochtene Blase“ bedeutet. In dieser herrlichen Blumenschönheit, in der sich das Absolute als Teufelskralle manifestiert, steckt keinerlei Gewinn. Sie ist aus utilitaristischer Sicht völlig nutzlos. So nutzlos wie das Murmeltier, das nicht nur nutzlos ist, sondern sogar schädlich, weil es den Boden unter den Almhütten aufwühlt, bis diese einstürzen. Bei uns in den Dolomiten ist außerdem der Adler zuhause, der Schäden anrichtet, weil er jungen Gämsen nachjagt und sie abstürzen lässt, so dass die Mütter ihrer Jungen beraubt werden. Der Raubvogel Adler mag vielleicht Touristen anziehen, doch gilt er als weniger wert als ein Huhn. Denn ein Huhn produziert Eier und Fleisch; es ist Teil des Produktionsmechanismus unserer Erde und ihrer Bewohner. Der Homo Oeconomicus wird von folgendem Gedanken beherrscht: Die Erde ist eine Fabrik, und was auf dieser Erde existiert, muss daher einen Nutzen haben. Doch die Wahrheit ist: Wenn wir vermeintliche Nutzlosigkeiten wie die Schopfteufelskralle, das Murmeltier und den Adler, wenn wir die winzigsten Zahnräder des Systems Natur nicht schützen, dann bricht auf der Erde alles zusammen. Denn die Erde ist nicht nur eine Fabrik. Sie ist auch der Ort, an dem wir leben. Und die Flora – das diesjährige Thema der Maratona dles Dolomites-Enel, die heuer zum 35. Mal stattfindet – trägt dazu bei, dass diese Erde ein guter Ort ist. Doch um wirklich wertzuschätzen, was uns an Natur umgibt, reicht es nicht, Bäume zu pflanzen: Wir sollten vielmehr erstmal ein paar Gedanken in uns einpflanzen. Es ist klar, dass in allem, in dem die Jugend heute die helle Flamme des Intellekts erkennt – die Neigung zu Wissenschaft und Technologie, zur auf Social Media herrschenden Selbstverherrlichung, zum Metaversum und zu Videogames – ein Zeichen unserer Zeit sind. Doch ebenso wichtig ist zu begreifen, dass das Verständnis für die Mechanismen der Natur für die kommenden Generationen eine echte Eigenart darstellen könnte. So wie die Erziehung zum Sport nicht nur dem Körper guttut, so ist auch die Sensibilisierung für die Flora nicht nur Selbstzweck, sondern ein integrativer Bestandteil der Sensibilisierung für die Erde, des Verständnisses für ihre Mechanismen, einer notwendigen sozialen Philosophie. Nur dann können wir die immense Bedeutung der Schopfteufelskralle begreifen, deren Samen durch den Wind und die Insekten verbreitet werden; nur so können wir die außergewöhnliche Symbiose zwischen Lebewesen begreifen. Wir selbst sind die Erde, wir Menschen, zusammen mit Insekten und Fischen, Murmeltieren und Adlern, und auch die bescheidenste aller vom Wind zerzausten Blumen gehört dazu. Und genau das wollen wir tun, zusammen mit 8.000 Menschen bei einer Veranstaltung, an der die lokale Gemeinschaft stark Anteil hat und die heuer der Flora gewidmet ist: Wir wollen ein bisschen bewusster werden. Und damit ein bisschen schöner.

Michil Costa

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Ritratto di Georg Lechner
Georg Lechner 29 Giugno, 2022 - 18:20

Wobei die Teufelskralle auch ökonomisch nicht "unnütz" ist, sondern Heilwirkung bei Rückenbeschwerden besitzt. Hübsch ist sie allemal und ich habe sie bisher im Bereich einer Ruine in den nördlichen Kalkalpen gesehen.
Kommenden Generationen wird aber massiv auf den Kopf fallen, wenn wir weiterhin an kurzsichtigem Nützlichkeitsdenken festhalten, das viele Zusammenhänge in den Lebensbedingungen außer Acht lässt. Ohne das Zusammenwirken vieler Kleinlebewesen wäre es um die landwirtschaftlichen Erträge schlecht bestellt; inwieweit eine abnehmende Biodiversität bei den größeren Lebewesen (Rückgang des krautigen Unterwuchses infolge zu häufigen Mähens) nicht nur die Fruchtbarkeit der Nutztiere beeinträchtigt, sondern auch das Bodenleben beeinflusst, ist vermutlich noch gar nicht hinreichend erforscht.

Ritratto di Franz Pattis
Franz Pattis 29 Giugno, 2022 - 20:01

„Wir wollen ein bisschen bewusster werden“! Dieser vorletzte Satz von Michil Costa beschreibt die ganze Problematik am besten. Und dazu fällt mir auch was Passendes ein! In Brixen soll ja bekanntlich für die Rodung des Auwaldes in der Industriezone als Ausgleichsmassnahme die Millander Au in eine Müll- bzw. Bauschuttdeponie erweitert werden. Einige sogenannte „Experten“ der Umweltgruppe Eisacktal inklusiv Dachverband für Natur- und Umweltschutz und ein grüner Landtagsabgeordneter behaupten nämlich schon seit Jahren, dabei sei für die Natur in Zukunft mehr drin!
Meine Frage dazu: seit wann gilt nicht mehr der Grundgedanke des weltweiten Naturschutzes bzw. „zuallererst retten was noch da ist zu retten“?
PS. 2018 klang das aber noch ganz anders?!
https://www.umwelt.bz.it/aktuelles/neuigkeiten/ug-eisacktal-offener-brie...

Ritratto di Dietmar Nußbaumer
Dietmar Nußbaumer 29 Giugno, 2022 - 21:51

"Macht euch die Erde untertan!" Der Denkfehler ist fast schon im menschlichen Genom festgeschrieben.

Ritratto di Karl Trojer
Karl Trojer 30 Giugno, 2022 - 09:42

Wurde das Wort "untertan" auch richtig aus dem Urtext übersetzt ? Jedenfalls stimme ich zu, dass dieser Satz, verstanden wie geschrieben, die Philosophie der Zerstörung enthält.

Ritratto di Martin Sitzmann
Martin Sitzmann 30 Giugno, 2022 - 10:07

Da könnten wir uns von einem mittelamerikanischen Kleinstaat etwas abschauen: Costa Rica hat schon vor Jahrzehnten erkannt, dass die unberührten Ökosysteme nicht nur schön, sondern auch EXTREM wichtig für die Ökonomie eines Landes sind. 25% der Landesfläche stehen in Form von Nationalparks und Naturreservaten unter Naturschutz. Costa Rica hat kein stehendes Heer und investiert die Steuereinnahmen lieber in nachhaltige Tourismus-Entwicklung. Nicht umsonst gilt das sichere und saubere Costa Rica als die Schweiz Mittelamerikas!
Umweltschutz und Ökonomie schließen sich nicht aus, sondern sollten als unbedingte Symbiose gesehen werden. Was es dafür braucht? Gemeinwohlökonomie, Kreislaufwirtschaft, Abkehr vom Wachstumsdogma, Herzensbildung und Naturliebe von Kindesbeinen an.

Ritratto di Franz Pattis
Franz Pattis 2 Luglio, 2022 - 21:38

Wie recht Sie haben Herr Sitzmann! Da kann sich unsere Landesregierung mit ihrem lächerlichen „Everyday for future“ was abschauen!
Darf daran erinnern dass im Frühjahr 2020 im
Landtag ein Beschlussantrag zur Rettung des Brixner Auwaldes von den „Freunden im Edelweiss“ und seinen Lega-Verbündeten plus dem größten Wendehals im Landtag, bzw. Herrn Carlo Vettori, abgelehnt wurde!!
Details zum Brixner Auwald, auch Habitat von 7 Vogelarten der Roten Liste und sehr wertvoller CO2 Speicher gerade jetzt in Zeiten des rasanten Klimawandels!
https://instagram.com/save.the.auwald.brixen?igshid=YmMyMTA2M2Y=

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Peder Schad on Unsplash
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