Die schlimmste Unsitte der Ära Durnwalder waren die frühmorgendlichen Bittgänge. Für den machtbewußten Landeshauptmann gehörten sie zu den Stützpfeilern des Machtausbaus. Die schätzungsweise 2000 bis 2500 Gespräche pro Jahr waren für Durnwalder eine fast unerschöpfliche Informationsquelle, vor allem in Verbindung mit seinem als legendär mythisierten Gedächtnis und seiner Kombinationsgabe.
Am frühen Morgen erfuhr der Landeshauptmann viel über die Machtverhältnisse bis hinauf in den letzten Weiler und hatte das Land auch auf diese Weise unter Kontrolle. Er wusste genau, wo und über was gestritten wird und mit wem er gute Beziehungen pflegen sollte und wen er durch Nichtbeachtung strafen und weiter ausgrenzen konnte. Und er erfuhr, wo es was zu kaufen gibt, um dort sein legendäres "Händchen" bei Immobiliendeals ins Spiel zu bringen. Aber das ist ein eigenes Kapitel.
Ich war selbst zwei Mal bei der Morgenaudienz, in meiner früheren Rolle als Organisator von großen Sportveranstaltungen. Auch wenn mit Beamten und zuständigen LandesrätInnen schon alles geklärt werden konnte - die LandesrätInnen selbst rieten dazu, "zum Luis" zu gehen und seine Gunst zu erbitten, "damit die Kirche im Dorf bleibt".
Bei den Morgenaudienzen spielte sich Durnwalder ziemlich auf und genoß es sichtlich, dass da ehrfürchtig eine Reihe honoriger Menschen herumsaßen und etwas von ihm brauchten. Er ließ auch Theaterdonner ertönen und zeigte auf, an welch seidenem Faden die Anliegen der Bittsteller hingen, um dann gönnerhaft einzulenken und die Lösung zu befürworten, die eh schon im Vorfeld ausgehandelt worden war.
Ich habe diese Audienzen als demütigend empfunden und auch als absolut verzichtbar. Entweder die BürgerInnen haben einen Anspruch auf eine Leistung der Verwaltung, oder sie haben keinen. Das kann ein/e BeamtIn ermitteln, ob die Voraussetzungen vorhanden sind oder nicht.
Durnwalders Gehabe und seine eigenwillige und willkürliche "Gestaltung" der gesetzlichen Grundlagen haben die Verwaltung regelrecht gelähmt. Beamte, vor allem jene, die nicht unter dem demonstrativ zelebrierten Schutz von Durnwalder standen, mussten sich hüten, Entscheidungen zu treffen und zogen es vor, auf die legendären"Zettelen" zu warten, die nach dem Bittgängen in allen Abteilungen zirkulierten.
Ein Fall scheint mir bezeichnend für tausende andere: Ein Bauer in einem Eisacktaler Dorf hatte so wie viele andere in seinem Dorf den Stadel saniert und um Beiträge angesucht. Während seine Nachbarn die Zahlungen erhielten, blieben sie bei ihm aus. Als er sich nach dem Warum für diese Situation erkundigte wurde er als erstes gefragt, ob er schon "beim Luis" gewesen sei, was er verneinte. Nach dem obligaten Besuch im Landhaus eins, flatterte dann das entsprechende Zettele ins Büro des zuständigen Beamten in Brixen, das Gesuch (es ist bezeichnend, dass die SüdtirolerInnen "ansuchen" und nicht Anträge stellen...) wurde aus dem Warte-Fach genommen und in das Auszahlungs-Fach gelegt. Der betroffene Bauer soll nach diesem Vorfall aus der SVP ausgetreten sein.
Um etwas betteln zu müssen, was einem zusteht und das 25 Jahre lang - das hat ein ganzes Völklein korrumpiert.
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