Der am 20.4.2023 von der Landesregierung vorgestellte Teil 2 des Klimaplans bringt zur Raumordnung nicht viel, außer eine deutliche Ansage unter Punkt 15.9: „Die Nettoneuversiegelung soll bis 2040 auf Null gebracht werden…Erstens muss die Nettoneuversiegelung pro Jahr so gering wie möglich gehalten werden und zweitens sind möglichst viele versiegelte Flächen in einen ökologisch hochwertigen Zustand rückzuverwandeln.“ So steht es im Entwurf für den Teil 2, der im Juni verabschiedet werden soll. Wenn dem so wäre, müsste die Landesregierung den Landschaftsschutz gleich schon rigoroser regeln, um den Flächenverbrauch zu reduzieren bzw. die bestehenden Grenzen laut Gesetz für Raum und Landschaft konsequent anzuwenden.
Allein, es geschieht das Gegenteil: am 8.11.2022 hat die Landesregierung mit Beschluss Nr. 822 die Einleitung eines Verfahrens zur Ergänzung des Landschaftsleitbildes beschlossen. Dabei geht es in weiten Teilen um urbanistische Bestimmungen zur Schaffung von Ausnahmeregelungen für das Bauen im Grünen. Im Klartext: um neue Baukubatur auf Kosten der Landschaft. Hier einige Beispiele:
- Art. 2 zielt auf die Vermeidung von Bodenversiegelung ab, was landschaftsökologisch geboten ist. Diese Vermeidung regelt aber nur die Bodenversiegelung bei Wegen (z.B. Unterlassung von Asphaltierung), nicht allgemein im landwirtschaftlichen Grün und im alpinen Grünland.
- Art. 3 erlaubt den Wiederaufbau und die Verlegung von Gebäuden. Oft ist ein Wiederaufbau verfallener Gebäude weder notwendig noch sinnvoll. Viele Gebäude werden dann nur mehr für Freizeitzwecke wieder errichtet.
- Art. 4 ist besonders trickreich, weil neue unterirdische Baumasse zugelassen werden soll. Heute beobachtet man bei Hofstellen immer mehr lange unterirdische Betonriegel. Das dafür erlaubte unterirdische Bauvolumen soll weiter ausgedehnt und sogar im Weidegebiet und alpinen Grünland zugelassen werden.
- Art. 5 erlaubt die Anwendung des Energiebonus für alle Wohngebäude im Landwirtschaftsgebiet, obwohl die Bauernhöfe ohnehin schon 1.500 m3 dazu bauen dürfen.
- Art. 8 betrifft die neuen Möglichkeiten zur Erweiterung der gastgewerblichen Betriebe. Die darin vorgesehenen Kubatur-Erweiterungen um bis zu 30% des heutigen Bestands hätten katastrophale Auswirkungen auf die Landschaft. Mit bloßem Durchführungsplan könnten die Gemeinden die Bestimmung der maximal, zulässigen Erweiterung eines Gastbetriebs übergehen, genannt „qualitative Erweiterung“. Ehrlicherweise ist in der Landesregierungsvorlage dieser Begriff gestrichen worden.
- In Art. 10 wird gastgewerbliche Tätigkeit auf Almen zugelassen. Durch die Hintertür könnten damit Beherbergungsbetriebe geschaffen werden.
Die Handschrift zweier Lobbys bei diesen Texten ist unverkennbar. Weder der HGV noch der SBB scheinen die Vorgaben des Klimaplans wirklich ernst nehmen und ihre Ansprüche etwas zurückschrauben zu wollen. Sie scheinen ganz unbekümmert an ihrer knallharten Agenda zu arbeiten und den Klimaplan (Teil 1 und 2) als schmückendes Beiwerk zu betrachten.
Eine letzte Schranke für die Abänderung des Landschaftsleitbildes von 2002 im Sinn des Gesetzes „Raum und Landschaft“ wäre die strategische UVP, die jetzt von LR Kuenzer ins Feld geführt wird. Damit könnte die Expansion der unterirdischen Kubatur, Abriss und Wiederaufbaumöglichkeiten und die „qualitative Erweiterung“ im Gastgewerbe doch noch landschaftsschonender geregelt werden. Eine UVP braucht 6 Monate, bietet somit eine Nachdenkpause bis zu den Wahlen. Angepeilt wird dann eine Deckelung der qualitativen Erweiterung auf 30% des Bestands, aber maximal für die Betriebe mit 12.000 m3, so LR Kuenzer (Dolomiten, 20.4.23). Nun beruft sich der HGV darauf, dass das brachiale Erweiterungsrecht um 30% im landwirtschaftlichen Grün allen Betrieben zugesagt worden war. „Die Politik kann nicht wortbrüchig werden,“ entrüstet sich HGV-Pinzger, „ es ist klar, dass es auch für größere Betriebe eine Erweiterungsmöglichkeit geben muss“ (Dolomiten, 20.4.23). Bei größeren Betrieben könne man die Erweiterung ja an Nachhaltigkeitskriterien koppeln. Oder vielleicht nur an Nachhaltigkeitslabels, die vom IDM jederzeit bereitwillig ausgestellt werden? Die Landesregierung steht wieder einmal vor der Nagelprobe: ist das Ziel des Klimaplans (Teil 2) zur Erreichung der Netto-Neuversiegelung bis 2040 das Papier wert, auf dem es steht, oder gilt am Ende doch immer wieder nur das Diktat von HGV und SBB?
Solche und andere aktuelle Fragen des Landschafts- und Klimaschutzes stehen im Zentrum des Treffens 5 der Reihe „Klimaschutz konkret“ von Heimatpflegeverband Südtirol und POLITiS am 26.4.2023, 17:30 Uhr, im Waltherhaus Bozen, Seminarraum, 4. Stock. Referent: Peter Kasal, Direktor des Amts für Landschaftsökologie.
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Es war voraus zu sehen, dass die Urbanistik in den Händen der Kuenznerin ein ähnliches bedauerliches Ende nehmen wird, wie die aus dem Ruder gelaufene Ruhestands-Regelung der Politiker unter der Rosa Thaler.
Passende Gegenüberstellung, wie ich finde.
Ich sehe das so:
Die Möglichkeit schaffen, Portici bzw. Loggias (und meinetwegen auch Terrassen bzw. Balkone) in Verandas umwandeln zu können (benötigt in Südtirol Kubatur), frei von bürokratischen Hürden, also nach Vorbild Restitalien, das wäre im Sinne der "Klima" Argumentation ehrlicher, sinnvoller und demokratischer.