Outdooractive listet die schönsten Motorradtouren in Tirol auf. Der „Trip Tirol“, eine „leichte Tagestour“ führt in 7:50 Stunden über 544 km und 10.846 Höhenmeter. Die klassische Sella-Route wird mit 2 Stunden angesetzt, eine „Burgen- und Schlösser-Tour“ durch Südtirol mit 3:26 Stunden. Man versteht: Natur und Burgen sind hier das, was ein Biker in Sekundenbruchteilen links und rechts der Straße wahrnimmt, wenn überhaupt. Für die Tour „Südtirol-Trentino-Lombardei-Schweiz“ (respektable 637 km mit 8 Pässen) veranschlagt das Portal 13 Stunden, schlägt aber ein Stopover in Kaltern vor. Ein Grund dafür, warum speziell der Mendelpass zum Motodrom geworden ist, „imposant, als er auf der Ostrampe kurvig und abenteuerlich ist“.
„Südtirol ist wie für Biker geschaffen“, schreibt suedtirolerland.it, also ein lokales Werbeportal, „hier erwarten dich nämlich nicht nur eine traumhafte Naturlandschaft und viel Sonnenschein, sondern auch kurvenreiche Bergstraßen und Dolomitenpässe, viele Serpentinen und das Gefühl von Freiheit auf zwei Rädern und vielen PS.“ Dass diese Freiheit längst der Mehrheit der Bevölkerung und den anderen Urlaubsgästen unsäglich auf den Geist geht, erfährt der Biker nicht. Zu viele Zeitgenossen verwechseln postpubertäre Easy-Rider-Sehnsüchte mit „Freiheit“. Heute lebt eine Minderheit von Geschwindigkeitsfanatikern ihr Hobby zu Lasten der Mehrheit vor Ort aus. Ein seltsames Syndrom des spätfossilen Zeitalters, das in Südtirol längst jenseits des Erträglichen liegt. Erstaunlicherweise haben sich die direkten Anrainer der meistbefahrenen Strecken noch kaum gewehrt.
In Tirol ist zumindest ansatzweise seit 2020 etwas gegen Motorradlärm unternommen worden. Die Landesregierung hat auf einigen vielbefahrenen Straßen die Lärmbelästigung erfasst, vor allem im an Oberbayern angrenzenden Außerfern (Bezirk Reutte). Bei der Motorradlärmstudie Außerfern ist deutlich geworden, dass der normale Verkehrslärm (Autos, LKW) sich am Wochenende kaum verändert, der Motorradlärm hingegen gewaltig hochschnellt. Diese Lärmquelle entspringt somit keinem echten Mobilitätsbedarf, sondern ist nichts als ein emissions- und energieintensiver Freizeitspaß. Das Land Tirol hat daraufhin ein medial weit über Österreich diskutiertes Fahrverbot auf stark von Motorrädern befahrenen Strecken im Außerfern erlassen. Alle Motorräder mit einem Standgeräusch von mehr als 95 dB waren betroffen, für den Rest gilt Höchstgeschwindigkeit 70km/h. Fünf Straßen mit einer Gesamtlänge von 126 Km sind vom 15.4. bis 31.10 des Jahres gesperrt. Dieses Verbot ist auch für 2023 bestätigt worden, also in Kraft.
Was hat diese Maßnahme gebracht? Eindrucksvolle Ergebnisse bringt die Evaluierung des ersten Jahres dieses Verbots in einer Studie (siehe vor allem Zusammenfassung auf S.4). Die Zahl der Motorräder, die diese Strecke nutzen, ist um 36% zurückgegangen, der Anteil der stark von Motorradlärm Belästigten hat sich gegenüber 2019 halbiert. 65% der Anrainer sind für die Beibehaltung der Fahrverbote, doch ein hoher Anteil betrachtet die Grenze von 95 dB Standgeräusch als unwirksam oder unzureichend. Es besteht der starke Wunsch, die Motorradhersteller in die Pflicht zu nehmen. 81% der Befragten meinen, die Hersteller sollten zur Konstruktion leiserer Motorräder gezwungen werden. Und da liegen sie völlig richtig, denn ein Motorrad entwickelt seinen „Sound“ eben bei der Beschleunigung und Normalgeschwindigkeit und nicht im Stehen. Eine Klage von Motorradvereinen gegen das Verbot ist übrigens von der EU-Kommission zurückgewiesen worden. Tirol will diesen Weg weitergehen.
Kann sich Südtirol daran ein Beispiel nehmen? Durchaus, denn die Erkenntnisse der Tiroler Forscher zum lärmgeplagten Außerfern sind für die beliebtesten Biker-Strecken hierzulande komplett übertragbar. Es geht immer um dieselben Maschinen und dieselbe Art von Nutzern. Könnten diese ersten Schritte im Kampf gegen den Motorradlärm übernommen werden? Theoretisch ja. Derartige Lärmschutzzonen wie im Außerfern sind hoffentlich auch Teil des Plans für die angedachte „Dolomiti Low Emission Zone“, obwohl das Problem Lärm dort nicht erwähnt wird. Seltsamerweise ist das Problem Lärm und speziell Motorradlärm auch im neuen Mobilitätsplan 2035 ausgeklammert geblieben. Richtig ist aber auch die Schlussfolgerung der Tiroler Evaluierungsstudie: eine Dezibel-Obergrenze müsste großflächig angesetzt werden, um den Motorradverkehr nicht nur umzulenken. Die Lärmmessung bei Stand des Gefährts ist unzureichend, vielmehr muss auch bei den Herstellern angesetzt werden, um den Lärm an der Quelle zu fassen. Das heißt ganz einfach, Freizeit- und Sportgeräte, die bei normaler Nutzung eine bestimmte Lärmschwelle in dB überschreiten, dürfen nicht mehr zugelassen werden. Um dies durchzusetzen, wird die lärmgeplagte Bevölkerung aber ganz anders aufbegehren müssen als bisher.
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"Kann sich Südtirol daran ein Beispiel nehmen?"
Ja, durchaus. Aber mit unserer Autonomie wird man wohl zunächst fünf Jahre lang mit Rom verhandeln müssen.
Will man sich überhaupt ein Beispiel nehmen?
Herr Benedikter VIELEN DANK!
Als Anfang kònnte man Schilder wie "Bikers welcome" verbieten, denn die Bikers sind NICHT wilkommen!! Bikers sind die schlechteste Seite des Tourismus, denn mehr als hunderte Kilometer pro Tag, Làrm und Luftverpestung bringen sie nicht! Und da in andere Lànder kontrolliert wird, kommen viele zu uns wo sie Narrenfreiheit haben. Liebe Politik, gibt uns unsere Lebensqualitàt wieder zurùck: Làrm macht krank!
Diesen Artikel finde ich deutlich einseitig und voller Vorurteile und sicherlich von jemanden geschrieben, der nie (oder länger nicht mehr) mit einem Motorrad fährt. Alle Motorradfahrer in dem selben Topf werfen und Motorräder vom restlichen Verkehr zu trennen ist grundsätzlich falsch. Geschwindigkeitslimits und Lärmobergrenzen sollten für alle Fahrzeuge gelten. Hersteller müssen sich leisere Fahrzeuge einfallen lassen, Gesetzgeber dürfen keine lauten Aftermarket- Änderungen zulassen und Polizeikräfte sollen dies weiterhin kontrollieren. Aber für alle Fahrzeuge. Sonst verfallen wir in subjektive Präferenzen. Sie sind gegen Motorräder, ein anderer gegen Ebikes auf der Straße und ich möchte keine Wohnwagen und Camper außerhalb der Autobahn sehen. Aber Zusammenleben heißt nun mal das Andere akzeptieren (mit den oben genannten Einschränkungen wie Lärmobergrenze und Speedlimits).
Alle Biker sind gleich, einige gleicher, ich auch!
"Geschwindigkeitslimits und Lärmobergrenzen sollten für alle Fahrzeuge gelten "
Exakt richtig, in Tirol hat es noch andere abstruse Zustände z. B. den Overtourismus im Ziller, Ötz, Paznauntal usw. Will da Südtirol wirklich nacheifern?
Speedlimits gelten ohnehin für alle Fahrzeuge, da ist mir noch nie das Gegenteil aufgefallen. Wo Lärmmessungen überhaupt durchgeführt werden, würde mich auch sehr wundern, wenn auffrisierte Pkw's nicht gleichermaßen belangt werden. Am öftesten fallen die Einspurigen als Verursacher von starkem Lärm auf - und genau auf die Liebhaber akustischer Schwanzverlängerung zielt auch das Angebot der Hersteller auf diesem Sektor (wie auch analog bei den unnötig schweren SUV - Kübeln und den Angeboten für Geschwindigkeitsrausch und spritfressende Beschleunigung bei den Autos). Übrigens: Je hinterschattiger das Nest, desto protziger der Schlitten.
Die just-for-fun Lärmkulissen auf den Passstraßen sind mittlerweile unerträglich für Mensch und Tier. Aber Lärmgrenzwerte gibt es bisher nur für Siedlungsgebiete, außerhalb könnten durch Geschwindigkeitskontrollen und Motorradchecks etwas Linderung geschaffen werden. Passiert selten bis gar nicht. Es braucht in der Tat eine Strategie mit starken Maßnahmen ähnlich wie in Tirol.
Mit Absicht auf "laut" getrimmte Fahrzeuge sind eine echte Plage. In der Stadt, im Dorf und an den Passstraßen. Diese Art von Spaß auf Kosten der anderen ist komplett aus der Zeit gefallen und sehr egoistisch. Lärmkontrollstellen an den Brennpunkten (Pässe) sind längst überfällig. Dazu müssen schnellstens die gesetzlichen und technischen Grundlagen geschaffen werden.