Die beiden Volksabstimmungen in Mals und Brixen, die medial weniger ausgeleuchtete in Meransen, das Unabhängigkeitsreferendum in Schottland und die bevorstehende Abstimmung in Katalonien, sie alle bieten zurzeit Anlass, sich mit dem brodelnden Topf der Direkten Demokratie auseinanderzusetzen.
Direkte Demokratie ist in Südtirol nicht zuletzt dank des beharrlichen Einsatzes der Initiative für mehr Demokratie zu einer sowohl legal möglichen, als auch zunehmend politisch denk- und machbaren Option geworden. Eine Option, die zu neuen Herausforderungen geführt hat. Sowohl in Mals als auch in Brixen haben die direktdemokratischen Abstimmungen bestehende Spannungsfelder nicht aufgelöst.
Die Hoffnung, so sie denn eine war, durch eine Wahl zwischen unterschiedlichen Optionen Klarheit und Eindeutigkeit zu schaffen, wurde enttäuscht. Und sie konnte nur enttäuscht werden. Nicht weil die Antwortmöglichkeiten nicht die wirklich „richtigen“ waren oder weil die Gemeinde in der gestellten Sachfrage nicht wirklich entscheidungsbefugt war. Sondern weil komplexe Problemlagen, wie es sowohl jene in Brixen also auch jene in Mals sind, per se keine Engführung auf die einzig richtige, alle anderen Optionen logisch ausschließende Antwort zulassen. Spannungsfelder bleiben. Und Spannungsfelder sind erst einmal auszuhalten und dann ist mit ihnen ein Auskommen zu suchen. Keine einfachen Lösungen (die niemals wirkliche Lösungen sind), sondern ein Auskommen.
Neben der repräsentativen Demokratie, in der wir VertreterInnen wählen, die an unserer Stelle und in unserem Auftrag entscheiden, der direkten Demokratie, wo wir direkt zu einzelnen Sachfragen abstimmen, kommt in Südtirol langsam aber unaufhörlich die partizipative oder deliberative Demokratie an. Deliberation meint Beratschlagung und Aushandlung, sie meint, ins Gespräch kommen, sie weiß darum, dass neues Wissen - auch neues Tun, in komplexen Feldern nur durch kooperative Prozesse entstehen kann. Meine Oma hätte gesagt: dass niemand allein die Weisheit gepachtet hat.
Nicht umsonst spricht man im Mals, genauso wie in Brixen davon, dass es notwendig ist, sich nach Erfolgsrausch, Kränkungen und Trotzreaktionen an einen Tisch zu setzen und gemeinsam unterschiedliche Optionen durchzuspielen, Fäden wieder aufzunehmen und zu verknüpfen, weiter zu tragen und neue Wege zu beschreiten.
Das in seiner Tragweite kaum überschätzbare Potential dieser beiden Abstimmungen liegt im wachsende Bewusstsein darum, dass es in der Demokratie – wenn es um ihre Verfahren und ihre AkteurInnen geht - kein „entweder oder“ sondern nur ein „sowohl als auch“ geben kann. Und das ist für Südtirol doch allerhand.
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