Von Lederhosen und Speckknödeln
(Verallgemeinerung)
Bereits der Titel der Gruppe "Südtirol gegen kriminelle und gewalttätige Immigranten" enthält zwei Verallgemeinerungen, die mir zuwider sind: "Südtirol" und "Immigranten". Zum einen sind nicht alle in Südtirol dieser Seite freundlich gesinnt, wie diverse Kommentare und Beiträge zeigen. Auch ich zähle mich als Teil von Südtirol, finde die Gruppe jedoch geschmacklos. Zum anderen ist nicht jeder Immigrant kriminell und gewalttätig, doch eine Nebenwirkung der Wortwahl im Titel ist genau dieser Eindruck. Der Mensch neigt seiner Natur wegen grundsätzlich zur Verallemeinerung, was uns hinsichtlich der Evolution weitergebracht hat. Ich wage jedoch zu behaupten, dass wir es im 21. Jahrhundert nicht mehr nötig haben, uns dieser zu bedienen. Verallgemeinerung ist mit der Engstirnigkeit und Fremdenangst verwandt und zeitgleich unwahr. Man vergleiche: Südtiroler tragen Lederhosen und essen Speckknödel. Will sich denn jeder Südtiroler so definieren lassen? Nein?
Dann sollten wir auch jenen Aussagen gegenüber Vorsicht zeigen, die mit "den anderen" zu tun haben. "Immigranten" sind nicht kriminell und gewalttätig. Yousuf M., Karl Heinz W., Mohammed b.L., Massimo C., Charles M., sie sind gewalttätig. Man möge bitte personenspezifisch bleiben und nicht eine rassenspezifische Meinung verbreiten.
Von Nicht-Wissen und Falsch-Wissen
(Informationsmangel)
Ich betrachte die Seite nun weiter, lese Beitrag für Beitrag und Kommentar für Kommentar und komme zu dem Schluss, dass sowohl der Admin als auch die "Liker" der Seite Opfer von heillosem Informationsmangel sind. Als gebildeter Südtiroler darf sich (meiner offen gestanden nicht ganz so bescheidenen Meinung nach) nur jener bezeichnen, der seine Information nicht rein auf ein politisch beeinflusstes Tagblatt, sowie auf Negativität bzw. negative Nachrichten stützt. Weiters liest man wieder Verallgemeinerungen und irreführende, aus der Luft gegriffene "Tatsachen", die, wie meine Mutter sagen würde, auf der Brennsuppe dahergeschwommen sind.
Etwas weniger einseitige Medien-, dafür mehr objektive Realitäts- und Feldforschung blieben zu wünschen. Persönlich würde ich jeden "Liker" und den Admin voran zu einem Informations-, Aufklärungs- und Sensibilisierungswochenende im Haus der Solidarität zwangsverpflichten. Ich wünschte, meine Landsleute würden etwas mehr auf unsere neuen Mitbürger zugehen, anstatt diese Zeit darauf zu verschwenden, im Internet ihre Unwissenheit kundzutun.
Ich wünschte, meine Landsleute würden etwas mehr auf unsere neuen Mitbürger zugehen, anstatt diese Zeit darauf zu verschwenden, im Internet ihre Unwissenheit kundzutun.
Vom Ausländerdasein
Ich bin seit fast sieben Monaten selbst Ausländerin, nämlich eine Südtirolerin in Ostafrika. Diesbezüglich fühle ich mich im Recht, Aussagen wie "Ausländer werden in Südtirol mit offenen Armen empfangen" als lächerlich und realitätsfremd zu bezeichnen. Dies daher, weil ich erst hier erlebt habe, was "mit offenen Armen empfangen" wirklich bedeutet, was rein gar nichts mit Wohlstand (ich bin als Studentin ohnehin chronischem Geldmangel unterlegen), sondern mit Anstand zu tun hat. Mir ist bewusst, dass ich als Weiße in diesem Land große Vorteile genießen darf, jedoch wurde mir das niemals von den Einheimischen zum Vorwurf gemacht. Im Gegenteil: Mir wurde erst kürzlich gesagt, dass ich durch meine Diversität alleine, mein Anderssein also, zur Weiterentwicklung beitrage; hier ist man weitaus aufgeschlossener und bereiter zu lernen, dies durch Konversation und Interaktion. Und doch ist es nicht leicht; ich bin und bleibe "anders", was sich allem voran schon durch meine Hautfarbe zeigt. Ich steche heraus wie ein bunter Hund. Der Unterschied zwischen mir und den Immigranten in Südtirol ist und bleibt jedoch, dass die Blicke, die mich treffen, weder feindselig noch in jeglicher Hinsicht abweisend sind. Im Gegenteil, man blickt mich einladend an, winkt, lächelt und grüßt. Kinder sind neugierig und aufgeregt hinsichlich meiner "Andersheit". Dies alles trägt täglich dazu bei, dass ich den Kampf mit der Hitze, dem Staub, dem Lärm der Stadt und allen anderen Schwierigkeiten, auf die ich stoße, bewältigen kann.
Ein Immigrant in Südtirol fühlt sich nicht willkommen. Laut der Meinung einiger "darf" er sich auch nicht willkommen fühlen, denn er ist "Gast" und hat als solcher gefälligst dankbar zu sein für die Brotkrumen, die wir ihm hinschmeißen. (Ich lasse an dieser Stelle die Dreistigkeit, mit der ein Asylant als "Gast" bezeichnet wird, bis auf ein Kopfschütteln unkommentiert).
Ich steche heraus wie ein bunter Hund. Der Unterschied zwischen mir und den Immigranten in Südtirol ist und bleibt jedoch, dass die Blicke, die mich treffen, weder feindselig noch in jeglicher Hinsicht abweisend sind. Im Gegenteil, man blickt mich einladend an,
Von Scheinheiligkeit und Oktoberfesten
Es ist schon geschmacklos, was man so liest. Einen neuen "Führer" bräuchten wir, so heißt es in einem Kommentar. Südtirol solle wieder "gesäubert" werden. Mir ist in meiner Zeit in Afrika scheinbar entgangen, dass arisch-rein wieder "in" und solche Aussagen wieder legal sind (als ich noch in Südtirol war, galt dies als Volksverhetzung und war strafbar). Unter dem Strich steht eine klare Idee: Es muss raus, dieses "Pack", das unsere Kultur und Religion "mit Füßen tritt".
Ich belächle meine MitbürgerInnen, die fleißig von jener Kultur schreiben, die sie selbst erst seit zwei bis drei Jahrzehnten erleben. Ich entschuldige mich, doch von Lausbuben und -gören, die von Kultur weniger verstehen als von der neuesten App für ihr Smartphone, lasse ich mich nicht über Kultur belehren. Dies beiseite gelegt, so frage ich mich doch, wie viele der "Urväter" sich wohl im Grabe umdrehen, wenn der Geist Adolf Hitlers wieder beschworen wird. Und ich frage mich auch, wie schwach unsere Kultur denn ist, wenn allein die Anwesenheit anderer sie zu erschüttern vermag. Und ist es wirklich die Ankunft der Immigranten, die unsere Kultur gefährdet, oder ist sie nicht schon lange vorher zu einer Parade von Oktoberfesten, Kirchtagen und Frühshoppen verkommen, in deren Bierstrom das "Erbe der Urväter" ersoffen ist? Unsere Religion werde überrannt von den Islamisten, so heißt es an anderer Stelle. Ich schicke voraus, dass der Kirchgang wohl für meisten der so kommentierenden zu einem Vorspann für sonntägliches Frühshoppen gilt, wenn er denn überhaupt praktiziert wird (dies ist selbstverständlich eine rein empirisch erfasste Meinung meinerseits); gehalten wird ja nicht, was gepredigt wird ("Du sollst deinen Nächsten lieben, wie dich selbst", Lev 19,18)
Ich entschuldige mich, doch von Lausbuben und -gören, die von Kultur weniger verstehen als von der neuesten App für ihr Smartphone, lasse ich mich nicht über Kultur belehren.
Ich lebe zur Zeit in einem Land, in dem mehrere Religionen friedlich miteinander umgehen, hauptsächlich Christen und Muslime. De facto sind etwa 15 Prozent Muslime, was jedoch in keinster Weise negative Auswirkungen auf beide hat. Man schätzt und respektiert einander. Christen nehmen an Eid teil (das Ende des muslimischen Ramadan) und Muslime gehen mit ihren christlichen Freunden an Weihnachten in die Kirche. Kennenlernen, Aufgeschlossenheit und Toleranz sind der Schlüssel.
Von bunten Hunden und Ziegenböcken
Ich habe bereits erwähnt, dass ich mich in Afrika öfters als bunter Hund fühle. Das mag belustigend klingen, ist es aber nicht. Anders sein ist schwer. Ich unterscheide mich nicht nur in Hautfarbe, sondern auch in Kultur und zum Teil im Geist. Es gab und gibt Situationen, in denen ich verzweifeln will. Ich gestehe an dieser Stelle, dass mir in ein oder zwei Situationen selbst fast die Hand "ausgerutscht" wäre bzw. ich nicht ganz so höflich war. Als Tochter einer guten Mittelstandsfamilie, die sich offen gesagt niemals um ihr Leben sorgen musste, fällt es mir allerdings nicht allzu schwer, mich zu beherrschen. Ich schließe die Augen, atme tief durch, erinnere mich daran, dass ich jeder Zeit wieder nach Südtirol zurückkehren kann. Betrachtet man jedoch die Gegenseite, die Menschen, die sich Stunde um Stunde Sorgen machen (sei es aufgrund von Armut, Krieg oder anderem), die in einer "Ellbogenwirtschaft" leben, in der nur der Stärkere überlebt, fällt es da wirklich so schwer zu verstehen, dass man mit Abwehr und im Extremfall mit Gewalt auf eine in sich geschlossene Gemeinschaft von kleinbürgerlichen, nach Gewäsch süchtigen und gegen jede Art von Diversität feindseligen Südtiroler zugeht? Ich kann wieder nach Hause, wo meine Familie mit selbstgemachten Marillenknödeln auf mich wartet. Was erwartet den Immigranten bei der Rückkehr in seine Heimat, der – wie in den meisten Fällen – sein Land nicht wie ich auf der Suche nach Abenteuer und Sonne verlassen hat, sondern weil er musste? Auch Marillenknödel?
Sensibilisierung, Eingliederung und Aufgeschlossenheit auf beiden Seiten ist erforderlich. Doch wenn zwei sture Böcke, der eine Ausländer, der andere Einheimischer, aufeinander stoßen, wen wundert es, dass es kracht? Ich verunglimpfliche hier nicht die Gewalttaten, die von Ausländern verübt werden, doch ich verlange, dass die Gegenseite nicht die Gesamtschuld von den Einheimischen weist. Ergo: Hörner einziehen, Großmaul schließen und Ohren auf. Denn nur wer hört, der lernt.
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