Ausgangspunkt der ganzen Geschichte sind die 1987 geborene, US-amerikanische Spiel-Entwicklerin Zoe Quinn und ihr Spiel „Depression Quest“. In „Depression Quest“ – einem relativ textlastigen Spiel – geht es um das bessere Verständnis von Depression und vor allem von unter Depressionen leidenden Menschen:
„Zunächst einmal wollen wir so klar wie möglich illustrieren, wie es ist, unter Depressionen zu leiden, sodass Betroffene vielleicht besser verstanden werden. Hoffentlich kann dies die soziale Stigmatisierung sowie Missverständnisse bewusst machen, mit denen die Betroffenen konfrontiert sind. Des Weiteren ist es unsere Hoffnung, dass Betroffene sich – dadurch dass Depression so real wie möglich simuliert wird – bewusst werden, dass sie nicht allein sind, und hoffentlich fühlen sie sich dadurch ein wenig besser“
So weit so gut. Das Problem: Zoe Quinns Exfreund, der ebenfalls Spiele entwickelte, veröffentliche auf einem Blog unter dem Titel „The Zoe Post“ Details über ihre frühere Beziehung und beschuldigte sie, ihn mit einem Journalisten betrogen zu haben, um an gute Rezensionen zu kommen. Was daraufhin losbrach, war ein Sturm der Entrüstung – Zoe Quinn wurde zum Hassobjekt der Szene.
Das alles reicht aber noch nicht, um die #Gamergate-Geschichte zu erklären. Bis es dazu kam, spielten noch einige Tatsachen und Akteur/innen eine bedeutsame Rolle: Eine davon war Anita Sarkeesian.
Feminist Frequency und Anita Sarkeesian
Sarkeesian, eine feministische Online-Aktivistin und -Kritikerin, beschäftigt sich schon seit geraumer Zeit mit Sexismus in der Gamer-Szene und vor allem in den Spielen selbst. Ihre Untersuchungen macht sie der Öffentlichkeit über ihren youtube-Channel „feminist frequency“ unter dem Titel „Tropes vs. Women in Video Games“ zugänglich. Darin kommt sie zu dem Schluss, dass Video-Spiele seit ihrer Entstehung zu einem größten Teil auf Männer als Zielgruppe zugeschnitten seien und nach dem Motto „Sex sells“ Frauen als passive, unterwürfige und hypersexualisierte Opfer darstellten.
Sarkeesian erhielt Morddrohungen und zahllose Beschimpfungen. Im Oktober hätte sie an Utah State University einen Vortrag über ihre Forschungsergebnisse halten sollen. Nach dem Erhalt einer Anschlagsdrohung, fragte sie an der Universität nach, ob das Tragen von Feuerwaffen an der Universität erlaubt sei beziehungsweise ob die Universität das Tragen von Feuerwaffen für diesen Tag verbieten könne. Die Antwort war ernüchternd: "If a person has a valid concealed firearm permit and is carrying a weapon, they are permitted to have it at the venue." Sarkeesians Vortrag wurde abgesagt. Sarkeesian berichtete darüber und über ihre Forschung und ihre Ansprüche an die Szene dem Sender „Comedy Central“ am 30. Oktober.
Dan Goulding, ein Journalist, veröffentlichte nach der Absage von Sarkeesians Vortrag in Utah (wie viele andere seiner Kollegen auch) einen mittlerweile sehr berühmten Text unter dem Titel „The End of Gamers“, der sich mit der extremen Frauenfeindlichkeit und Missgunst der Szene und der „Identität des Gamers“ auseinandersetzte, die sich ihm zufolge auch aus Geschlecht und Geschlechterzuschreibungen konstituierte. Er verweist darin unter anderem auf die Forschungsergebnisse von Adrienne Shaw, die bereits 2012 auf die Marginalisierung nicht nur von Frauen, sondern auch von people of color oder etwa LGBT-Personen (LGBT steht für lesbian, gay, bisexual und trans, bezeichnet also marginalisierte sexuelle Orientierungen).
Unter diesen Voraussetzungen lief die „Affäre“ völlig aus dem Ruder. Verschwörungstheorien, dass es sich bei der öffentlichen Aufmerksamkeit, welche #Gamergate hervorrief, um eine Verschwörung des Gamer-Journalismus handelte, entstanden ebenfalls sofort. Interessanterweise liegen bisher aber keine Berichte über Drohungen gegen Männer vor, die sich– wie etwa Dan Goulding – mit ihren Kolleginnen solidarisiert hatten und #Gamergate verurteilten. Drohungen richten sich ausschließlich gegen die in der Szene aktiven Frauen, welche den Status Quo hinterfragten und – wie Sarkeesian es ausdrückte – die Gamer-Szene nicht mehr als „Young-Boys-Club“ akzeptieren wollen.
Altbekannte Systematik
Doch die Muster sind nicht neu: Als Emma Watson ihre couragierte Rede über die Kampagne heforshe hielt (auch wenn es auch da Punkte zum Kritisieren gibt!), erhielt sie Drohungen. Die Darstellerin des berühmten Videos über street harassment in New York erhielt Drohungen. Auch die online-Aktivistin Brianna Wu, die mehrere Tweets über Sexismus in Video-Spielen veröffentlichte, wurde öffentlich beschimpft und bedroht. Im deutschsprachigen Raum ließe sich vielleicht noch die #aufschrei-Kampagne nennen, die ebenfalls massiv angegriffen wurde.
Jetzt zu sagen, das ist das böse Internet – und uns im kleinen Südtirol interessiert das nicht – wäre naiv. Denn feministische Positionen und offenbar Frauen in bestimmten Positionen, die sich das Recht herausnehmen, Vorgänge zu kommentieren (wie können sie es wagen!), sind auch im Kleinen ein offensichtliches Problem; wenn jede/r jede/n kennt, vielleicht sogar ein noch größeres. Da wird etikettiert, da wir schubladisiert, da wird ge- und beschimpft, Kommentare in manchen Südtiroler Nachrichtenforen sprechen Bände.
Aggiungi un commento
Effettua il login per aggiungere un commento!Commenti