Kurt W. Zimmermann, Herausgeber des Wochenmagazins 'ff ' tritt den Kaufhausgegnern auf die Füße, indem er meint: Die Südtiroler wollen's am liebsten klein und gemütlich haben, weshalb Investoren abspenstig gemacht und Großprojekte verhindert werden. Interessanterweise geht er in der Schweizer 'Weltwoche' den umgekehrten Weg und hält seinen Landsleuten den Spiegel am Positiv-Beispiel Südtirol vor. Dies hat ihm den Kommentar 'Janusköpfiger Zimmermann' eingebracht.
Lassen Sie uns die Sache doch mal anders sehen:Bozen wacht gerade langsam auf, die alten Machenschaften der Politik werden nicht mehr einfach hin genommen, wie sie es mal ganz selbstverständlich von ihrem Volk erwartet hat. Dieses wurde lange als etwas Religiöses akzeptiert: die Macher planen heimlich, dann darf man sich über Leserbriefe 3 Wochen lang darüber mokieren und am Ende wird gehandelt. Die Beispiele sind zahlreich genug... Doch wo früher die hohe Politik waltete und Dinge, die längst beschlossen waren, über alle Köpfe hinweg umsetzte, tut das heute, wer das Heft, sprich die Kohle in der Hand hat und zwar über so genannte 'private public partnership', Vertragsurbanistik, Lobbying, Co-Gesetzgebung o.ä.
It's the economy, my dear!Benko hat beschlossen. Bei einer Gewinnmarge von 20, manchmal 25% (Bankkonto: 0,25% !) im Investitionsgeschäft wartet man nicht auf demokratische Entscheidungen, sondern überlegt sich Wege, wie man schneller an sein Ziel kommt, deshalb ist er auch ein „vom OGH in erster und zweiter Instanz zu einem Jahr bedingter Haft wegen „versuchter verbotener Intervention“ verurteilter Mann“. (Die Presse 11.08.2014)
Hier werden ständig zwei Sachen vermischt:Brauchen wir ein Kaufhaus? Und: Soll die Politik (und damit wir Public) sich die Hosen und die Haut von einem Investor abziehen lassen, nur weil sie angeblich auf seine Millionen angewiesen ist? Er schenkt sie uns eh nicht, sondern setzt sie gewinnbringend in seinem Interesse ein. Dafür auch noch ein maßgeschneidertes Gesetz zu schreiben, ist nun sein System und der Hauptgrund, warum sich Bürger musizierend in den Park setzen (siamo tutti responsabili!), ein vier Meter hohes Pferd bauen und damit durch die Straßen ziehen, und ihre Freizeit mit ehrenamtlicher Öffentlichkeitsarbeit verbringen. Die weitere Entwicklung in Bozen kann jetzt wirklich nicht mit Benko oder Ebner, oder sonst wem in einem Bade ausgeschüttet werden, Benko wird persönlich ein netter Typ sein, aber ob sein Kaufhaus da hin gehört, wo die Stadt ihre Grünflächen hat, beispielhafte Bauten aus den 1960er Jahren wie der Busbahnhof, die IP-Tankstelle am Verdiplatz stehen, die Bauten von Ing. Armando Ronca in der Südtiroler Straße, usw., die weitaus mehr städteplanerisch gedacht sind (hoch-niedrig, Ausblicke, Logistik, Nutzungsmischung usw.) muss und darf ganz einfach bezweifelt werden. Und: diese Stadtviertel haben sich schrittweise entwickelt und nicht auf dem Reißbrett von einem einzigen Investor, der ganze Straßenzüge einkauft wie manch einer eine Jeans. Geht so eine Idee schief, wie der Film von Ulli Gladik 'Global Shopping village' (lief im Jänner in Bozen, siehe hier) zeigt, dann sicher nur für die Stadt. Soviel zu Ihrem 'wir brauchen Privat' – Yes, but!
Ihr Sittenbild Südtirols,ich habe es genüsslich gelesen und ich kann es in Teilen unterschreiben. Die Seilschaften sind noch da und funktionieren von oben nach unten intakt. Ebner ist Handelskammerpräsident und vertritt sich hauptsächlich selbst (war schon als EU-Abgeordneter so, als er sich Zuschüsse für die Unterhaltung einer Minderheitenmedien genehmigte, womit er zuhause reihenweise Bezirkszeitungen schloss!), doch wankt sein Einfluss. Leserinnen und Leser sind nicht mehr so vordemokratisch, wie der Seilschaftsführer sie braucht, deshalb operiert der Mächtige auf vielen Ebenen. Die Marionetten in der 'Seilschaft' halten zwar weiter still, aber es ist weiter unten, wo sich langsam der Mut durchsetzt, Unmut auch zu äußern. Wenn die Richtung nicht stimmt, hakt man sich irgendwann aus.
Sie müssen Ihr Stimmungsbild ergänzen: Es entsteht eine neue Kraft von unten, da kann es um Politikerrenten, Pestizide, Kaufhäuser gehen, die Leute sagen einfach mal nein, die müssen nicht sofort eine bessere Lösung in petto haben, wie immer gleich gefordert wird, es reicht auch, am Anfang einfach mal nein zu sagen, das ist nicht krankhaft, wie Sie meinen, nein!
Das können sie den Lesern schon mal sagen, wenn Sie beim nächsten Mal in der 'Weltwoche' Südtirol als die Gegend preisen, wo im Gegensatz zur Deutschschweiz aber so richtig was weiter geht, wie passt das denn zusammen? Ist es doch so, die Wirtschaft treibt die Politik vor sich her, wie es in den letzten Monaten anschaulich vorgeführt wurde? Dieses Privat brauchen wir nicht, Herr Zimmermann, das wirft uns um Jahrhunderte zurück in die Vordemokratie, das lasse ich mir nicht als Fortschritt verkaufen!
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città nostra Bolzano - Bozen unsere Stadt
sobald der Barbesitzer im Bild rechts eine ähnlich attraktive Umgebung hat wie die Lokalbesitzer im Bild links, wird er ähnliche Umsätze machen. Dann wird auch dieses Stadtviertel zu leben beginnen...
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