Da ist es passiert: Bozen hat über das Kaufhaus-Projekt abgestimmt. Nein, keine knappe Wahl, keine diskussionswürdigen 49 zu 51 %... satte 64,39% der abgegebenen Stimmen sind für den Bau des Einkaufszentrums.
Nun kann man sich darüber unterhalten, ob die Form der Volksbefragung die richtige war oder ob sie wirklich bindend ist, ob sie den demokratischen Spielregeln entspricht oder nicht. Das sind alles Dinge, die eine Tatsache auslassen: exakt 34 027 Menschen haben sich zu Wort gemeldet und nahmen diese Befragung ernst, haben sich (hoffentlich) mit dem Projekt auseinander gesetzt und möchten nun, dass es endlich in die ein oder andere Richtung weiter geht. Die Richtung wurde nun beschlossen. Man kann sich darüber auslassen, wie bindend solche Umfragen grundsätzlich sind, 37% Wahlbeteiligung ist nicht gerade berauschend. Am Ende bleiben immer noch exakt 34 027 Menschen übrig – das ist eine ganze Kleinstadt – die ein Recht darauf haben, dass ihre Stimme auch Gewicht erhält.
Egal wie, die abgegebenen Stimmen muss man ernst nehmen, wenn man dies vorher so verlauten ließ, wofür wäre sonst diese Befragung gut gewesen? Und wenn man sie ernst nimmt, haben alle Beteiligten eine klare Botschaft erhalten. Das mag für die Gegner ein herber Schlag sein, auch ich persönlich bin enttäuscht vom Ausgang der Befragung. Allerdings, in welcher Form auch immer die Bürger befragt werden, wenn sie Antworten geben, dann muss man diese respektieren und das Ergebnis umsetzen. Das ist ein Grundsatz der Demokratie. Das Beispiel Baden Württemberg, Stuttgart 21 und die Partei der Grünen unter Winfried Kretschmann haben es vorgemacht. Als Gegner des Bahnhofprojektes wurden sie gewählt, als Gegner desselben ließen sie eine Volksbefragung durchführen und als Gegner haben sie sich dem Willen der Bürger unterworfen, als es hieß: Ja zu S21 und haben sich genauso auch immer wieder positioniert. Das ist lupenreine Demokratie. Übrigens: geschadet hat es ihnen nicht, im Gegenteil.
Für Bozen bedeutet das: anstatt weiter die Fronten zu verhärten, weiter mit dem Kopf durch die Wand laufen zu wollen, weil man gegen das Projekt ist und weil man aus irgendwelchen Befindlichkeiten, aus Sturheit oder aus Ignoranz, aus Wut oder Enttäuschung über die verlorene Wahl nicht von seiner Meinung abrücken kann, wäre es vielleicht nicht die schlechteste Idee erst einmal Ruhe zu bewahren. Die Welt geht nicht zugrunde, weil in Bozen ein (weiteres) Einkaufszentrum entsteht. Am Ende werden alle mit den Konsequenzen leben: ob sich nun Bozens Einzelhandel massiv verändert oder das Kaufhaus ähnlich einiger anderer Einkaufszentren einen schweren Stand hat, nie so richtig gut läuft und am Ende händeringend nach einem Ausweg gesucht wird (Vergleiche das Einkaufszentrum Gerber in Stuttgart), die Stadt Bozen wird es weiterhin geben, ihre Bürger werden weiterhin in Bozen ein im weltweiten Vergleich außerordentlich gutes Leben führen können.
Viel wichtiger, wie die verlorene Wahl ist die Frage: wie kann nun dieses Projekt tatsächlich noch einen Mehrwert für die Bozner bringen? Möglich wäre es durchaus und die Lösung liegt auf der Hand, hört sich logisch schön an, wird aber am Ende unglaublich schwer umzusetzen sein, was aber nicht bedeutet, dass man es nicht probieren kann oder sogar muss: Politik, Vereine, Verantwortliche und diejenigen Bürger, die dieses Projekt direkt betrifft, müssen sich zusammen setzen und gemeinsam über das Projekt diskutieren, um die ein oder andere Problemstelle zu beseitigen. Dabei kommt dem Investor und seinen Mitstreiter eine zentrale Rolle zu: das Projekt muss auf verständliche und nachvollziehbare Weise öffentlich erklärt werden, Änderungen publik gemacht werden und konstruktive Kritik ernst genommen werden.
Es reicht nicht, irgendwelche netten Prospekte und Bilder in Zeitungen zu veröffentlichen. In regelmäßigen Abständen muss über das Projekt berichtet werden: Kann eventuell noch an der Kubatur etwas getan werden, damit der Park nicht noch mehr beschnitten wird? Wie sieht der tatsächliche, geplante, öffentliche Raum aus? Welche Pflanzen wird es dort geben, welche Bodenbeläge? Was für Beeinträchtigungen wird es wegen der Baustelle geben? Wie laut wird es für die Nachbarn? Wie ist der aktuelle Planungsstand? Gibt es Veränderungen an Form und Nutzung? Wer kommt als Mieter für das Kaufhaus in Frage, wer wäre wünschenswert, wer wäre notwendig, wer würde den Einzelhandel bedrohen? Wie sieht die Fassade im Detail aus? Wie sehen die Wohnungen im Detail aus? Wie groß werden die einzelnen Geschäfte? Diese und noch viel mehr Fragen werden sich im Laufe der Planung und der Bauzeit ständig verändern und immer neu angepasst werden müssen, neue Fragen werden auftauchen, neue Probleme werden gelöst werden müssen. Und genau hier hat die Stadt die Pflicht sich einzumischen und dafür zu sorgen, dass das Einkaufszentrum kein Desaster für die Bozner wird.
Nur durch transparente und auch tatsächlich willige Zusammenarbeit der unterschiedlichen Akteure in solch einem Veränderungsprozess kann dieses Projekt sicher noch den einen oder anderen Akzent durch die Stadt Bozen bekommen und dem Investor zeigen, dass man es ernst meint mit Stadterneuerung und Fortschritt.
Oder hat jemand noch Lust, dass diese teils lächerlichen und zu nichts führenden Streitereien im Vordergrund stehen während im Hintergrund ohne Rücksprache und ohne Miteinbeziehen der Stadt bereits fleißig gebaut wird?
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salto.bz
Heinz Peter Hager zwischen Journalisten.
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