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Selbstmord

„Es ist an der Zeit, darüber zu reden“

Acht Selbstmorde junger Männer seit 2015 allein im Pustertal und Eisacktal: Grund genug, ein jahrzehntelanges Tabu zu brechen, findet Schulleiterin Marlene Kranebitter.
Di
Ritratto di Susanne Pitro
Susanne Pitro16.05.2017

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Ritratto di Pasqualino Imbemba
Pasqualino Imbemba 16 Maggio, 2017 - 05:52

Danke für den Artikel und Danke an Frau Kranebitter: Das Thema schlichtweg zu ignorieren ("Gentlemen's Agreement" - ein beschämender Euphemismus) ist sicherlich falsch; eine sachliche und kritische Auseinandersetzung mit unserer Gesellschaft sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung.

Ritratto di Tomas Kofler
Tomas Kofler 16 Maggio, 2017 - 08:28

Im fernen Jahr 1999 habe ich den Chefredakteur des Südtiroler Tagblattes zu diesem Thema angesprochen und den Zweck des Agreements erfahren wollen. Hier die Antwort: In Wien gab es Jahre zuvor eine Suizidwelle, bei der sich Menschen vor die U-Bahn geworfen hatten. Als die Österreichischen Medien beschlossen, nicht mehr über diese Fälle zu berichten, ging die Zahl enorm zurück (den Prozentsatz weiß ich leider nicht mehr) da der Nachahmer Effekt ausblieb. Daher wurde beschlossen, nicht mehr über Einzelfälle zu berichten.
Trotz Parallelmedien hat ein Stillschweigen immer noch Sinn, da auf Facebook, Whatsup usw. nur der erweiterte Bekanntenkreis davon erfährt. In der Zeitung erfahren es hingegen auch unbeteiligte Suizidgefährdete.
Die Schulleiterin vermischt hier zwei verschiedene Themen. Über Situationen die schlussendlich zum Suizid führen, über die sozialen Probleme der Jugendlichen, den Druck der Eltern usw. sollte sicherlich berichtet werden, aber nicht über Todesfälle. Denn in dem Fall hat man indirekt Menschenleben auf dem Gewissen. Leider ist es unmöglich, die Menschenleben zu quantifizieren, die durch die Nicht-Berichterstattung in den letzten 20 Jahren gerettet wurden.

Ritratto di Felix Huber
Felix Huber 16 Maggio, 2017 - 13:55

Das Jahr 1999 ist wirklich fern! Die damaligen Probleme nicht.
Unsere Gesellschaft hat sich verändert, weiter (?) entwickelt. Für traditionelle Werte muss man sich heute fast schämen, weil 'für alles offen sein' den neuen Wertekanon bestimmt. Orientierung ist zur Beliebigkeit geworden. – Nur mit dem gesellschaftlichen Umgang mit Selbsttötungen haben wir uns nicht weiter entwickelt?
Nicht-Berichterstattung mag Menschenleben verlängert und/oder „gerettet“ haben. Hat es die Lebensqualität der Betroffenen verbessert? Warum sollte der Nachahme-Effekt nicht auch in umgekehrter Richtung funktionieren?

… Fand sich einer wieder, wie er auf einer Mauer stand und in das darunter vorbei fließende Wasser hinein starrte. Er stellte sich vor, wie es wäre hinein zu fallen und einfach so vom Wasser davon gespült zu werden. Er fiel nicht hinein... Und hinein hüpfen wollte er nicht, noch nicht. Er dachte sich: Diesmal kehre ich noch mal nach Hause zurück. Die nächsten Stunden werde ich schon noch ertragen; Die nächsten Tage überstehen. Und – vielleicht fällt auch mir eines Tages ein Fünkchen vom Glück zu? Und wenn nicht, dann kann ich ja wieder kommen.

Um eine Form für den Umgang mit dem Thema zu finden, kann es hilfreich sein, die Wortwahl ein mal etwas näher zu betrachten:

SUIZID: Dieses Fremdwort ist geeignet für studierte Leute, die in weißen Kitteln und sterilen Gummihandschuhen zu Werke gehen.

SELBSTMORD: Das ist ein abwertender, verurteilender Ausdruck. Unter „Mord“ stelle ich mir etwas Brutales, Gewalttätiges vor, das gegen den Willen des Betreffenden passiert. Mit Mord will verständlicher Weise niemand was zu tun haben. Wer von Selbstmord spricht signalisiert damit, dass er die Angelegenheit von sich schieben und sich nicht eingehender damit befassen will. Um ein Lebenslichtlein, das ohnehin nur mehr so flackert, verlöschen zu lassen, braucht es nicht viel Gewalt.

FREITOD: Klingt beschönigend, verharmlosend und ist wohl nicht wirklich aus echtem freien Willen, sondern „nur unter diesen Umständen“ frei gewählt.

SELBSTTÖTUNG: Ein klares, einfaches, neutrales, deutsches Wort; Bezeichnet das Geschehen ungeschmückt und vorurteilsfrei.

Ritratto di Tomas Kofler
Tomas Kofler 17 Maggio, 2017 - 08:10

Roger Pycha bestätigt im Interview https://www.salto.bz/de/article/16052017/rund-die-haelfte-hatte-eine-dep... im Prinzip was ich gesagt habe.
Berichterstattung über Selbstmorde (Suizide, Freitode, usw… Ich denke dass die Formulierung absolut das letzte ist, um das wir uns kümmern müssen) NEIN,
Diskussion und Aufklärung JA.
Man muss das Problem an der Wurzel bekämpfen: Also Depressionen, Alkoholsucht, Leiden… Der Selbstmord ist nur das Resultat.

Im Interview sagt dieser Satz eigentlich alles: „Die Zahlen sprechen für sich: 70 Prozent alle Opfer hatten psychiatrische Symptome, waren als in irgendeiner Form psychisch krank. 50 % davon hatten Zeichen einer Depression und bei etwa 25 Prozent war eine Alkoholsucht mit im Spiel. Wenn man solche Daten hat, kann man dann zum Beispiel auch sagen: Wir müssen in Südtirol die Depression und den Alkoholismus bekämpfen, dann reduzieren wir auch die Suizidrate.“

Ritratto di Felix Huber
Felix Huber 17 Maggio, 2017 - 12:15

Es scheint sich um ein Missverständnis zwischen: "Darüber reden" und "Darüber (reißerisch) berichten", zu handeln.
Im Übrigen heißt das, was für Sie das Letzte ist, für mich: einfach nicht ernst genommen zu werden. Die Verwendung negativ behafteter Begriffe erschwert das Gespräch. Verschiedene Menschen. - Verschiedenen Situationen. - Verschiedene Ansichten.

Ritratto di Mara Mantinger
Mara Mantinger 16 Maggio, 2017 - 15:06

Frau Kranebitter hat Recht, wenn sie darauf hinweist, dass über dieses Problem gesprochen werden muss. Nicht nur, um im gesellschaftlichen Diskus Lösungsmöglichkeiten bspw. für Schulen zu erarbeiten - es hat sich gezeigt, dass Berichterstattung, die über konstruktive Bewältigungsmethoden in einer suizidalen Krise berichtet, auch zu einem Rückgang der Suizid-Rate führen kann (Papageno-Effekt). Ein wichtiger Bestandteil dessen ist, dass bei Berichten über Suizide immer Hilfsmöglichkeiten aufgezeigt werden, die ich hier gerne nachreichen würde:

Falls du eine Person kennst, von der du weißt, dass sie Suizidgedanken hegt: Zögere nicht, sie darauf anzusprechen und zu fragen, was du tun kannst. Hilfe und Unterstützung gibt es – auch für dich, wenn dir dein Leben nicht mehr sinnvoll erscheint – rund um die Uhr unter der Grünen Nummer der Caritas. Du kannst dich aber auch an deinen Hausarzt, die Erste Hilfe oder den Psychiatrischen Dienst deines Krankenhauses wenden.

Ritratto di Stereo Typ
Stereo Typ 17 Maggio, 2017 - 12:43

Marlene Kranebitter spricht etwas Wichtiges an: den großen Leistungsdruck auf junge Menschen. Im Alltag bleibt für Eltern, Lehrpersonen und andere Bezugspersonen wenig Zeit, mit den Kindern und Jugendlichen darüber zu sprechen, wo ihnen der Schuh drückt. Es geht oft darum, irgend ein Plansoll zu erfüllen: gute Leistungen in der Schule, gute Leistungen in der Freizeit, bei Sport, bei Musik und - ach ja, der Urlaub soll auch generalstabsmäßig geplant werden. Wir Erwachsenen sind gefragt, Lösungen zu suchen, um auch selbst aus der Spirale herauszukommen. Das Kind steht jedenfalls im Mittelpunkt, zu Hause, in der Schule und überhaupt.

Ritratto di Felix Huber
Felix Huber 23 Maggio, 2017 - 14:33

Die Erinnerung an einen Artikel über „Kinderparlament“ veranlasst mich zu ergänzen:

Was (hier) fehlt, ist die Stimme der Jugendlichen und Betroffenen selbst! (Die Zahl von Erwachsenen-Selbsttötungen ist nicht geringer.)

So nahe Psychiater, Psychologen, Lehrer, Erzieher, Eltern, Freunde... Lebensmüden auch sind, können sie doch nur mutmaßen, ob der Leistungsdruck da oder/und dort zu viel ist, und welcher Tropfen für den Einzelnen das Fass zum Überlaufen bringt.
Berichte, wer sich wo und WIE vom Leben befreit hat, sind verzichtbar. Wichtiger ist die Erforschung und Klärung der Frage WARUM. - Warum verlieren Menschen das Vertrauen in das Leben / die Zukunft, das Vertrauen in die Gesellschaft / die Hilfsangebote, und warum verliersen sie schließlich das Vertrauen in sich selbst? Warum haben manche mehr Angst vorm Leben als vor dem Sterben? Dafür braucht es eben eine Tabu-freiere Gesprächsatmoshäre. Dann ist es leichter, an der Todessehnsucht vorbei bessere Lösungsalternativen zu finden.
(Für jemanden wie diesen Viktor Staud, der 1. von weit herkommt, 2. danach wieder nach draußen verschwindet, 3. das Ereignis lange zurück liegt, wo 4. keine „persönliche Schuld“ für die Depression und Panikstörung erkennbar ist und der 5. nebenbei Werbung für sein Buch macht, ist es natürlich leichter darüber zu reden, als für jemanden mit ungelösten Problemen mitten unter uns.)

Ritratto di Werner Pixner
Werner Pixner 20 Dicembre, 2017 - 17:05

SCHWEIGEN und NICHT BERICHTEN nützt : vor allem dem unfähigen Systen an Sozialbetreuern, Polizeiorganen, Richtern, Psychologen und nicht zu letzt Politikern ... das ja nicht aufkommt, dass man in Südtirol GAR NIX "Im Griff hat":
Wenn "MANN" in Südtirol am Ende ist dann ist "MANN" aleine. dann ist Selbstmord die einzige Lösung um die psychische Qual zu beenden die Anwälte und Richter zur eigenen Bereicherung ausüben. Die öffentlichen Stellen sind "Nicht Zuständig!", "Machen Dienst nach Vorschrift und keine Sekunde länger. und bis auf ein Paar finanziell ausgehungerte Selbsthilfegruppen gibt es in Südtirol GAR NIX. .

>Caritas Männerberatung
>Männerinitiative Pustertal MIP

Wernn FRAU in Südtirol ein Problem hat dann läuft sie Maschienerie Sturm!!
>19.0.1. Frauenbüro(öffentlich) (Ein Mänerbüro gibt es nicht!!!)
>Beratungsstelle für Frauen in Gewaltsituationen - Frauenhaus Verein “GEA”
>Geschützte Wohnungen – Verein „Haus der geschützten Wohnungen des KFS”
>Beratungsstelle für Frauen in Gewaltsituationen - Frauenhaus der Bezirksgemeinschaft Eisacktal
>Beratungsstelle für Frauen in Gewaltsituationen - Geschützte Wohnungen der Bezirksgemeinschaft Pustertal
>Beratungsstelle für Frauen in Gewaltsituationen - Frauenhaus Verein “DONNE CONTRO LA VIOLENZA –...

und überhaupt die ARMEN ARMEN Frauen.

Zu Mara Mantinger 16.05.2017, 15:06
"Du kannst dich aber auch an deinen Hausarzt ..." hab ich gemacht .... ANTWORT: welche BeruhigungsTropfen soll ich dir geben"

"die Erste Hilfe oder den Psychiatrischen Dienst deines Krankenhauses wenden."
ANTWORT: "eingentich fehlt ihm nichts"

also hört mit erem Selbstlob auf.

kranebitter.jpg
Foto: Privat
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