Angelegt war die Diskussion als klassisches Pro und Contra: Hier der Bauernbund-Direktor Siegfried Rinner, dort Bioland-Präsident Michael Oberhollenzer. Hier der Mann des konventionellen Anbaus, geerdet und pragmatisch, dort der Ökofreak mit großen Visionen und einer großen Leidenschaft für alles, was wächst. Dazwischen sollte die Eurac-Wissenschaftlerin Ulrike Tappeiner die Diskussion auf wissenschaftlich fundierte Ebene heben. Und in der Tat war es so: mit der Wissenschaftlerin an ihrer Seite waren die zwei Herren besonders vorsichtig in ihrer Argumentation, versuchten „keinen Bock zu schießen“ und verzichteten auf allzu simple Argumente.
Mein besonderes Interesse galt den Ausführungen von Siegfried Rinner. Als Bauernbund-Direktor – durchaus redegewandt und mit sicherem Auftreten – hat er das Zeug zu einer großen politischen Karriere im immer noch sehr bäuerlich geprägten Südtirol. Das, was er sagt, hat also Gewicht. Was er vorgibt, kann richtungsweisend für die Südtiroler Landwirtschaft und mit ihr für die Südtiroler Natur und Landschaft sein. Und eines sei hier schon vorweggenommen: Rinner vermied die Konfrontation und wartete mit durchaus versöhnlichen Tönen auf. An den Ausführungen des Bauernbund-Direktors kann man einen Paradigmenwechsel feststellen, der sich im Bauernbund in den letzten Jahren vollzogen hat. Zahlreiche Argumente, die vor Kurzem noch aus den Mündern der Bauernbundvertreter und des Bauernbund nahen SVP-Bauernflügels undenkbar waren und den politischen Widersachern der Oppositionsparteien und Naturschützern vorbehalten waren, sind zu Gemeinplätzen geworden. Man hört sie jetzt sogar von Durnwalder höchstpersönlich, dem eigentlichen Chef der Südtiroler Landwirtschaft (während Ex-Landesrat Berger mit seinem Wechsel ins römische Parlament das Weite gesucht hatte und sich vorerst zur hiesigen Landwirtschaftspolitik gar nicht mehr äußert).
Bio ist in!
Nicht zuletzt durch die Anwesenheit des Bioland-Präsidenten Oberhollenzer war der biologische Anbau ein bestimmendes Thema in der Diskussion. Einerseits verwies die Eurac-Wissenschaftlerin Tappeiner mehrfach auf die ökologischen Vorteile des biologischen Anbaus. Rinner seinerseits bestritt niemals diese Vorteile, betonte aber, dass im Obstbau der Markt wohl noch zu klein sei, um einen flächendeckenden Umstieg auf Bio zu ermöglichen. In der Grünlandwirtschaft bedauerte er öffentlich den geringen Anteil an Biobauern und bestätigte damit indirekt den großen Nachholbedarf, der in Südtirol diesbezüglich besteht. Auch bestritt der Bauernbund-Direktor nicht, dass sich in der Milchproduktion für den einzelnen Bauern mehr Geld mit Bio als mit konventioneller Produktion gewinnen ließe.
Obstbau: Konsens statt Konfrontation
Durchaus versöhnliche Töne gab es bezüglich intensivem Obstbau, wenngleich keine wirkliche Trendwende bevorsteht – zu wichtig ist der Wirtschaftsfaktor Apfel innerhalb der Südtiroler Bauernschaft, um am Erfolgsmodell etwas zu ändern. Der Bauernbund-Direktor verteidigte natürlich den integrierten Obstbau als bestmöglichen Weg, um Ökologie und Wirtschaftlichkeit unter einen Hut zu bringen. Für Neuanpflanzungen kündigte er verpflichtende Heckenreihen zum Schutz der anliegenden Flächen an. Zahlreiche Details blieb er den Zuhörern allerdings schuldig. Kommt irgendwann ein Herbizidverbot auch in der Landwirtschaft und nicht nur im öffentlichen Raum, vor allem von Glyphosaten? Reichen die angekündigten Maßnahmen wirklich, um angrenzende Flächen (von Nicht-Bauern oder Biobauern) vor der Abdrift zu schützen, und vor allem, was wird in Zukunft unternommen, damit sich die Bauern auch an die Bestimmungen halten, etwa an den Mindestabstand zu Wasserläufen oder Verkehrswegen – all das blieb an diesem Abend ausgespart (zum Teil wohl auch aufgrund des beschränkten Zeitrahmens der Diskussion).
Milch: Weg von der Massenproduktion
Dass es an der Milchproduktion einen großen ökologischen Haken gibt, kam ganz am Ende der Diskussion zur Sprache. Zwar werden die regionalen Kreisläufe gerne öffentlich angepriesen, doch ist es in der Milchwirtschaft Standard, dass die Kühe einen großen Teil ihrer Futtermittel aus der Ferne beziehen (woher genau, konnte weder Rinner noch Oberhollenzer beantworten). Es handelt sich also nicht um einen geschlossenen Kreislauf, sondern um einen einseitigen Input: in Osteuropa oder gar Südamerika wird ordentlich Düngemittel in die Felder „gebuttert“, werden im großen Stil Mais, Getreide oder Hülsenfrüchte produziert, während hierzulande das Ganze im Magen der Wiederkäuer und indirekt durch Ausbringung von Gülle und Mist auf den Feldern endet. Der Stickstoff aus der Düngerfabrik landet somit auf Umwegen vor unserer Haustür. Ein einseitiger Kreislauf, der eindeutig zu Lasten unseres Naturhaushaltes geht. Rinner beschönigte zwar die Gülleproblematik, bestritt die Problematik an sich jedoch keineswegs; er gab auch zu, dass die Rechnung am Ende nicht aufgeht. Schlussendlich verdient der Bauer an dem Ganzen eigentlich kaum etwas, weil die Preise für die Futtermittel letzthin explodiert sind. Daher wurde von allen Seiten ein „weniger ist mehr“ propagiert. Wie die Milchhöfe mit der vorprogrammierten Milchknappheit umgehen würden, wurde nicht erörtert. Genausowenig wurde eine Absenkung der Großvieheinheiten pro Fläche vorgeschlagen, die Maßnahme, die wohl am effizientesten diesem Irrsinn entgegenwirken würde.
Ein großer Themenblock wurde in der Eurac überhaupt nicht angesprochen: Wie sehr die Südtiroler Landwirtschaft, v.a. die Milchwirtschaft auf Beitragszahlungen aus Brüssel angewiesen ist. Zur Sprache kam auch nicht, dass diese Gelder immer mehr an Natur- und Landschaftsschutz gebunden sind. In der Diskussion wurde zwar mehrmals angesprochen, dass der Bauer in seinem Feld anpflanzen kann, was er will, allerdings wurde den Zuhörern (bewusst?) vorenthalten, dass der Steuerzahler durch all diese Beitragszahlungen sehr wohl ein gewichtiges Wort mitzureden hat, wie das Ganze von statten gehen muss, sprich: in einer Form, dass der Allgemeinheit ein größtmöglicher Nutzen zu Teil wird.
Fazit des Abends: Die Fronten sind bei weitem nicht so verhärtet, wie es oft scheint. Der Bioland-Präsident ist alles andere als ein Öko-Fundamentalist sondern ein Fachmann in seinem Bereich mit profunden Kenntnissen, die von Stalltechniken bis zu Produktmanagement reichen. Der Bauernbund-Direktor seinerseits hat durchaus ein offenes Ohr für ökologische Belange und scheint einer gründlichen Ökologisierung der Südtiroler Landwirtschaft nicht abgeneigt zu sein. In den kommenden Jahren werden wir sehen, ob sich die positiven Signale auch in konkrete Verbesserungen verwandeln.
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Andreas Hilpold
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