© Suedtirolfoto.com / Anneliese Kompatscher

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Aus dem Blog von Markus Lobis

Landesrätin auf Abwegen

Landesrätin Sabina Kaslatter Mur hat sich heute darüber entrüstet, dass es nicht angehe, dass Eltern ihre Kinder in den deutschen Kindergarten stecken, um bessere Chancen für die Zukunft zu haben und dann zu Hause kein "deutsches Umfeld" aufbauen, um lauter kleine Goethes aus den Sprößlingen zu machen. Ein hanebüchener Ansatz!
Un contributo della community di Markus Lobis09.04.2013
Ritratto di Markus Lobis

(Vorspann, nachträglich eingebracht am 11.4.: Gestern hatte ich ein längeres Telefongespräch mit Landesrätin Kaslatter Mur, für das ich mich aufrichtig bedanke. Landesrätin Kaslatter Mur hat sich darin über die Darstellung ihrer Aussage in meinem Beitrag beschwert und ausgeführt, dass sie wesentlich differenzierter zur Sache gegangen sei: Sie habe es als Problem dargestellt, dass es in Bozen italienischsprachige Eltern gebe, die ihre Kinder in den deutschsprachigen Kindergarten einschreiben, selbst aber kein Deutsch können und dem Deutschen gegenüber eher negativ eingestellt sind. Ich hatte die Aussagen der Landesrätin auszugsweise im Sender Bozen gehört und den beschriebenen Ductus und Inhalt wahrgenommen. Unabhängig von der Wortwahl, ändert eine wie immer geartete Abschwächung der Aussagen der Landesrätin an den wesentlichen Inhalten meines Blog-Beitrages nichts und ich greife deshalb in den ursprünglichen Text meines Beitrages nicht ein. Ich räume ein, dass ich zur Polemik neige, die mir auch als Textsorte geeignet erscheint, Mißstände aufzuzeigen und Diskussionen anzufachen - wie man es hier eindrucksvoll sehen kann. Ich werde allerdings meine polemische Ader zurückdrängen, die vor allem in einer Zeit gewachsen ist, in der Andersdenkende in der Watt- und Speckrepublik ((saggra! schon wieder polemisch...)) radikal ausgegrenzt und von der öffentlichen Debatte knallhart ausgeschlossen wurden. Ich stelle erfreut fest, dass die Gesprächsbereitschaft und die Lust an grundsätzlichen Debatten auf allen Ebenen in der letzten Zeit sehr zugenommen hat. Das Problem liegt aber viel tiefer: Die Frau Landesrätin und ich waren uns einig, dass wir in allen Politik-Feldern, die Südtirol betreffen, immer wieder auf einen toten Punkt kommen: Es gibt keinen Konsens über eine mögliche Zukunft für dieses kleine Land, wir wissen nicht, wo es sich hin entwickeln soll und das führt zu einer Lähmung der Gesellschaft, Mißgunst und Egoismen, die die Abwärtsspirale antreiben. Eine Debatte über die Autonomie kann sich nicht darauf beschränken, wie der Einfluss des Staates weiter zurückgedrängt werden kann. Ihr muss vielmehr ein neues Gesellschaftsmodell zu Grunde gelegt werden, das von möglichst allen in Südtirol lebenden Menschen als erstrebenswert eingeschätzt wird.)

Ich gebe es zu: Auch ich gehöre zu den "obiettori linguistici", wie Gabriele Di Luca jene Eltern definiert, die ihre Kinder in die Kindergärten der zweiten Sprachgruppe einschreiben, bzw. eingeschrieben haben, weil meine diesem zarten Alter schon entwachsen sind. Wir ziehen also die große Bedrohung für das täglich, stündlich, minütlich, sekündlich vor sich hin sterbende Tiroler Völklein heran, potenzielle Sprach-Bastarden sozusagen.

Dabei nehmen wir nur unsere Rechte wahr und das ist auch gut so. Schon mehrmals hat Frau Kaslatter Mur mit bedauerndem bis aufgebrachtem Ton erklärt, dass - leider! - das Elternrecht in Kindergarten- und Schulfragen vorgehe und dass die Verwaltung nur sehr beschränkt in diese Rechte eingreifen kann. Man hat es ja versucht und immer wieder italienischsprachige Kinder von deutschsprachigen Kindergärten verwiesen, damit die angehenden Nobelpreisträger aus dem eigenen Sprachnest nicht an der kometenhaften Verbesserung ihrer Sprachbiographie gehindert werden.

Ich bedanke mich ausdrücklich beim Schulamt für die italienischsprachigen Südtiroler, dass mir diese hochnotpeinliche Prüfung erspart geblieben ist, als ich meine vier Kinder der Reihe nach ohne irgendwelche Italienisch-Kenntnisse in den Kindergarten bringen durfte, wo sie liebevoll und professionell betreut und schon in zartem Alter von drei und weniger Jahren aufgenommen wurden. Die ersten beiden kamen noch ins vollkommen kalte Italienisch-Wasser und - siehe da! - schon nach ein paar Wochen quasselten sie problemlos mit und verwandelten sich nicht - wie von Blut- und Boden-Apologeten an die Wand gemalt - in dumpfe Kultur-Zombies, die orientierungs-, identitäts- und heimatlos ihrem verpfuschten Leben zuwanken, von verantwortungslosen Eltern aller Zukunftschancen beraubt.

Die beiden Kleinen hatten es noch besser: Sie konnten an Versuchsklassen teilnehmen, in denen Mehrsprachigkeit in der Praxis ausgetestet wurde und wird, ja, sie genossen sogar das von uns Raben-Eltern bevorzugte Modell der mehrsprachigen Unterweisung durch Kindergarten-Lehrerinnen, die verschiedenen Sprachgruppen angehören und konsequent nur ihre Sprache sprechen. Kinder wollen nicht Politik machen, sie wollen lernen, wachsen, kommunizieren. Und sie wissen: Cinzia spricht Italienisch, um bei ihr Erfolg zu haben, ist Dantes Idiom ein gutes Mittel, während Erika ganz der Sprache des großen Geheimrats zugeneigt ist.

Ich glaube, dass es in den Kindergärten mit italienischer Unterrichtssprache keine Sektion mehr gibt, in der der antiquierte Regel-Unterricht angewendet wird, der bei Südtirols Teutonen noch als der Stein der Weisen gilt. Wo man bei den Italienern hinschaut, gibt es nur "sperimentazioni" und "progetti di apprendimento della seconda lingua" und ähnliches. Die italienischsprachigen Südtiroler haben ihre Autonomie genutzt und wagen Neues. Sie dürfen es nur nicht an die große Glocke hängen, weil die SVP den Hahn sonst wieder zudreht.

Und was macht die Landesrätin Kaslatter Mur derweil? Sie beklagt, dass italienischsprachige Eltern zu Hause kein "deutsches Umfeld" aufbauen, wenn sie schon ihren Kindern eine gute Zukunft angedeihen lassen wollen. Darüber habe ich mir als Deutsch-Verräter keine Gedanken gemacht und erst diese arroganten Aussagen der Landesrätin lassen mich vor Scham erröten: Ich habe mich noch nicht bei Südtirols Italienern dafür bedankt, dass sie meine Kinder liebevoll und kompetent aufgenommen haben, ohne von mir zu verlangen, zu Hause ein "italienisches Umfeld" zu schaffen.

Ich wüsste nicht, wie das geht...

 

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Ritratto di pérvasion
pérvasion 9 Aprile, 2013 - 19:38
Dir ist aber schon klar, dass die deutsche Schule die Schule einer nationalen Sprachminderheit ist und dass es bei der Schule der »nationalen Mehrheit« naturgemäß (!) weniger Berührungsängste gibt. Dennoch, also obwohl es keine italienische Schule ohne irgendein sprachliches Versuchsmodell gibt, schneiden die deutschsprachigen Schüler bei den Zweitsprachkenntnissen im Durchschnitt deutlich besser ab als ihre italienischsprachigen Kollegen. Wie erklärst du dir das? Ad »Rabeneltern«: Wir hatten doch schon einmal darüber diskutiert, dass man zwischen individueller und kollektiver Dimension unterscheiden muss. Während es für den Einzelnen sicher von Vorteil sein kann, auch »unkontrolliert« in die andere Sprache »einzutauchen«, muss das Fazit aus gesamtgesellschaftlicher Sicht notwendigerweise differenzierter ausfallen: Eine totale Liberalisierung des Sprachunterrichts kann für eine sprachliche Minderheit über kurz oder lang nur bedeuten, dass die Sprachlandschaft in die Nationalsprache »kippt«. Schon mit dem heutigen Schulsystem ist die Situation ausgewogener, als es die Erhebung der Sprachgruppen vermuten ließe. Man muss mit einer derartigen Entwicklung aus gesamtgesellschaftlicher Sicht also sehr behutsam und konservativ umgehen, wenn man mittelfristig am Fortbestand einer mehrsprachigen Gesellschaft interessiert ist. Wären wir nicht eine Minderheit in einem Nationalstaat, könnten wir natürlich viel offener mit diesem Thema umgehen. Ad vor sich hin sterbendes Tiroler Völklein: Du wirst wohl hoffentlich nicht »Tirol« mit »deutsch« gleichsetzen?
Ritratto di salt & pepe
salt & pepe 9 Aprile, 2013 - 22:31
liebeR pérvasion, deine argumente führen nicht zur pérsuasiòn, außer du wärst ein Baske oder eine Baskin, dann könnte deine sache mit der sprachlichen minderheit, die irgendwo hinein kippt, ja noch stimmen. aber als deutschsprachigeR? du kannst in einer stunde wo sein, wo deutsch die nationalsprache ist, du kannst innerhalb von sekunden im internet im deutschen dich bewegen. dein bild kommt mir vor, als gebe es weder europa noch internet... hat nicht mateo taibon die sache auf den punkt gebracht, als er die ladinische schule als beispiel angeführt hat, wie man dreisprachig unbeschwert eben nicht gleich umkippt oder sprachlich ausstirbt?
Ritratto di Martin Geier
Martin Geier 9 Aprile, 2013 - 22:41
Du hast mit allem recht; gegenüber Basken, Katalanen oder auch anderen kleinen Sprachen haben wir Zugriff auf Informations- und Kulturgüter von 100 Mio. Menschen; ganz in unserer Nähe. Meine Erfahrung aber ist daß das (Klein)Kind vom sehr kleinen sozialen Umfeld(Schule, Eltern, Freunde und Freundinnen, Verwandte) zuerst geprägt wird. Gelinde gesagt; auch wenn sie Zugriff auf Informations- und Kulturgüter von 100 Mio. oder 60Mio. Menschen haben; geprägt wird sie erstmal von den Verhältnissen in der eigenen kleinen Volksschule und vom eigenen Elternhaus. Es ist eben nicht so einfach. Das Potenzial aller Möglichkeiten schöpfen sie erst später aus.
Ritratto di pérvasion
pérvasion 9 Aprile, 2013 - 22:57
Du machst es dir ein bisschen zu einfach — und tust so, als gäbe es keine Nationalstaaten. Als wären die meisten Produkte, die wir erwerben, nicht einsprachig in der Staatssprache beschriftet. Als hätten nicht die meisten Medikamente einsprachige Packungsbeilagen. Als wäre Deutsch vor Gericht nicht eine völlig marginale Erscheinung. Als wäre Deutsch für den Erwerb der Staatsbürgerschaft nicht (fast) irrelevant. Das kann man natürlich alles leugnen oder bagatellisieren, doch es ist einer ergebnisoffenen Diskussion nicht dienlich. Natürlich kann auch eine deutsche Minderheit trotz deutschsprachiger Nachbarländer, trotz Internet und trotz Europa assimiliert werden. Siehe Elsass. Siehe Aosta, wo eine französische Minderheit erfolgreich assimiliert wurde, obwohl Frankreich wenige Kilometer entfernt ist — genauso wie praktisch alle anderen Minderheiten in Italien erfolgreich assimiliert wurden. Zu den Ladinern: 1) Das dortige Schulmodell ist völlig unbefriedigend, da die Muttersprache absolut vernachlässigt wird. Der Ladinischunterricht müsste drastisch verstärkt werden (derzeit 1-2 Wochenstunden). 2) Die Situation in Ladinien »kippt« m. E. vor allem deshalb nicht, da die Ladiner in ein Land (Südtirol) eingebettet sind, wo ihre beide »Zweitsprachen«, Deutsch und Italienisch, wichtig sind und von den jeweiligen Sprachgemeinschaften relativ stabil gehalten werden.
Ritratto di Rupert Gietl -r
Rupert Gietl -r 9 Aprile, 2013 - 20:50
Sehr geehrter Herr Lobis, mit viel Interesse habe ich Ihren Beitrag zur Handhabung der Zweitsprache im Kindergarten gelesen. Wie man unschwer erkennen kann, ist dies ein sehr emotionales Thema für Sie. Ich nehme an, Ausdücke wie "potenzielle Sprach-Bastarden", "Blut- und Boden-Apologeten", "Deutsch-Verräter", usw. sind ein Ausdruck der Bedeutung, die Sie diesem wichtigen Problem unseres Landes beimessen. Ich denke, wir sollten zuallererst einmal festhalten, dass es den Eltern in unserem Land frei überlassen sein sollte, welche Entscheidung sie für ihr Kind treffen. Da gibt es kein "richtig" oder "falsch". Sie werden mir als Vater zustimmen, dass die Entwicklung unserer Kinder bis zum Schluss zum überwiegenden Teil vom Elternhaus bestimmt wird. Dieses entscheidet darüber, ob unsere Kinder weltoffen werden, sich aber auch ihrer Herkunft und speziellen Identität bewusst sind. Da zwei meiner Kinder ebenfalls den italienischen Kindergarten besucht haben, traue ich es mir zu, aus Erfahrung zu sprechen. Doch befinden sich die Südtiroler deutscher Muttersprache nicht ganz in derselben Ausgangsposition, wie unsere italienisch-sprachigen Mitbürger. Es ist fast so, als umarmte eine Maus einen Elephanten und machte sich dabei Sorgen, sie könnte den Dickhäuter erwürgen... Unsere italienischen Mitbürger sind eingebettet in ein Volk von über 50 Millionen Menschen, die unwillkürlich auf alle anderen Bewohner dieses Staates (Frankophone Aostaner, Friulaner, Slowenen, Albaner, Griechen,...) einen sprachlichen und kulturellen Druck ausüben. Natürlich ist es leicht, freimütig "sperimentazioni" und "progetti di apprendimento della seconda lingua" durchzuführen, wenn man sich sicher sein kann, ein Geschäft auf dem Waltherplatz betreten zu können und dort dennoch einen Menschen vorzufinden, der die eigene Muttersprache beherrscht. Leider ist es mir erst neulich an derselben Stelle wieder passiert, niemanden vorzufinden, der Deutsch spricht... Aber natürlich bin ich dann der sture und intolerante Tiroler, denn ich kann ja Italienisch...
Ritratto di Benno Kusstatscher
Benno Kusstatscher 9 Aprile, 2013 - 21:17
Erst einmal muss ich hier eine Lanze für die deutschsprachigen Kindergärten und Kindergärtner/innen brechen. Ich bin sehr beeindruckt, wie liebevoll diese mit Kindern *aller* Sprachgruppen umgehen, und wie viele (unbezahlte) Nerven sie damit aufbringen, als Nicht-für-Sprachunterricht-ausgebildete Pädagog/inn/en, den multilingualen und multikulturellen Istzustand zu bewältigen. Zweitens, lieber Markus, kannst Du Dich glücklich schätzen, wohl etwas erlebt zu haben, das in vielen Ländern Normalität ist, bei uns aber im Allgemeinen nicht funktionieren kann: eine moderate Zahl an "fremdsprachigen" Kindern in eine Kindergartengruppe zu integrieren, ist machbar und für alle Beteiligten eine Bereicherung. Da bin ich ganz bei Dir. Ich habe keine aktuelle Statistik vorliegen, aber nach gefühlter Wahrnehmung besteht eine, sagen wir, 25-köpfige deutschsprachige Kindergartengruppe in Bozen aus 4 Kindern mit Assimilationshintergrund (was ich sehr positiv finde!), 6 Kindern italienischsprachiger Eltern, 8 Kindern aus gemischtsprachigen Ehen, 2 Kindern bundesdeutscher Eltern und gerade 5 Kindern mit traditionellem, (deutsch)tirolerischem Hintergrund. Soweit klingt das fantastisch, ist aber extrem unfair den Kindergärtner/innen gegenüber, die haben es nämlich mit einer zweidimensionalen Matrix an Sprachkompetenz zu tun: 3 bis 4 Stufen an herkunftsbedingter Sprachkenntnis und 2- bis 6-jährige in der Gruppe. Übern Daumen: 20 Stufen auf 25 Kinder. Für jemand, der/die nicht für Sprachunterricht ausgebildet wurde, ist das gelinde gesagt eine heftige Herausforderung, und vermutlich kaum zum Wohl auch nur eines der Kinder. Effektive Sprachförderung der muttersprachlichen Kinder ist in diesem System jedenfalls nicht mehr möglich. Und dann ist da noch der Punkt, der mit Respekt der Eltern vor Hauptsprache und Kultur des Kindergartens zu tun hat: es gibt Eltern, die bereiten ihre Kinder auf die Herausforderung des fremdsprachigen Kindergartenunterrichts vor und suchen den Dialog mit den Pädagog/inn/en und den anderen Eltern. Einfach vorbildlich, da haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht und da kann ich mir nur etwas abschneiden. Aber, es gibt auch die anderen, und ich muss sagen, ich war unangenehm überrascht, wie viele es sind. Bringen ihr Kind herein, „ciaò amore“, verwickeln die Kindergärtnerin in ein 20-minutiges Gespräch, natürlich auf Italienisch, während sich die Assistentin doch „liebevoll“ um besagtes Kind auf Italienisch kümmern möge, bleiben beim Smalltalk mit anderen Eltern konsequent unter ihresgleichen, um mit einem schallenden „Arrivederci“ das Gebäude zu verlassen in der Erwartung, dass bis mittags ihr Kind perfekt Deutsch gelernt hat. Das „deutsche Umfeld“ muss wirklich nicht zu Hause aufgebaut werden, aber spätestens ab der Türschwelle des Kindergartens fände ich die Mithilfe und den Respekt der Genitori und Nonni eine tolle Sache. Bleibt die Suche nach dem bestmöglichen System. Irgendwo zwischen Deinem und dem der Landesrätin blieb die geniale Idee leider bis heute unentdeckt…
Ritratto di Christoph Moar
Christoph Moar 9 Aprile, 2013 - 21:51
Habe mit Interesse die verschiedenen Standpunkte gelesen, und den genauen Wortlaut von Frau Landesrätin muss ich ehrlich gesagt noch recherchieren, um mir meine Meinung zu bilden. Aber eines verstehe ich nicht: "4 Kindern mit Assimilationshintergrund (was ich sehr positiv finde!), 6 Kindern italienischsprachiger Eltern, 8 Kindern aus gemischtsprachigen Ehen, 2 Kindern bundesdeutscher Eltern und gerade 5 Kindern mit traditionellem, (deutsch)tirolerischem Hintergrund". Die mit Migrationshintergrund mal geschenkt (assimilieren wollen wir hier keinen, ich zumindest nicht :), und die 6 Kinder italienischsprachiger Eltern auch beiseite geschoben. Wie genau will man zwischen Kindern aus gemischtsprachigen Ehen, aus bundesdeutschen Eltern und aus denen mit "traditionellem (deutsch)tirolerischem Hintergrund" letztlich unterschiedliche Stufen an herkunftsbedingter (!) Sprachkenntnis konstruieren? Das ist mir zu kurz gedacht oder formuliert. Die (sehr wohl vorhandene) unterschiedliche Sprachkenntnis der (in diesem Beispiel deutschen) Sprache rührt wohl davon ab, wieviel Zeit sich die Eltern genommen haben, um mit ihren Kindern zu lesen, zu sprechen und zu spielen. Da kann ein einzelnes Elternteil aus einer gemischten Ehe mehr investiert (und mehr erreicht) haben als zwei oder mehr Elternteile aus "traditionellem (deutsch)tirolerischem Hintergrund". Sprache, Bildung, und Erziehung sind die Schlüssel, doch nicht die Herkunft. Das bestmögliche System habe ich auch nicht parat. Ich habe aber durchaus die Vermutung, dass pädagogische Einrichtungen und erzieherische Verantwortung der Eltern bei einem solchen bestmöglichen System wohl zusammenarbeiten sollten. Insofern ist an Frau Kasslatters Aussage dann doch wieder etwas dran? Wenngleich ich, ich wiederhole es, noch nicht ihren Wortlaut kenne - wenn er so knapp provokant sein sollte, wie Markus ihn zitiert, dann wär's mir auch etwas zu platt.
Ritratto di Benno Kusstatscher
Benno Kusstatscher 10 Aprile, 2013 - 10:48
Vielen Dank, Christoph, für die Richtigstellung meines schändlichen Migrations-Verschreibers. Ganz bestimmt wollte ich niemanden asssimilieren! Ich kann Deiner Argumentation durchaus etwas abgewinnen. Selbstverständlich kann man da nichts verallgemeinern. Natürlich gibt es zweisprachige Familien, die ihre Kinder in beiden Sprachen besser fördern, als manch einsprachige. Ich will sicher nicht implizieren, dass es da einen 1:1 Zusammenhang gäbe. Wir sprechen von 3-Jährigen. Es geht mir nicht um mögliche Vorteile für die spätere Schulkarriere. Es generell oder tendenziell so hinzustellen, als ob 3-Jährige aus gemischtsprachiger Herkunft beide Sprachen gleich gut beherrschen würden, wie 3-Jährige einsprachiger Herkunft die eine Sprache, würde mit jetzt aber auch zu weit gehen. Eine tendenzielle Korrelation scheint mir durchaus gegeben. Ich will mich darüber aber auch nicht streiten. Es geht mir vielmehr darum, dass wir alle Kinder/Pädagogen/Eltern mit einem vorgegeben System zurechtkommen müssen. Wenn das System vorsieht, dass im Kindergarten Fremdsprachenunterricht gegeben wird, dann kann ich mich damit durchaus anfreunden. Wenn das System aber Einsprachenunterricht vorsieht, dann geht das Verlangen nach Fremdsprachenunterricht auf Kosten der anderen Kinder als auch auf Kosten der Kindergärtner/innen. Und natürlich können wir viele Wünsche, die in diesem Forum diskutiert umsetzen, wenn wir nur bereit wären, zu sagen, dass es uns auch etwas wert ist. Wenn wir das Geld in die Hand nehmen würden, mit unseren Autonomiegeldern jeder Kindergartengruppe einen zusätzlichen Fremdsprachenpädagogen zu finanzieren (also drei pro Gruppe statt zwei), dann würden Milch und Honig fließen.
Ritratto di Christoph Moar
Christoph Moar 10 Aprile, 2013 - 11:08
Der Assimilationstypo ist nicht der Rede wert. Vor lauter politically correct weiss man bald sowieso nicht was schreiben. Ich lese in D dass "Menschen mit Migrationshintergrund" mittlerweile auch wieder schräg angeschaut wird, man sucht bereits nach Alternativen... das Rad dreht sich. Aber das mal beiseite, ich kann dir getrost weitgehend zustimmen, ich seh es nicht viel anders. Bei einem Punkt, den Du betonst, tu ich mich wirklich schwer: Bei 3jährigen generell oder tendenziell Unterschiede in der sprachlichen Kompetenz erkennen zu wollen, je nachdem ob die Eltern "bundesdeutsch", "traditionell (deutsch)tirolerisch" oder "gemischt" sind. Meine Kinder haben mit 3 Jahren alle diese drei sprachlichen Einflüsse hinter sich gehabt und galten (und gelten) als mit die sprachlich gewandtesten ihrer jeweiligen Gruppe und später Schulklasse. Ich muss (für mich, will mich aber genausowenig streiten) dabei bleiben: ich glaube nicht dass es herkunftsbedingte (!) Sprachkenntnis Unterschiede bei den drei oben genannten Kategorien geben kann (Familien mit Migrationshintergrund und einsprachige Italienische Familien hier ausdrücklich ausgenommen). Wenn es Unterschiede in der Sprachkenntnis gibt (und die gibt es), dann liegt es nur am pädagogischen und erzieherischen Engagement. Wenn bei einer einheimischen Familie den ganzen Tag über das Fernsehprogramm von RTL2 rieselt, dann wird das Kind nach meiner Meinung eine schlechtere Sprachkenntnis haben als das einer gemischtsprachigen Familie, die das nicht tut. Für den Rest stimme ich dir zu, wir hätten vermutlich sogar die finanziellen Möglichkeiten, dass hier Milch und Honig fließen würden, und die PädagogInnen und ErzieherInnen würden sich diese Unterstützung redlich verdienen. Wir haben in Südtirol auch den "Luxus", dass wir eine Integrationsschule betreiben, auch sowas ist zum Beispiel in Bundesdeutschland nicht selbstverständlich. Ich bin froh, dass ich früher und meine Kinder heute die Chance haben, mit anders befähigten (schon wieder so ein politically korrekter Ausdruck) Kinder zusammen aufzuwachsen, und ich bin froh, dass die Pädagogen in dem Fall einen Stützlehrer zur Seite gestellt kriegen. Das könnte man für die sprachliche frühförderung durchaus auch andenken, da hast du Recht.
Ritratto di Benno Kusstatscher
Benno Kusstatscher 10 Aprile, 2013 - 11:38
ich schrieb von "tendenziell" und nicht "generell". Und ich schrieb nicht über "sprachliche Kompetenz", sondern über das Beherrschen der einen Sprache. Sei mir zur Veranschaulichung die (natürlich bewusst überzogene) Milchmädchenrechnung gestattet: benötigt man die doppelte sprachliche Kompetenz, um im zarten Alter von drei Jahren zwei Sprachen so gut zu beherrschen, wie andere eine tun ? Wollen wir das jetzt nicht im Detail zerreden, wir können sowieso nicht den vielen gelebten (und vielen sehr bewundernswerten) Modellen gerecht werden. Es freut mich die Übereinstimmung beim Rest und ja vor lauter politisch korrekt kann einem/r schon der eigentliche Inhalt des Gedankens aus dem Sinn geraten. Schön, dass es uns hier trotzdem die Bemühung wert ist. Außerdem hatte ich schon angedeutet, dass eventuelle Vorteile für die spätere Schulkarriere durchaus ein Analyse wert sind. Deine Familie scheint diese These zu bestätigen, wozu ich gratuliere.
Ritratto di pérvasion
pérvasion 9 Aprile, 2013 - 21:33
»Und sie wissen: Cinzia spricht Italienisch, um bei ihr Erfolg zu haben, ist Dantes Idiom ein gutes Mittel, während Erika ganz der Sprache des großen Geheimrats zugeneigt ist.« Dass »one person, one language« nicht funktioniert bzw. nicht notwendig ist, Markus, weiß ich aus deinem Gespräch mit Prof. Rita Franceschini. Kannst du dich nicht mehr daran erinnern? Ich hatte hier ein paar interessante Zitate aus dem Interview zusammengeschrieben: http://www.brennerbasisdemokratie.eu/?p=11484 Zum Beispiel das, dass es laut Franceschini ein Schulsystem braucht, das die Minderheitensprache schützt.
Ritratto di Martin Geier
Martin Geier 9 Aprile, 2013 - 21:49
Das mit der Schule und dem Kindergarten ist so wie es Herr Lobis darstellt meiner Ansicht nicht so ganz sinnvoll und richtig. MA ist das Problem daß es in Südtirol vollkommen verschiedene soziale (und ethnische) Welten gibt. In der (deutschen) Volksschule die meine Tochter besucht gibt es sehr viele Kinder aus zweisprachigen und auch aus Italienischen Familien. Der Hauptlehrer mußte Maßnahmen ergreifen um zu verhindern daß die Kinder im Schulhof unter sich nicht in der lingua franca Italienisch kommunizieren weil darunter der Deutschunterricht leiden würde; ich begrüße diese Maßnahmen. Eine zweisprachige Schule im Sinne von Herrn Lobis würde die meine in eine quasi Italienische Schule verwandeln weil die ethnisch ein Gutteil bereits in diese Richtung tendiert. Anders bei meinen Verwandten im Obervinschgau; dort könnte ich Lobis' Modellen und Experimenten bei aller Wahrung der deutschen Schule viel abgewinnen zumal ich gegenüber den 80ern den Eindruck habe daß die die Kenntnis der Zweitsprache zusehends immer schwächer wird weil man angeblich in der Arbeitswelt und im Sozialen Leben "walsch" ohnehin nicht mehr so braucht; bei Manchen kommt politisch motivierte Ablehnung als erschwerendes Merkmal noch hinzu. Zulassen von Modellen und Experimenten soll meiner Ansicht genau auf das Umfeld abgestimmt werden; Modelle die in den deutschen Tälern zurecht gefragt wären hätten bsw. in Bozen eine fatale Wirkung auf die muttersprachliche Sprachkompetenz. Es ist nicht so einfach.
Ritratto di pérvasion
pérvasion 9 Aprile, 2013 - 21:55
Das ist schon mal ein wesentlich besserer Ansatz. Leider argumentieren die Befürworter der mehrsprachigen Schule meist genau umgekehrt — und plädieren für ihr Modell ausschließlich in Städten und größeren Zentren, was aus den von dir genannten Gründen völliger Unfug ist. Dass in den Tälern immer weniger Italienisch gelernt und gesprochen wird, entspricht nicht meiner subjektiven Beobachtung. Leider konnte mir das Astat hierfür keine Spur einer Erhebung nennen... Mehrsprachigkeit scheint hierzulande wohl zu unwichtig zu sein!?!? Dabei wären solche Daten dringend nötig, *bevor* mit irgendwelchen Schulversuchen begonnen wird.
Ritratto di Martin Geier
Martin Geier 9 Aprile, 2013 - 22:15
Die Zahlenlage ist sehr dünn und es scheint leider zu wenig Interesse zu geben. Indirekte Werte wie die Zweisprachigkeitsprüfungen sind mir zu wenig. Es bräuchte eine Art "Pisa" der Zweitsprache das auch fein zwischen Gemeinden unterscheidet. Die erfahrene Italienischlehrerin hat mir bsw. berichtet daß bereits Karneid(wenige Kilometer von Bozen entfernt) eine total andere Welt ist und an den Italienischuntericht ganz andere Herausforderungen stellt. Ich kann auch nur persönliche Eindrücke und die Erfahrung aus dem Schul- und Elternalltag(sehr wertvoll) liefern; erfahrene Lehrer sprechen lassen und alles mit Beobachtungen aus den 80ern vergleichen. Subjektiv scheint mir daß sich gegenüber früher die Sprachkompetenz der (jungen) Italiener verbessert hat; was meiner Ansicht auch auf Experimente und Modelle an Italienischen Schulen zurückzuführen ist. In den Städten ist bzgl. Deutsch-Italienisch ebenfalls allseits recht viel Kompetenz festzustellen. Abgenommen hat meiner Ansicht die Italienischkompetenz in sehr deutschen Tälern mit relativ wenig Tourismus. MA kann man nicht ein Modell auf ganz Südtirol runterbrechen wollen. Meiner Ansicht sollen Experimente genau auf das soziale und ethnische Umfeld abgestimmt werden. @Markus Lobis Ich würde in Zukunft versuchen Beiträge ohne gewisse ethnisch-politische tendenziöse Begriffe(Rupert Gietl hat sie oben aufgelistet) schreiben. Die sind mA zu polemisch und verdecken quasi Argumentation.
Ritratto di Maximilian Benedikter
Maximilian Benedikter 10 Aprile, 2013 - 10:44
http://www.eurac.edu/de/research/publications/Pages/default.aspx?type=All&depId=0&keyword=zweitsprache In dieser Studie werden alle Daten bezüglich L2 Kenntnisse aktuell und kompetent aufarbeitet. Ich rate jedem, einen Blick darauf zu werfen, damit vieleicht mehr Rationalität in diese Gesprächsrunde einzieht. Ansonsten spricht man über ideologische Einstellungen.
Ritratto di Maximilian Benedikter
Maximilian Benedikter 10 Aprile, 2013 - 10:44
http://www.eurac.edu/de/research/publications/Pages/default.aspx?type=All&depId=0&keyword=zweitsprache In dieser Studie werden alle Daten bezüglich L2 Kenntnisse aktuell und kompetent aufarbeitet. Ich rate jedem, einen Blick darauf zu werfen, damit vieleicht mehr Rationalität in diese Gesprächsrunde einzieht. Ansonsten spricht man über ideologische Einstellungen.
Ritratto di pérvasion
pérvasion 10 Aprile, 2013 - 11:10
Danke für den Hinweis. Ich kenne die Studie, und sie sagt u.a. was ich oben wiedergegeben habe, nämlich, dass die deutschsprachigen Schüler in der Zweitsprache deutlich besser abschneiden, als ihre Kollegen an den italienischen Schulen — obwohl es dort wesentlich mehr »Versuche« gibt. Leider ist das für Markus kein Argument, sondern anscheinend »Dogmatik« und Anspruch auf Deutungshoheit. Auch die Kolipsi-Studie beimhaltet jedoch leider keine Daten über die Entwicklung der Zweitsprachkenntnisse über einen längeren Zeitraum. Die Abwesenheit *solcher* Daten (die uns sagen könnten, wie die Tendenz aussieht, also ob die Südtiroler heute bessere Sprachkenntnisse haben, als vor 5, 10 oder 20 Jahren) habe ich hier beklagt. Dazu hatte ich auch erst neulich was geschrieben (http://www.brennerbasisdemokratie.eu/?p=14288).
Ritratto di Maximilian Benedikter
Maximilian Benedikter 10 Aprile, 2013 - 17:29
Bis ein Bürger wie ich und besonders mein Sohn der 4sprachig aufwächst, zu seinem Recht kommt. Ich glaube, dass in den letzten Jahren die Fachdebatte um einiges reifer wurde. Niemand verlangt eine zwangshaft Einschulung für alle in einen gemischtsprachigen Kindergarten. Wir wünschen uns lediglich, dass auch zweisprachigen Familien und allen anderen die es wünschen andere Erziehungsmodelle geboten werden. Dafür danke ich Personen wie Lobis, die die Grenzen des Systems aufzeigen. Auch Artikel 19 muss im neuen Autonomiestatut überdacht werden.
Ritratto di Sybille Tezzele
Sybille Tezzele 10 Aprile, 2013 - 17:37
zwangshafte Einschulung, so weit kommt's noch... Der Verfassung sei Dank leben wir in einem Land ohne Schulpflicht.
Ritratto di Markus Lobis
Markus Lobis 10 Aprile, 2013 - 00:46
Das ist eine sehr interessante Debatte, die da läuft. 1) Für mich stellt sich trotz pervasionscher Dogmatik die Frage, welche Gruppen in Südtirol in der Minderheit ist und welche das Heft in der Hand hat. Wenn ich mir die weitreichenden Befugnisse der Autonomen Provinz Bozen vor Augen halte, die unser aller Alltag betreffen, würde ich dazu tendieren, jene Sprachgruppe in der Minderheit zu sehen, die es im öffentlich-politischen Funktionen maximal bis zu einem Vize-Posten bringen kann. Ich denke, dass die italienischsprachigen SüdtirolerInnen in Südtirol in der Minderheit sind. Bei den Ladinern ist dies sowieso unstrittig. 2) Es stimmt: Wir haben in Sachen Sprachstand nur sehr wenig wissenschaftlich fundiertes Datenmaterial zur Verfügung und wir kommen weder in der Didaktik der Zweitsprache noch in der Stärkung der Muttersprache weiter. Da muss aber schon die Frage erlaubt sein, wer für diesen Zustand die Verantwortung trägt. Ich erinnere mich an eine politisch unbequeme Studie von Prof. Egger, die über die EURAC eingebracht wurde - mit der Folge, dass die Geldmittel für die entsprechende Abteilung gekürzt wurden und die Studie in der Schublade verschwand. 3) Es gibt auch wenig oder keine Zahlen darüber, wie viele Menschen einer Sprachgruppe in Südtirol die Kinder in die Kindergärten der anderen Sprachgruppe einschreiben. Im Kindergarten in Brixen, den meine Kinder besucht haben, hatte ich den Eindruck, dass 25-30% der Kinder aus deutschsprachigen Familien stammten. 4) Wenn nun schon der Wunsch nach der Erlernung der zweiten Sprache - die nicht wie eine Fremdsprache unterrichtet werden sollte!!! - bei vielen Eltern so groß ist, warum gibt es denn dann keine besseren Angebote für die Eltern, die dies wünschen? 5) Bei vielen Debatten, die wir führen, merken wir, dass der Abstand zwischen der Südtiroler Gesellschaft und der formellen Verfasstheit dieses Landes und seiner Politik immer stärker auseinanderklafft. Die Gesellschaft praktiziert viele Alltäglichkeiten, die in der Politik noch nicht angekommen zu sein scheinen. Wenn wir von einer Autonomie-Reform reden, dann kann es nicht nur darum gehen, wie wir die Befugnisse gegenüber dem Staat verteidigen. Das hat natürlich seine Wichtigkeit, noch viel wichtiger ist es aber, dass wir sprachgruppenübergreifend und herkunftsunabhängig Konsens darüber erzielen, wo sich dieses Land und seine Gesellschaft hinentwickeln sollen. Die Politik ist dazu in der heutigen Situation nicht in der Lage, weil sie es sich im Status Quo recht bequem eingerichtet hat. 6) Wir sollten darüber nachdenken, ob es sich vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen in Südtirol, in Europa und in der Welt aufrecht erhalten lässt, eine Gesellschaft in Sprachgruppen einzuteilen und ob es nicht anachronostisch ist, dass die Zugehörigkeit zur einen oder anderen Sprachgruppe einen Menschen für irgendetwas qualifizieren kann oder eben auch nicht. Die Aufrechterhaltung der Trennung führt zwangsläufig zu Lagerdenken und Konflikten und ich habe den Eindruck, dass die Politik sehr daran interessiert ist, die Konflikte möglichst zu schüren und aufrecht zu erhalten. Das ist keine gute Grundlage für die gedeihliche Entwicklung einer Gesellschaft. Im Gegenteil. 7) Nur wenn wir die Trennung nach Sprachgruppen aufheben und die Beherrschung mehrerer Sprachen de facto zum qualifizierenden Merkmal einer Person wird, verlagern wir die Problemstellung vom kollektiven Lagerzwang mit Abgrenzungspflicht und Konfliktbedarf hin zur individuellen Ebene mit all ihren Gestaltungsmöglichkeiten und Motivationsebenen, für die der Einzelne, die Einzelne dann selbst die Verantwortung übernehmen müssen.
Ritratto di pérvasion
pérvasion 10 Aprile, 2013 - 06:00
· Pervasionsche Dogmatik? Wie ich meine, habe ich rationale Argumente angeführt, doch leider bist du auf kein einziges eingegangen. Diskussion stelle ich mir anders vor. · Du bist natürlich frei, es zu tun — doch du definierst eine Minderheit anders, als es internationaler Standard und Konsens ist. Dass die Italiener es nur bis zum Vize schaffen können, ist das übliche Gejammere der Rechten. Fakt ist, dass es sehr wichtige Positionen im Lande gibt, die noch nie von einem deutschsprachigen Südtiroler besetzt wurden, angefangen beim Präfekten, der z.T. mehr Macht innehat, als der Landeshauptmann. Polizeipräsident, die Chefs von Carabinieri und Finanzpolizei usw. sind weitere Beispiele. Es ist hier nicht mein Interesse, Erbsenzählerei zu machen, aber deine Darstellung ist einseitig und zurückzuweisen. · Auch du bist der Auffassung, dass wir zu wenige Daten haben. Nichtsdestoweniger forderst du einfach mal die mehrsprachige Schule. Bessere Daten zu fordern ist natürlich nicht so »effektvoll«, wäre aber der erste wichtige Schritt. Trotzdem habe ich bis heute noch nie einen Befürworter der mehrsprachigen Schule gehört, der zuerst eine seriöse Erhebung gefordert hätte. · Während es weder für die Kinder im Schulalter, noch für die Entwicklung der »Zweitsprachkenntnisse« brauchbare Daten gibt, haben wir mit dem Sprachbarometer eine scharfe Momentaufnahme der Sprachlandschaft (siehe http://www.brennerbasisdemokratie.eu/?p=7611). Sie beweist, dass die Erhebung der Sprachgruppen die Realität völlig unzureichend (um nicht zu sagen: falsch) abbildet.
Ritratto di Michael Bockhorni
Michael Bockhorni 10 Aprile, 2013 - 11:52
das überrascht mich als zugezogenen Deutschsprachigen schon sehr, dass zu so einer wichtigen Thematik wie der Zweitsprache(nkompetenz) sowenig (brauchbares) Datenmaterial vorliegt. Wäre mA wichtiger als die Verteilung der Nachnamen in Südtirol, aber vielleicht hat das ja auch einen bestimmten Grund wie schon erwähnt wurde).
Ritratto di Markus Lobis
Markus Lobis 10 Aprile, 2013 - 08:18
@Pervasion: Ich stelle meine Argumente in den Raum und gewichte dabei selbst, was mir wichtig ist. Es gibt keine Pflicht, auf alles einzugehen, was Du für wichtig hältst. Wenn ich in Zusammenhang mit Deinen Aussagen von Dogmatik spreche, dann beziehe ich mich auf die penetrante Insistenz und Deinen impliziten Anspruch auf Deutungshoheit in verschiedenen südtirolrelevanten Themenbereichen, die man anerkennen kann oder auch nicht. Ich neige letzterem zu.
Ritratto di Roger Ginira
Roger Ginira 10 Aprile, 2013 - 10:55
Was kann man von einer "Politikerin"verlangen, die selbst nicht mal Deutsch kann ?!
Ritratto di Markus Lobis
Markus Lobis 10 Aprile, 2013 - 11:58
Ich habe vor einiger Zeit ein interessantes Gespräch mit Frau Prof. Franceschini geführt, das im Internet nachgehört werden kann, und zwar hier: http://zigorimedia.wordpress.com/2012/05/13/man-kann-nichts-falsch-machen-prof-rita-franceschini-im-ostwestzigori-club/
Ritratto di pérvasion
pérvasion 10 Aprile, 2013 - 16:57
Leider verweigerst du aber die Diskussion, wenn ich auf einige Dinge hinweise, die Franceschini in ebendiesem Interview gesagt hat. Das finde ich sehr schade.
Ritratto di Benno Kusstatscher
Benno Kusstatscher 10 Aprile, 2013 - 12:28
Bemerkenswert, dass bei so einem Thema sich nur männliche Kommentatoren äußern. Dabei würde etwas femmine Eleganz dem Gesprächsstil hier gar nicht schlecht tun. Schade.
Ritratto di Angelika Carfora
Angelika Carfora 10 Aprile, 2013 - 14:32
Lieber Benno, ich hoffe ich darf gleich zum “Du” übergehen ohne meiner „femininen Eleganz“ dadurch Schande anzutun. Es fällt mir schwer meine Meinung zum Thema kundzutun, da ich, im Gegenteil zu anderen in dieser Diskussionsrunde, keine eindeutige Gewissheit dazu habe. Es gibt zu diesem Thema mehrere Diskursebenen: Eine ist die Gemeinschaftsebene in der wichtige Entscheidungen die alle Facetten berücksichtigen, getroffen werden sollten; eine andere ist die persönliche Ebene in der man/frau schon mehr oder weniger Erfahrungen diesbezüglich gesammelt hat und sich ein individuelles Urteil bildet. Dann gibt es noch die Systemebene bzw. die politische Ebene die Barrieren aufbaut oder welche zum Einstürzen bringen kann. Ich denke man müsste es fragmentieren um klarer Denken zu können. Allgemein gilt für mich: Versuchen wir weniger kurzsichtig zu sein! In Südtirol gibt es eine kulturelle Vielfalt die es aufzuwerten gilt, Gespräche die auf Ängste basieren greifen da zu kurz. Ist es möglich, dass wir wirklich nicht weiter denken können, als in der Dichotomie Deutsch-Italienisch?
Ritratto di Sylvia Rier
Sylvia Rier 10 Aprile, 2013 - 15:43
Mir für mein Teil geht das hier alles um etwa eine Haaresbreite zu tief, man wirft mit Artikeln, Begrifflich- und Feinstofflichkeiten um sich und diskutiert sehr abstrakt diskutiert wird, was doch eigentlich ganz simpel sein sollte: Nämlich die einzigartigen Möglichkeiten und Riesenchancen, die haben (hätten, haben könnten) uns und unsere Kinder von Kindesbeinen an allen anderen Europäern um einen, zwei, drei und sogar noch mehr Schritte voranzustellen, mühelos, quasi nebenbei. Habt ihr einmal beobachtet, wie verblüfft (zum Mindesten) bis neidisch (meistens) Nicht-Südtiroler euch anschauen, wenn ihr - wie wir das hier können - mühelos von einer Sprache in die andere wechselt, ohne auch nur einmal nachzudenken, einfach so?! Und die nächste Reaktion ist stets dieselbe: Boah, habt ihr ein Glück! Ja, Tatsache, haben wir, aber so richtig will's niemand, dieses Glück. Ich finde es, gelinde gesagt, verantwortungslos, wenn unsere Regierung sehr vieles NICHT tut, um uns (und natürlich unseren Kindern) alle, aber auch wirklich alle nur möglichen Türen zur anderen Sprache und damit zur anderen Kultur so sperrangelweit zu öffnen wie's nur geht. Das ist, meine bescheidene Meinung, ein Vergehen am eigenen Volk. Viel lieber droht man uns, sogar die selbst ernannten "Erneuerer" der jüngsten Generation, mit "Assimilation". Hier wird uns doch vermittelt, dass am Untergang der eigenen Kultur werkelt, wer die zweite Sprache besser als unbedingt nötig erlernt/erlernen (möchte). Dabei würde ich mir wünschen, was das bestmögliche mit Betonung auf "best" Erlernen einer Sprache mit dem Vernachlässigen der eigenen auch Kultur zu tun haben soll. Ist das nicht absurd, beinahe grotesk? Diese künstlich und per Gesetz hoch gehaltene Angst vor "dem anderen"? Kein Gesetz der Welt und keine künstlich geschürte Angst wird doch im übrigen "Assimiliation" auf Dauer verhindern können, solche Dinge regeln mittel- und langfristig stets die Menschen unter sich. Derweil aber verwenden Regierungen, auch die unsere, geradezu unverantwortlich viel Zeit und Geld damit, den Status Quo oder besser den Status von gestern zu zementieren, das Volk zu bremsen und zu blockieren, wo es den knochentrockenen Verwalterjuristen vorauseilt. Genauso gut könnten die Mittel und die Energien doch dazu verwandt werden, nach neuen Wegen, Chancen und Möglichkeiten zu suchen. Doch, mir fehlt, nicht nur in diesem Zusammenhang, die Kreativität in unserer Politik, aber was sollen wir uns denn auch groß erwarten, wenn neuerdings schon knochentrockene Verwalterarbeit mit "Vision" überschrieben wird. So, lieber Benno Kusstatscher, war das jetzt feminin und elegant genug :-) ?
Ritratto di Klaus Egger
Klaus Egger 10 Aprile, 2013 - 16:25
und Chapeau Silvia! Dem ist von meiner Seite, außer 100% Zustimmung, nichts mehr hinzuzufügen. Danke für deine klaren Worte.
Ritratto di Sylvia Rier
Sylvia Rier 10 Aprile, 2013 - 16:33
aber sag: Fändest du's nicht auch sehr schön, wenn man hier drin seine Kommentare noch ein bisschen nachbessern könnte, grammatikalisch vor allem oder zumindest? Manchmal geht's ganz offensichtlich ein bisschen ziemlich schnell, und dann ist's auch schon zu spät, und der Leser tut sich schwer, wo die Schreiberin geschusselt hat :-)
Ritratto di Rupert Gietl -r
Rupert Gietl -r 10 Aprile, 2013 - 16:40
Da gebe ich Ihnen Recht, wäre schön, wenn man kleine Fehle korrigieren könnte, aber dann kann man auch jederzeit ganze Aussagen zurückziehen und das nähme der Seite doch ziemlich ihre Authentizität!
Ritratto di Klaus Egger
Klaus Egger 10 Aprile, 2013 - 16:41
das wäre sehr gut. Ich würde nach der "Hitze des Gefechts" auf oftmals gern das eine oder andere Wort austauschen oder den Satz besser formulieren:-). Ich glaube auch mal irgendwo gelesen zu haben, dass salto sich dieser Tatsache bewusst ist und an einer technischen Lösung arbeitet. Ist aber sicherlich nicht so einfach, da ja jeder natürlich nur seine eigenen Beiträge und Kommentare bearbeiten dürfte. Facebook hat das auch gerade erst vor kurzem technisch hingekriegt. @Max: wenn du mich gerade liest, kannst du uns dazu eine Info geben?
Ritratto di Editorial Salto
Editorial Salto 12 Aprile, 2013 - 09:43
Hallo Silvia, Rupert, Klaus, das wäre technisch wohl machbar und es gibt gute Gründe, die dafür sprechen würden. Wir möchten aber vom Einbau einer solchen Funktion absehen, weil das nachträgliche Abändern von Kommentarinhalten die Diskussion beeinträchtigen und für Verwirrung sorgen könnte. Dafür haben wir diese Möglichkeit bei Blogs gegeben, wobei auch hier die Sensibilität der AutorInnen gefragt ist, wenn nachträglich inhaltliche Änderungen durchgeführt werden. Allgemein raten wir dazu, vor dem Absenden von Posts kurz Luft zu holen, weg zu schauen und dann nochmals zu lesen was man geschrieben hat (siehe Netiquette http://www.salto.bz/de/info/netiquette). Damit man/frau sich in der Hitze des Gefechts nicht verbrennt ;) Lieben Gruß, Euer salto-team
Ritratto di Rupert Gietl -r
Rupert Gietl -r 10 Aprile, 2013 - 16:34
Sehr geehrte Frau Rier, wie ich oben schon geschrieben habe, bin ich der Meinung, dass die Landesregierung die Eltern in ihrer Funktion als Verantwortliche für die Weite des Horizontes der eigenen Kinder nicht ersetzen kann. Ebenso, wie man unsere Tiroler Kultur und die deutsche Sprache in Südtirol nicht per Gesetz schützen kann, wird man sich auch schwer tun, die Freude am Erlernen der Zweitsprache von oben herab zu verordnen. Das heutige Südtirol lag schon immer am Schnittpunkt zwischen Süd- und Mitteleuropa und der Austausch mit unseren südlichen Nachbarn war - den Zeiten entsprechend - rege. Man denke an den - ach so konservativen und rückständigen - "Taliban" Andreas Hofer, der zum Erlernen des Italienischen von seinen Eltern nach Cles geschickt worden ist und diese Erfahrung sicher nicht bereut hat, als es 1809 darum ging, auch die trientiner Landesverteidiger hinter sich zu vereinen. Ich bilde mir selber ein, während eines mehrmonatigen Arbeitsaufenthaltes in Italien mehr gelernt zu haben, als nach 3 Jahren Dante am Gymnasium... ;-) Wenn besonders unter den Jugendlichen deutscher Muttersprache (falls dies denn stimmt) die Kenntnisse der Zweitsprache schwächer geworden sein sollten, als sie in den 80er und 90er Jahren waren, dann ist dies sicher nicht die Schuld der deutschen Oppositionsparteien. Soviel Macht besitzen diese gar nicht, abgesehen davon, dass sich - zumindest bei der STF - niemand gegen das ausgezeichnete Erlernen des Italienischen ausgesprochen hat. Wer sollte denn dann bei Santoro auftreten, wenn unsere Eva eines Tages in den verdienten Ruhestand geht? ;-) Vielmehr liegt es daran, dass der Staat Italien in den letzten 20 Jahren gewaltig an Attraktivität verloren hat. Wenn zig-tausende junge Italiener ins deutsche Ausland abwandern (müssen), warum sollte es unsere Jugendlichen nach Süden ziehen? Im Grunde war es ein Skandal, als vor einigen Wochen auf der "Dolomiten" Titelseite unsere Jugendlichen aufgefordert wurden, sich doch eine Lehrstelle in Österreich oder Deutschland zu suchen... Sind wir zurück in den 50er Jahren?
Ritratto di Sylvia Rier
Sylvia Rier 10 Aprile, 2013 - 18:10
gehen wir doch einfach über zum "du ", weil's einfacher ist, und was im Übrigen für die englische Königin gut (genug) ist, sollte für uns doch billig sein, einverstanden? Natürlich sind IMMER in erster Linie Eltern für die Bildung und den Horizont ihrer Kinder verantwortlich, aber: Die Regierung muss die Rahmenbedingungen schaffen. Ich KANN meiner Tochter kein Italienisch beibringen, weil diese nicht meine Muttersprache ist, alles, was ich tun kann - und was ich auch getan habe, in Ermangelung anderer Möglichkeiten, vor allem hier bei uns auf dem Lande - ist, mir bzw. ihr mit italienischsprachigen Büchern, Musik usw. "das Ohr" bzw. "die Gehirngänge" zu öffnen. Das ist aber sehr wenig, und du hast unbedingt recht, wo du sagst, dass "von oben herab verordnen" nichts bringt. Aber: Von oben herab verhindern, das geht sehr wohl, das funktioniert sehr gut, wird offensichtlich auch praktiziert, und ist jedenfalls unfair wenn nicht, wie gesagt, gar verantwortunglos. Da fällt mir ein Satz ein, den ein junger (!) Mann, vermutlich sehr SVP-affin und eng mit dort verbandelt, in einem fb-Post unterbrachte, nämlich: (Zitat) "Was die Basis wünscht, und wieviel die Leitung erlaubt". Es geht also nicht bei uns scheinbar weniger darum, was "die Basis" wünscht, als vielmehr, was "die Leitung erlaubt". Hallo? Aber zurück zum Text: Die Politik/Regierung muss ein, sagen wir mal, günstiges/positives Umfeld schaffen - damit sind Eltern schlicht überfordert. Logisch, wozu bräuchte es denn sonst noch Regierungen ;-) wenn wir alles selbst machen (sollen)? Die "Schuld" der Oppositionsparteien wird's wohl auch nicht sein, wenn junge Leute heute noch weniger Lust an den Tag leben, die zweite Sprache zu lernen, aber ich hatte schon überlegt, ob all dieses Österreich-Getue-und-Verbindungen-nach-dort-pflegen-weil-wegen-Kultur-und-so und Freistaat und Doppelpass und "eh keine Grenzen mehr" und Makroregion Tirol und was weiß ich noch alles nicht etwa möglicherweise den jungen Menschen doch suggeriert, ach, was soll ich mich da mit Italienisch herumschlagen... Ich weiß es nicht, ich frage mich nur. Aber du irrst m. E. ganz sicher dort, wo du "unterstellst", die Lust am Erlernen der zweiten Sprache habe etwas damit zu tun, ob früher oder später ein junger Mensch möglicherweise weiter unten im Süden arbeiten möchte, du hängst die italienische Sprache an den italienischen Staat und machst sie daran fest. Dabei ist das doch ganz und gar irrelevant, hat überhaupt nichts zur Sache. Es geht vielmehr schlicht und einfach (auch) darum: Je mehr jemand kann, desto besser ist es für ihn. Grundsätzlich. Und je mehr Sprachen jemand kann, desto besser ist es für ihn, grundsätzlich, aber auch darüber hinaus, denn er könnte ja morgen möglicherweise in München oder London oder Hong Kong arbeiten, für ein internationales Unternehmen, das ja womöglich vielleicht auch mit Europa und, kann man's wissen, dort vielleicht sogar mit Italien arbeitet! Und es geht natürlich darum, dass für das Erlernen weiterer Sprachen eine ganz andere Basis hat, wer - in unserem Falle - italienisch kann: Ich brauche z. b. kein Spanisch zu können (auch, wenn ich's gern würde), kann mich aber in Spanien tadellos durchschlagen, mit meinem Italienisch. Ich erlerne weiterhin die französische Sprache ungleich leichter als jemand, der nicht auch wie ich eine andere Sprache aus dieser Sprachfamilie beherrscht. Das sind nur einige der Vorteile, die wir uns m. E. vorenthalten. Denn die Welt geht ja ein bisschen über Südtirol hinaus, das sollten wir uns vielleicht immer ein bisschen vor Augen halten.
Ritratto di Sybille Tezzele
Sybille Tezzele 10 Aprile, 2013 - 18:24
"Ich KANN meiner Tochter kein Italienisch beibringen, weil diese nicht meine Muttersprache ist" - aber die meisten Lehrpersonen, die in Südtirol z. B. Englisch unterrichten, sind auch nicht englischer Muttersprache.
Ritratto di Sylvia Rier
Sylvia Rier 10 Aprile, 2013 - 18:37
Sybille, und ich glaube, auch hier sollte die Latte der Ansprüche höher geschraubt werden. Allerdings würde ich es wagen, mit einer gewissen Vorsicht zwar, Englisch als - in unserem Falle - nachrangig zu bezeichnen.
Ritratto di Christoph Moar
Christoph Moar 10 Aprile, 2013 - 18:51
Sybille, ich fürchte der Vergleich hinkt. Die meisten Lehrpersonen, die in Südtirol z. B. Englisch unterrichten, sind auch nicht englischer Muttersprache. Sie haben aber Englisch Lehramt studiert. Das befähigt eindeutig zum Unterrichten. Silvia, hast du Italienisch Lehramt gebüffelt?
Ritratto di Sybille Tezzele
Sybille Tezzele 10 Aprile, 2013 - 19:12
wollte ich damit etwas anderes sagen, es hat mich ein bißchen irritiert zu lesen "ich kann nicht - weil", daher das Beispiel mit nichtmuttersprachlichen Lehrpersonen - da klappt es ja auch. Ich gehe da eher vom Konzept "Warum nicht?" aus, aber das ist natürlich meine persönliche Einstellung und Erfahrung. Im übrigen herrscht bekanntlich ständig Mangel an Lehrpersonen für Italienisch als Zweitsprache in deutschen Schulen, daher können so ziemlich alle, die irgendeinen Uni-Abschluss haben und ital. Muttersprache sind, an deutschen Schulen Italienisch unterrichten (als Supplenz). Habe selbst im Bekanntenkreis Personen, die Abschluss in Musik, Politik und Architektur haben, doch weil sie keinen Job fanden, wandten sie sich ans Deutsche Schulamt, und ta-da! Bei zwei von diesen hat es super geklappt, da sie glücklicherweise Talent und guten Willen in den Bereichen Didaktik und Pädagogik zeigten. Bei einem hingegen war es die reine Katastrophe und die armen Schulkinder haben in diesem Jahr bestimmt gelernt, Italienisch richtig zu verabscheuen. :( Auch auf dem Land ist es ein Problem, im Italienisch-Unterricht Kontinuität zu gewährleisten (was von der Pädagogik her eigentlich wichtig ist, zwecks Beziehung usw.), die Lehrpersonen wechseln ständig, weil selten jemand bereit ist, so weit zu fahren oder in dieses kleine Dorf hinter dem Mond zu ziehen. Aber jetzt glaube ich, ich habe in dieser Antwort ein paar Argumente miteinander vermischt, sorry ;)
Ritratto di Sylvia Rier
Sylvia Rier 10 Aprile, 2013 - 19:15
Christoph, auch wenn sich's meine Mutter sehr gewünscht hätte und ich heute durchaus manchmal bereue, nicht auf sie gehört zu haben ;-) Jedenfalls, Sybille, hatte ich mich damals durchaus mit dem Gedanken getragen, meiner Tochter in ihrer Vorschulzeit selbst ein bisschen was beizubringen, meine Italienischkenntnisse halte dich dafür für durchaus ausreichend. Aber: Man belehrte mich, das es nicht sehr klug sei, einem kleinen Menschen eine Sprache beizubringen, die nicht Muttersprache ist, weil man (selbst bei allerbesten Sprachkenntnissen) immer doch Fehler macht, und sei es nur die nicht perfekte Aussprache, Betonung usw. Das leuchtete mir ein und so habe ich's bleiben lassen :-)
Ritratto di pérvasion
pérvasion 10 Aprile, 2013 - 17:14
Natürlich kann man sich bewusst gegen Minderheitenschutz entscheiden, um in der Bildungspolitik einen »neoliberalen« Weg einzuschlagen. Auch der Minderheitenschutz ist keine heilige Kuh, das wäre also, sofern die Menschen wissend so entscheiden, eine durchaus legitime Weichenstellung. Mir ist hingegen mehr daran gelegen, die *gesamtgesellschaftliche* Mehrsprachigkeit zu fördern, ohne Abkürzungen zu nehmen, die sich ggf. als Sackgasse ohne Wendemöglichkeit erweisen könnten. In meinen Augen sollte nämlich jederzeit zwischen Einzel- und Gemeinschaftsinteressen abgewogen werden, bevor das Schulsystem umgekrempelt bzw. dem Spiel von Angebot und Nachfrage überlassen wird. Dies hat wohl damit zu tun, dass ich in der Gesellschaftspolitik, genauso wie in Wirtschaftsfragen, eine sinnvolle Lenkung durch die öffentliche Hand befürworte. Wenn jedoch die Mehrheit der Bevölkerung entscheidet, dass ihr dies nicht wichtig ist, muss ich dies natürlich zur Kenntnis nehmen und akzeptieren.
Ritratto di Christoph Moar
Christoph Moar 10 Aprile, 2013 - 17:32
Warum die ausgezeichnete Kenntnis einer Muttersprache und einer zweiten, dritten, wegen mir auch x-ten zusätzlichen Sprache eine bewusste Entscheidung gegen den Minderheitenschutz darstellen soll, erschließt sich mir nicht. Man kann bewusst eine frühe Förderung - gerne auch durch zusätzliche Pädagogen wie es Benno vorschwebt - eingehen, keine Minderheit nimmt davon schaden. Das ist eigentlich das gleiche Prinzip wie mit den Integrationsschülern: deren Anwesenheit gibt der gesamten Klasse zusätzliche Kompetenzen, und niemand nimmt Schaden davon. Eine typische win-win Situation, um die uns heute viele europaweit beneiden.
Ritratto di pérvasion
pérvasion 10 Aprile, 2013 - 18:01
Bitte versteh meinen Kommentar v.a. als Antwort auf den Vorschlag von Silvia Rier, den ich eben für »neoliberal« halte. Gegen die ausgezeichnete Kenntnis so vieler Sprachen wie möglich (ich selbst spreche davon sechs) habe ich nichts, ganz im Gegenteil. Das Ganze muss aber eben auch politisch gewollt, begleitet und evaluiert werden; die mehrsprachige Schule halte ich unter den derzeitigen Rahmenbedingungen (Minderheit in einem Nationalstaat) für die falsche Lösung, mit der wir das Kind mit dem Bade ausleeren würden.
Ritratto di Sylvia Rier
Sylvia Rier 10 Aprile, 2013 - 18:33
sei so gut, erklär's mir, ja? Was hat das Erlernen - das bestmögliche Erlernen - einer (hier) zweiten Sprache mit dem Schutz der Minderheit zu tun? Es geht um Lernen, um MEHR Lernen, und nicht um "Aufgeben", oder?! Niemand muss und niemand wird seine Mutter- oder Erstsprache vernachlässigen, nur, weil er noch eine zweite Sprache intensiv lernt? Du unterstellst ja dem menschlichen Sein recht enge Grenzen ;-) Ich persönlich glaube sogar, dass das Verständnis und die Freude, die Lust an meiner Ur-Sprache gewachsen ist mit der Kenntnis und dem Verständnis für eine andere, eine zweite Sprache. Und natürlich kann, soll und muss sogar jede Regierung der Welt alle verfügbaren Mittel nutzen und einsetzen zum Schutz, zur Förderung und zur Stärkung der eigenen Kultur, aber das geht halt eben, denke ich, am besten durch Maßnahmen zur Stärkung und Förderung, und weniger gut durch solche zur Verhinderung (der zweiten Sprache).
Ritratto di pérvasion
pérvasion 10 Aprile, 2013 - 18:55
Habe ich nicht geschrieben, dass ich gegen das Erlernen einer zweiten und auch weiterer Sprachen nicht nur nichts einzuwenden habe, sondern, dass ich das selbstverständlich befürworte? Doch, ich habe das geschrieben! Worauf ich aber mit all meinen Kommentaren aufmerksam machen wollte, ist, dass wir noch immer eine Minderheit in einem Nationalstaat sind, dessen Tendenz immer automatisch zur einen »lingua franca« hin tendiert (das ist in Italien das Italienische, in Frankreich das Französische und in Deutschland das Deutsche). Wenn wir also z. B. ohne die passenden Rahmenbedingungen ein paritätisch zweisprachiges Schulsystem aufbauen, wird die Situation binnen weniger Generationen völlig in Richtung dieser »lingua franca« abdriften, so wie es in Italien bereits mit allen Minderheiten passiert ist — außer in Südtirol und vielleicht im Falle der slowenischen Minderheit in Friaul. Ein Beispiel: Sobald alle Südtiroler gleichermaßen Italienisch sprechen, wird es keine Rechtfertigung für das »Recht auf Muttersprache« mehr geben. Der Staat könnte damit viel Aufwand und Geld sparen, um nicht von Privatfirmen zu sprechen, die unsere Minderheitensprachen schon heute großteils ignorieren — und dann erst Recht keinen Ansporn mehr hätten, sie zu berücksichtigen. Ich möchte dir hierzu zwei Artikel in meinem Blog empfehlen: 1) http://www.brennerbasisdemokratie.eu/?p=14274 und 2) http://www.brennerbasisdemokratie.eu/?p=1223 Wenn wir die Rahmenbedingungen nicht berücksichtigen, setzen wir mit einer Liberalisierung der Sprachpolitik — paradoxerweise — die sprachliche Vielfalt unseres Landes auf's Spiel. In einem unabhängigen Südtirol, dessen Quellcode mehrsprachig wäre (weil kein Nationalstaat) wäre dies selbstredend völlig anders.
Ritratto di Sylvia Rier
Sylvia Rier 10 Aprile, 2013 - 19:27
aber, 1. "Wenn wir also z. B. ohne die passenden Rahmenbedingungen ein paritätisches Schulsystem aufbauen (...)": Wer, bitteschön, oder was hindert uns (unsere Regierung) daran, zusammen mit dem paritätischen Schulsystem (angenommen, wir einigten uns darauf, dass das Richtige ist) auch die passenden Rahmenbedingungen aufzubauen (welche immer die sein mögen)? Du? Wahrscheinlich nicht. Ich? Sicher nicht. Aber: Wo kein paritätisches Schulsystem, da kein Bedarf an passenden Rahmenbedingungen, oder auch: Was zuerst? Die Henne? Oder das Ei?
Ritratto di Christoph Moar
Christoph Moar 10 Aprile, 2013 - 19:07
oder auch nicht. Die mehrsprachige Schule sei unter den derzeitigen Rahmenbedingungen (Minderheit in einem Nationalstaat) die falsche Lösung, mit der wir das Kind mit dem Bade ausleeren würden. Ich persönlich denke eher nicht: meine Verbundenheit zu diesem Land, diese Leute, selbst zur Nicht-Schriftsprache haben sich durch weitere Sprachen nur verfestigt, nicht verwässert. Wer Latein oder eine lateinische Sprache kann, der erkennt Feinheiten in Deutscher Sprache und in Dialekt, die anderen verborgen bleiben. Was Silvia gerade eben ("ich versteh's nicht") geschrieben hat, dem kann ich eigentlich nur zustimmen. Ich will mich aber nicht streiten, jeder nach seiner Facon. Die Kinder sehen sich ja alle wieder, spätestens in 20 Jahren auf dem Arbeitsmarkt. Was die Rahmenbedingung als Minderheit in einem Nationalstaat angeht, nun ja, darüber ist mir persönlich tatsächlich viel schwieriger zu urteilen als über eine paritätische Schule. Woanders als hier war mir die Replik etwas zu forsch neulich, ich war tatsächlich zu unaufgeregt um mir den Vorwurf der Aufgeregtheit lesen zu müssen. Aber wenn wir das hier weiterführen können... ich weiss nicht. Wenn wir über einen Freistaat wie Bayern sinnieren, dann bin ich gedanklich leicht dabei, und die Föderalismusbemühungen (von Leuten wie Francesco Palermo et al) oder das Europa der Regionen sind davon ja gar nicht entfernt. Wenn wir aber über einen eigenen kleinen Inselstaat denken, nun ja, da tu ich mich etwas schwerer. Ein Verteidigungs- und Außenminister für unser kleines Ländle, das wär schon nett. :) Auf jeden Fall ist das, denke ich, keine zwingende Voraussetzung für eine vernünftige Bildungspolitik, die unseren Kindern das Bewusstsein für Heimat und Tradition keinesfalls nimmt, dafür aber auch die Chancen wahrnimmt, die sich ihnen auf den Arbeitsmarkt bieten werden, wenn sie perfekt mehrsprachig werden. Sie werden schließlich unsere Schulden und Renten zahlen müssen, da wärs schon fein wenn sie die besten Jobs kriegen :)
Ritratto di pérvasion
pérvasion 10 Aprile, 2013 - 19:13
»Ich persönlich denke eher nicht: meine Verbundenheit zu diesem Land, diese Leute, selbst zur Nicht-Schriftsprache haben sich durch weitere Sprachen nur verfestigt, nicht verwässert.« Bei mir war/ist dies ja auch der Fall. Ich bin aber der Meinung, dass wir immer zwischen der individuellen und der gesamtgesellschaftlichen Ebene unterscheiden müssen. Jedenfalls, solange wir Teil eines Nationalstaates sind (die Wiederholung sei mir gestattet).
Ritratto di Oliver H. (gesperrt)
Oliver H. (gesperrt) 10 Aprile, 2013 - 19:56
Ich hatte 12 Jahre italienisch in der Schule und spreche in Anbetracht dessen sehr schlecht italienisch. Meiner Meinung nach wäre es schon eine Verbesserung, wenn man das Schulsystem flexibler gestaltet. Wieso können die Schulen nicht selbst entscheiden, wie und in welcher Form sie ihren Unterricht gestalten? (Schulautonomie lässt grüßen). Wenn jede Schule selbst entscheiden kann, ob sie traditionell arbeitet, mehrsprachigen Unterricht anbietet oder gar ein ganz anderes Unterrichtskonzept wählt können die Schüler zusammen mit ihren Eltern selbst entscheiden, welches Modell sie wählen. Man muss ja nicht für oder gegen ein Konzept sein. Allein schon das Zulassen von Alternativen wäre eine Bereicherung für unser Bildungssystem.
Ritratto di Michael Bockhorni
Michael Bockhorni 10 Aprile, 2013 - 21:25
hab ich a Pech, wenn in erreichbarer Entfernung keine Schule mit dem Sprachangebot ist, wie ich es mir für meine Kinder wünsche oder spiele Taxi oder ????
Ritratto di Oliver H. (gesperrt)
Oliver H. (gesperrt) 10 Aprile, 2013 - 23:42
Natürlich ist dein Einwand berechtigt. Ich dachte bei meinem Vorschlag auch eher an die höheren Klassen. Prinzipiell ist es aber aktuell so, dass es kaum Auswahl gibt. Insofern würden zusätzliche Alternativen den Status Quo aus meiner Sicht verbessern oder siehst du das anders?
Ritratto di Rupert Gietl -r
Rupert Gietl -r 10 Aprile, 2013 - 20:18
Liebe Silvia, danke für das freundliche "Du", das nehme ich natürlich gerne an! Ich glaube, wir sollten endlich einmal den absoluten Vorteil des Erlernens von Fremdsprachen außer Diskussion stellen, so weit sollten wir mittlerweile schon sein, sonst drehen wir uns hier nur im Kreis. Ich geben offen zu, ein aktiver Verfechter der Wiederlöslösung Südtirols von Italien zu sein, einmal aus historischen Gründen, zum anderen aber auch, weil alle Bürger dieses Landes gemeinsam vieles besser machen könnten, wenn wir uns selber regieren würden (Wirtschaftsmodell, Umweltschutz, Energie, Verkehr,...) und uns von vielen europäischen und globalen Fehlentwicklungen lösen könnten. Klammer zu. Ich betreibe ein Unternehmen in dem ein Österreicher, zwei Südtiroler, zwei Trientner sowie ein Mittel- und Süditaliener als gleichwertige Partner und Freunde dreisprachig auf akademischem Niveau zusammenarbeiten. Bitte erkläre mir ein Phänomen, das ich selber nicht genau verstehe, obwohl ich es schon lange versuche: Wenn ich im Kontakt mit der Staatsgewalt oder in der Öffentlichkeit auf dem Recht zum Gebrauch meiner Muttersprache bestehe (und es wird mir oft genug verwehrt...), dann kostet mich das Überwindung, ich fühle mich nicht wohl dabei. Wir alle möchten ja nett sein und unseren Mitbürgern entgegenkommen, besonders wenn es uns leichtfällt die zweite Sprache zu sprechen. Aber wenn ich als Aktivist schon diese Hemmschwelle verspüre, wie geht es dann allen anderen? Das ist der Druck der "Lingua Franca" was "pérvasion" meiner Meinung nach richtig beschreibt. Betritt einmal die Vodafone-Filiale am Waltherplatz, dort sprechen alle Kunden automatisch italienisch mit den Angestellten, da herrscht eine Selbstverständlichkeit, als ob es die vielgelobte Zweitsprache gar nicht gäbe. Auf meine Frage, ob ich hier den auch deutsch sprechen könne, erhielt ich die lapidare Antwort: "Italiano o Inglese". Und so viel sei verraten: das Englisch war jämmerlich... Wenn wir nicht auf der Hut sind, werden wir uns an die Mehrheit in diesem Staate zuerst sprachlich und dann auch politisch anpassen (Stichwort "normale Provinz"), nicht von heute auf morgen, aber es wird passieren... Wenn die große Mehrheit unserer Mitbürger das will, dann ist das demokratisch legitim. Wenn wir das nicht wollen, müssen wir uns bewusst entscheiden und bewusst vorsichtig sein, auch wenn es manchmal weh tut...
Ritratto di Sylvia Rier
Sylvia Rier 10 Aprile, 2013 - 21:02
Da stellst du mir eine sehr schwierige Frage. Ich gehöre nämlich auch zu denen, die ins Italienische verfallen, allein schon dann, wenn ich merke, dass mein Gegenüber sich mit meiner Sprache ein bisschen schwer tut. Du sagst's ja selbst. Mir macht's aber Spaß, und es ist kein Problem. Jedoch: Ich (be-)merke immer öfter, dass mein italienisches Gegenüber dann von meinem Verhalten irritiert ist, fast ein bisschen beleidigt?, als würde ich seine Bemühungen(Sprachkenntnisse abwerten. Das geht nun auch wieder in eine falsche Richtung, denn wir müssen ja übrigens neidlos anerkennen, dass sich sehr viele unserer italienischen Mitbürger sehr anstrengen mit ihrer zweiten Sprache und dass ihre Anstrengungen zum Teil ganz ausgezeichnete Früchte tragen. In Fällen wie dem deinen mit Vodafone mache ich auf dem Absatz kehrt, nicht ohne dem Angestellten und dem ganzen Geschäft zuerst auf englisch einen Vortrag über gutes Benehmen gehalten zu haben und dann auf italienisch gesagt zu haben, dass ich dann doch lieber bei TIM kaufe um mich am Ende mit einem guten Südtiroler Gruß zu verabschieden ;-). In Sachen Loslösung von Italien bin ich weniger bei dir, aber das macht ja nichts, die Welt ist schön, weil sie bunt ist. Ich find's ziemlich spannend bei uns, so, wie's ist. Zur lingua franca und pérvasion würde ich mal folgendes sagen: In den Schulen, und zwar allen, angefangen im Kindergarten, praktizieren wir eine Lösung, an deren Ende fließendst (!) (mindestens) zweisprachige Südtiroler stehen. Und zwar so sehr zweisprachig, dass draußen, im Alltag, ob privat oder von Amts wegen, bei Gericht oder bei Vodafone, jeder Südtiroler exakt und ausschließlich die Sprache spricht und sprechen kann, mit der er auf die Welt kam. Das heißt, du fragst auf deutsch, und der Zanolini antwortet dir auf italienisch, usw. usf. DAS wären dann konsequent zweisprachige Konversationen, findest du nicht, und das Überleben unserer Minderheiten-Sprache wäre vermutlich auch gesichert, und alle Probleme gelöst :-). Nur die Situation der Ladiner, die belastet mich ein bisschen, denn wir können vermutlich nicht alle auch Ladinisch lernen (wenn ich persönlich das auch sehr befürworten würde), oder? Denn die sind ja wohl (auch) eine Minderheit im Sinne von pérvasion und riskieren also, von unseren beiden "lingue franche" erdrückt zu werden (falls wir denn pérvasion zugestehen wollten, dass er in dieser Sache unbedingt Recht hat...)?!
Ritratto di Rupert Gietl -r
Rupert Gietl -r 11 Aprile, 2013 - 08:39
"Das heißt, du fragst auf deutsch, und der Zanolini antwortet dir auf italienisch, usw. usf. DAS wären dann konsequent zweisprachige Konversationen" Das wäre schön! Da sollten wir hin! Alle Volksgruppen in Südtirol auf Augenhöhe, dann können wir endlich angstfrei über eine gemeinsame, bessere Zukunft beraten... Denn das Wort "Freiheit" hat nicht nur auf deutsch einen schönen Klang!
Ritratto di Michael Bockhorni
Michael Bockhorni 11 Aprile, 2013 - 09:35
... also das ist immer wieder realität bei uns in den team- und supervisionssitzungen.
Ritratto di Martin Geier
Martin Geier 10 Aprile, 2013 - 20:37
Ich habe mich nun nach einem langen Arbeitstag durch die ganzen Kommentare gelesen und kann mit Freude feststellen daß es eine sehr sachliche Diskussion ist. Ich muß zugeben daß ich kein großer Freund der generellen Immersion bin; meiner Ansicht soll neue Modelle und Experimente fein auf die jeweilige Situation abgestimmt werden. Die Autonomie im schulischen Bereich bietet uns genug Möglichkeiten punktuell einzugreifen und situationsgerecht(Stadt-Land, ethnische Zusammensetzung der Klassen und Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund ecc.) Dinge zu verbessern. Die Lage der Mehrsprachigkeit in unserem Land ist insgesamt befriedigend. Anerkenne die Probleme die Rupert Gietl in seinem Kommentar anspricht; mA ist das auch vielfach darauf zurückzuführen daß Südtirol aufgrund der desaströsen Arbeitsmarktlage derzeit Arbeitskräfte aus dem Süden "importiert". Das gilt vor allem für große Konzerne wie bsw. Vodafone die freie Stellen auch staatsweit ausschreiben. Arbeit ist aber insgesamt mobiler geworden. Entscheiden tut aber letztendlich der Kunde zumal es ja allein am Kunden liegt deutschen Service zu prämieren. Ich bin bestenfalls für punktuelle Immersion. Südtirol ist in seiner Kleinheit sehr verschieden und ein Modell für alle taugt nicht; muttersprachlichen Unterricht halte ich für alle Ethnien in Südtirol für generell sehr wichtig.
Ritratto di Michael Bockhorni
Michael Bockhorni 10 Aprile, 2013 - 21:30
ja, trotz später Stunde hab ich mich auch durch alles durchgelesen und es war sehr, sehr interessant (überhaupt für einen österreichischen Immigranten ;-)
Ritratto di Markus Lobis
Markus Lobis 11 Aprile, 2013 - 10:23
Ich weise hier auf einen Vorspann hin, den ich soeben in meinen Blogbeitrag eingebracht habe, nachdem ich gestern ein längeres Telefongespräch mit Sabina Kaslatter Mur hatte: Vorspann, nachträglich eingebracht am 11.4.: Gestern hatte ich ein längeres Telefongespräch mit Landesrätin Kaslatter Mur, für das ich mich aufrichtig bedanke. Landesrätin Kaslatter Mur hat sich darin über die Darstellung ihrer Aussage in meinem Beitrag beschwert und ausgeführt, dass sie wesentlich differenzierter zur Sache gegangen sei: Sie habe es als Problem dargestellt, dass es in Bozen italienischsprachige Eltern gebe, die ihre Kinder in den deutschsprachigen Kindergarten einschreiben, selbst aber kein Deutsch können und dem Deutschen gegenüber eher negativ eingestellt sind. Ich hatte die Aussagen der Landesrätin auszugsweise im Sender Bozen gehört und den beschriebenen Ductus und Inhalt wahrgenommen. Unabhängig von der Wortwahl, ändert eine wie immer geartete Abschwächung der Aussagen der Landesrätin an den wesentlichen Inhalten meines Blog-Beitrages nichts und ich greife deshalb in den ursprünglichen Text meines Beitrages nicht ein. Ich räume ein, dass ich zur Polemik neige, die mir auch als Textsorte geeignet erscheint, Mißstände aufzuzeigen und Diskussionen anzufachen - wie man es hier eindrucksvoll sehen kann. Ich werde allerdings meine polemische Ader zurückdrängen, die vor allem in einer Zeit gewachsen ist, in der Andersdenkende in der Watt- und Speckrepublik ((saggra! schon wieder polemisch...)) radikal ausgegrenzt und von der öffentlichen Debatte knallhart ausgeschlossen wurden. Ich stelle erfreut fest, dass die Gesprächsbereitschaft und die Lust an grundsätzlichen Debatten auf allen Ebenen in der letzten Zeit sehr zugenommen hat. Das Problem liegt aber viel tiefer: Die Frau Landesrätin und ich waren uns einig, dass wir in allen Politik-Feldern, die Südtirol betreffen, immer wieder auf einen toten Punkt kommen: Es gibt keinen Konsens über eine mögliche Zukunft für dieses kleine Land, wir wissen nicht, wo es sich hin entwickeln soll und das führt zu einer Lähmung der Gesellschaft, Mißgunst und Egoismen, die die Abwärtsspirale antreiben. Eine Debatte über die Autonomie kann sich nicht darauf beschränken, wie der Einfluss des Staates weiter zurückgedrängt werden kann. Ihr muss vielmehr ein neues Gesellschaftsmodell zu Grunde gelegt werden, das von möglichst allen in Südtirol lebenden Menschen als erstrebenswert eingeschätzt wird.
Ritratto di Martin Geier
Martin Geier 11 Aprile, 2013 - 17:19
Wenn wir die lebendige Diskussion hier verfolgen dann kann man alles sagen; nur nicht daß man so schnell an einem toten Punkt gelangt. Der Fehler liegt meiner Ansicht eher darin daß man versucht mit aller Gewalt ein Problem zu konstruieren und dann versucht eine politische Lösung(ganz im eigenen Sinne) anzubieten. Hatte ein interessantes Gespräch mit (auch italienischen) Arbeitskollegen und -Kolleginnen; zu meinem Erstauen kam man zur Einsicht daß Keiner(Keine) Probleme mit dem heutigen Schulmodell hat; und noch weniger mit Proporz und Zweisprachigkeit. MA haben die Grünen bei den Italienern auch deshalb keinen Erfolg weil sie nicht verstanden haben daß sich gegenüber Langers Zeiten (Friede seiner Asche )der Wind gedreht hat und über die Sprachgruppen hinweg ein Grundkonsens gegenüber dem heutigen Autonomiemodell besteht. Mit dem heutigen Modell(Proporz und Zweisprachigkeit sowie heutige Schule) habe auch ich im wesentlichen kein Problem.Wie Markus Lobis' Vita gezeigt hat ist mit Wechseln der Schule (mit anderen Modellen) auch heute bereits perfekte Zweisprachigkeit(unter Wahrung der Muttersprache) möglich. In der Autonomiedebatte bemängle auch ich daß es sich immer nur darum dreht was des Staates ist und was der Provinz; das Land greift bei eigenen Kompetenzen auch zu wenig ein; bsw. gilt das für einige Steuerungsmöglichkeiten die man aus Angst einige wichtige Lobbies nicht zu verprellen kaum anwendet. Das soll dann lieber der böse Staat machen während man selbst lieber Nikolaus spielt. Es werden mA bereits heute vorhandene Spielräume nicht ausgenutzt; das gilt für Schulexperimente wie auch steuerrechtliche Fragen. Da ist nix mit "Toter Punkt".
Ritratto di Sybille Tezzele
Sybille Tezzele 11 Aprile, 2013 - 17:40
Ich finde die Diskussion hier auch sehr spannend und vielfältig. In diesem Beitrag hier bin ich beim Satz steckengeblieben, dass von deinen Kolleginnen und Kollegen niemand Probleme mit dem heutigen Schulmodell habe. Ist damit jetzt "nur" die Sache mit der Trennung in deutsche/italienische/ladinische Schule gemeint oder allgemein das "System Schule" (inklusive Themen Stundenplan, Lerninhalte, Programme, Hausaufgaben usw. usf.)? Denn wenn letzteres zutrifft, dann wundere ich mich, bei mir ist es nämlich umgekehrt, ich kenne nämlich kaum Leute, die keine Probleme mit dem Schulmodell haben (und da sind auch Schul-Leute dabei).
Ritratto di Martin Geier
Martin Geier 11 Aprile, 2013 - 17:52
Nein, Nein; meinte Ersteres. Ich meine das grundlegende Modell; nicht die "Details". Auch mein Umfeld möchte Verbesserungen oder andere Modelle in diesem und jenen; nicht aber das grundlegende Modell kippen. Meiner Ansicht ist das deshalb so weil beide Seiten Interesse daran haben daß die eigene Muttersprache auch in der Schule angemessen berücksichtigt wird. Stundenplan, Lerninhalte, Programme, Hausaufgaben usw. usf. ist ein ganz anderes Fass. Wir müssen in unserer Diskussion hier klar unterscheiden ob wir das grundlegende System ändern wollen oder nur "Details"; so wichtig Letztere für den Einzelnen auch sein mögen.
Ritratto di Sybille Tezzele
Sybille Tezzele 11 Aprile, 2013 - 18:01
Danke für die Antwort. Ja, das sehe ich eigentlich auch so, mit dem grundlegenden Modell scheinen auch mir die meisten zufrieden zu sein - in meinem eigenen italienisch- wie deutschsprachigen Umfeld erlebe ich es so: die "großen" Diskussionen werden beim Thema Schule eher bei den o.g. "Details" geführt. Im Grunde möchten doch alle "einfach" nur, dass ihre Kinder nicht nur die Muttersprache sondern auch die Zweitsprache gut beherrschen, gerne lernen und dann ebenso gerne nutzen. Womöglich müsste man, um dieses Ziel zu erreichen, nicht das ganze "Modell" kippen sondern besser bei den "Details" ansetzen, sprich z. B. das jeweilige Kind dort "abholen", wo es steht; nicht dieselben Hausaufgaben für alle Kinder (was für das eine "ein Klacks" ist weil es z. B. aus einer gemischtsprachigen Familie stammt, ist für ein anderes Schwerstarbeit); usw. - ich glaube, da wäre noch sehr Vieles, das verbessert werden könnte.
Ritratto di Sylvia Rier
Sylvia Rier 11 Aprile, 2013 - 18:37
Martin (auch Sibylle), unsere Regierung böte dem, was du "mein Umfeld" nennst, die Möglichkeit zu wählen, ob es a) beim aktuellen Schulmodell mit ein paar Nachjustierungen/Verbesserungen hie und da bleiben oder b) ein neues Modell annehmen möchte, in welchem, sagen wir mal, die Hälfte der Fächer in der Mutter- und die andere Hälfte in der zweiten Sprache unterrichtet wird, oder ein 40/30/30 Modell o. ä. Wofür würde dein Umfeld sich entscheiden? Und was würdest du vorziehen, wenn du die Wahl hättest - für deine Kinder, aber auch für dich selbst?
Ritratto di Sybille Tezzele
Sybille Tezzele 11 Aprile, 2013 - 18:49
Hallo Silvia, ich kann natürlich nicht sagen, wofür mein Umfeld sich entscheiden würde. Mir selbst wäre ehrlich gesagt "der Rest" wichtiger, also der pädagogisch-didaktische Ansatz, z. B. Montessoripädagogik - oder noch lieber Charlotte-Mason-Methode - , keine Stundenpläne, keine Klassen, keine Hausaufgaben, kein starres Lernprogramm, Lernangebot anstatt Pflicht... In diesem Kontext des freien, lustvollen Lernens könnte ich mir gut vorstellen, Modell b) zu probieren. Meine Kinder würde ich, wie bisher auch, selbst entscheiden lassen, ob und welche Schule sie - unter den möglichen Alternativen - besuchen möchten.
Ritratto di Sylvia Rier
Sylvia Rier 11 Aprile, 2013 - 19:07
Dann wirst du vielleicht an der aktuellen Ausgabe von "Die Zeit" (Stellt die Schule auf den Kopf) Freude haben. Aber vielleicht weißt du ja auch schon, was drin steht. Und genau das, was ja auch du gewissermaßen beschreibst, fehlt doch hier bei uns, oder? Das "die Dinge auf den Kopf stellen", und auf diese Weise neue Perspektiven schaffen (ha!) Bei all dem vielen Geld, das wir haben (hatten) in dieser Provinz - da sollte doch ein bisschen mehr "Experimentierfreude" möglich sein, und zwar nicht nur in einem sehr engen, sehr minimalistischen Rahmen, sondern auch auf einer breiteren Ebene? Aber bei uns verharrt alles in Angststarre (nach dem Motto "bloß keine Unordnung schaffen!"). Vielleicht war es ja das oder etwas sehr ähnliches, was Sabina Kasslatter-Mur und Markus Lobis mit ihrem gemeinsam erarbeiteten toten Punkt meinten?!
Ritratto di Benno Kusstatscher
Benno Kusstatscher 11 Aprile, 2013 - 11:23
Ersteinmal vielen Dank an Angelika, Silvia und Sybille für die vitale Teilnahme hier. Ich spreche die Hauptkompetenz zur frühkindlichen Sprachentwicklung eindeutig den Müttern, Kindergärtnerinnen und Volkschullehrerinnen zu, also den MitbürgerINNEN. Umso mehr freut es mich, wenn diese Diskussion von Euch Damen mitgestaltet wird. Natürlich duze ich mich mit Euch gerne und sollte es auf salto.bz einen Wettbewerb zum/r Typo-König/in geben, würde ich mir glatt Chancen ausrechnen. Die Diskussion hier berührt wirklich sehr viele Aspekte, von denen mir einer am meisten am Herzen liegt: wie gut lernen unsere Kinder die Erst- und Zweitsprache. Ich gehöre leider nicht zu den Superpapis, die ihren Kindern ein viersprachiges Umfeld bieten können (na ja, Boznerisch, Grieserisch, Jenesienerisch, Rittnerisch und Sarnerisch zählt wohl nicht :-) ) und ich oute mich hier öffentlich als einer der Väter, deren Kinder durchaus Schwierigkeiten beim Spracherlernen haben. Ich berichte von Kindern, die (ja durchs Elternhaus) hochmotiviert und neugierig auf die Zweitsprache in die deutschsprachigeVolkschule einschulen und bereits im Zeugnis des ersten Semesters der ersten Klasse eine extrem schlechte Note in Italienisch heim bringen. Begründung der Lehrerin: „ due terzi della classe mi seguono facilissamente, ma la sua bambina non mi capisce“ Hallo !? Eine Stunde pro Woche Italienischschnuppern mit dem Resultat eines total frustrierten Kindes, das nach Analyse der sofort eingeschalteten Nachhilfelehrerin „capisce bene ma è totalmente impaurita“ extrem schwer wieder neu zu motivieren ist (ich weiß, es liegt bei den Eltern, spart euch bitte den Kommentar). Ja, ihr habt richtig gelesen, Italienisch-Nachhilfeunterricht gehört bei uns seitdem zur Freizeitgestaltung der Kinder ab der ersten Volksschulklasse. Um wen es sich bei den „due terzi“ in der Klassenzusammenstellung handelt, hatte ich schon in meinem Kommentar zum Kindergarten aufgelistet. Warum wir unsere Kinder in eine deutschsprachige Volksschule eingeschrieben haben? Ganz einfach, weil wir der Meinung sind, dass ein Kind wenigstens eine Sprache perfekt erlernen sollte. Aber Fehlanzeige: „wir können die deutsch-begabten Kinder leider nicht richtig fördern, weil zwei Drittel der Klasse nicht mitkommt.“ Auf der anderen Seite bekomme ich von den Eltern italienischsprachiger Kinder mit, dass sie (zurecht!) total frustriert sind, da ihrer Kinder Italienisch ungenügende Fortschritte mache. Win-win definiert sich anders. Wir haben uns in einer totalen lose-lose Situation festgefahren! Den Lehrer/innen macht die Situation auch keinen Spaß, aber das schlimmste ist: man darf das Thema gar nicht ansprechen. Ein Tabu! Dann wären wir nicht nur als schlechte, sondern auch noch als intolerante und bornierte Eltern abgestempelt. Lieber kaschiert man die mangelnde Qualität im Sprachunterricht mit Verweis auf irgendwelchen (für mich total harmlosen) Ausländeranteil. Es profitieren paradoxerweise die Gewerkschaften dank hilfesuchendem Lehrpersonals und die rechte politische Opposition. Um es klarzustellen, ich klage niemanden der involvierten Personen an. Irgendwie sind viele Opfer in diesem System. Ich bin frustriert, dass das System nicht funktioniert, trotz Bemühungen von allen Seiten. Und ich kann mir keinen einzigen Grund vorstellen, warum ein Immersionsunterricht hier irgendetwas verbessern sollte. Auf die Gefahr, dass ich mich wiederhole: egal in welcher Schulform, die Zweit- als auch die Erstsprachigkeit unserer Kinder muss uns mehr wert sein. Wir brauchen mehr Sprachpädagog/inn/en, die Kinder jeglicher Vorkenntnis abholen können. Warum glauben wir nur, dass das Glück der allgemeinen Mehrsprachigkeit zum Nulltarif zu haben wäre?
Ritratto di pérvasion
pérvasion 11 Aprile, 2013 - 18:00
Darf ich dir eine private Mitteilung schicken, zum Beispiel via Mail? Falls ja... schick mir doch deinen Kontakt an pervasion@gmx.net Danke!
Ritratto di Barbara Prugger
Barbara Prugger 12 Aprile, 2013 - 07:36
Frage: Wo gabs denn diese Versuchsklassen und was ist daraus geworden?
Ritratto di Wilfried Meraner
Wilfried Meraner 13 Aprile, 2013 - 04:29
"Gestern hatte ich ein längeres Telefongespräch mit Landesrätin "Kaslatter Mur... hat sich darin über die Darstellung ihrer Aussage in meinem Beitrag beschwert und ausgeführt, dass sie wesentlich differenzierter zur Sache gegangen sei..." merkt ihr was? plötzlich wird es für die "macher" nötig, auf meinungen zu reagieren- dank salto!
Ritratto di Hans Knapp
Hans Knapp 13 Aprile, 2013 - 09:59
Zur interessanten Diskussion um Schule, Mehrsprachigkeit und Identität will ich hier nichts sagen, weil mir scheint, dass schon viele bedenkenswerte Argumente vorgebracht worden sind. Die allgemeine Frage "wohin wollen wir" war ein Thema der Landesausstellung 2009 in der Franzensfeste. Ich habe damals einen kleinen Text geschrieben, von dem ich glaube, dass er noch aktuell ist und in eine Diskussion um unsere Zukunft einbezogen werden könnte. http://www.hansknapp.it/Texte/assets/Kulturelemente.pdf
Ritratto di Sepp Bacher
Sepp Bacher 13 Aprile, 2013 - 14:04
Ich kann nicht aus eigener Erfahrung mitreden - ich habe keine Kinder. Obwohl ich Vertreter der sprachlichen Öffnung bin - siehe (www.salto.bz/de/article/06042013/zweisprachige-schule-und-autonomiestatut), finde ich den Beitrag von Lobis zu spitz und polemisch. Ich war auch immer der Meinung, dass es nicht richtig ist von italienischen Eltern, dass sie ihre Kinder - meist gegen deren Willen - in die deutsche Schule zu schicken, während sie sich selber weigern, überhaut nur ein Wort deutsch zu sprechen. Ich sehe den Weg in zweisprachigen Kindergärten und mehrsprachigen Schulen.
Ritratto di Maria Teresa Fortini
Maria Teresa Fortini 14 Aprile, 2013 - 10:28
Anche i miei 3 figli hanno frequentato le scuole tedesche. Ricordo quando Durnwalder annunciò che nessuno impediva alle famiglie italiane di iscrivere i propri figli nelle scuole dell'altra lingua. Lì , secondo me, fu l'errore madornale. Invece di benedire e sostenere le scuole plurilingui, sul modello ladino per es, e lasciare che piano piano andassero a sparire le scuole monolingui e le colorate sperimentazioni, volle accontentare un po' ma non troppo. E le conseguenze si possono vedere anche nella banalissima e provincialotta uscita dell'assessora sul "Umfeld", che sento da 40 anni qua da noi ed è smentita da qualsiasi studio scientifico. Fa arrabbiare invece vedere gli insegnanti lasciati soli a gestire un mondo scolastico in evoluzione pieno di lingue e di ragazzi diversi.
Ritratto di Sylvia Rier
Sylvia Rier 14 Aprile, 2013 - 11:02
e: buongiorno!, posso farti una domanda che mi interessa tantissimo e che è stata sollevata all'interno di una discussione pure qui dentro (Klaus Egger, ieri, "Altes gegen Neues: Der Krieg beginnt"), e dove Martin Geier sostiene, nella sua risposta a un commento postato da Valentino Liberto, che la "la maggioranza della società sudtirolese italiana non ha problemi né con il modello scolastico praticato, né con la proporzionale etnica e neanche con il bilinguismo". Mi sono inciampata su questa frase e mi domando: è così? Voi, siete contenti? Da quanto leggo qui sopra, non mi sembrerebbe proprio?? A parte che, a me personalmente, mi sembra di capire che neanche il gruppo linguistico tedesco fosse poi tanto "contento", per quel poco che ne so e anche se pure qui Martin Geier sostiene il contrario, la "contentezza" nostrana, di noi madrelinguani tedeschi cioè, a mio avviso è molto superficiale, dovuta più che altro a una certa pigrizia, anche ignoranza, e infine forse paura di mettere eventualmente a rischio quanto acquisito faticosamente (sai, l'onnipresente Assimilation...). Sarei un po' MOLTO curiosa di conoscere la tua opinione :-)
Ritratto di F G
F G 18 Aprile, 2013 - 14:50
wenn "deutsche" ihre kinder in den italienischsprachigen kindergarten einschreiben -ohnehin nur in urbanen gegenden möglich- ist dies zumeist, und auch nicht von jedermann, als verständlich angesehen. "wir leben schließlich in italien, und da sollten meine kinder doch auch italienisch sprechen können, oder nicht?!... logisch bin ich stolz südtiroler zu sein, aber wir sind halt nun mal Walsche!", hört man zum thema i.d.R. doch wehe dem "italiener", der seine kinder auf deutsche bildungseinrichtungen schicken möchte, denn "die sind doch Walsch, und sollen das auch bleiben..." hm... irgendwas stört mich hier: was mag das sein? jahrelang predigen wir "taitschn", dass die "walschen" doch endlich auch deutsch lernen sollten, dass es eine frechheit sei, dass "die da" schon über 50 jahre hier sind, und noch immer kein wort deutsch können. außerdem frage ich mich: die von uns erwachsenen errichteten barrieren für ein friedvolles (oder friedvolleres) zusammenleben zwischen allen südtirolern, zu denen ja auch schon kosovo-albaner und andere gehören (ja genau! auch die sind schon seit generationen da), müssen diese auch von kleinkindern bereits überwunden werden? wäre es nicht angebracht das kriegsbeil zwischen dt. und it. endlich zu begraben und mal gemeinsam auf einer sagra del pesce zu jodeln, oder auf einem schützenfest il silenzio zu spielen? solange und bis wir nicht aufhören uns gegenseitig voneinander mit allen mitteln differenziern zu wollen, werden wir wohl nie dazu kommen, dass wir alle uns als südtiroler, als bozner, als eliteeinheit italiens, als norditaliener, als europäer, als weltbürger, oder als mitglied EINER wertvollen einheit, der MENSCHHEIT, fühlen. anstatt ständig zwischen dt. und it. zu unterscheiden, schule, kultur, jugendarbeit, partei, sportverein, bergfreund usw. sollten wir mal zusammenlegen und einrichtungen schaffen, die für uns alle da sind (egal ob blond oder schwarzhaarig, hell- oder dunkelhäutig). NB: diskriminierung kann auch aufgrund unterschiedlicher schuhgrößen passieren... zum glück trage ich 44 und spreche deutsch :-)
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